Theatermacher Audi, von dem man zuletzt in München einen konventionellen, steifen Tamerlano gesehen hatte, hat sich in seiner Partenope für eine moderne, eine aktualisierte Version der Geschichte von der Sirene Partenope, der mythischen Gründerin der Stadt Neapel, und ihren drei Liebhabern entschieden, für eine Version, die er selber ganz zu Recht im Programmheft eine Seifenoper nennt. Und dies auch deswegen, weil sich die Partenope Handlung mit einem weiteren Liebesspiel überlagert und überkreuzt: der Intrige einer rachsüchtigen Frau gegen ihren untreuen Liebhaber und jetzigen Favoriten der Partenope. In der Tat ein Stoff, aus dem die Operetten- und Soap Opera Träume sind.
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22. 02. 09 Ein morbider Maeterlinck im „orchestralen Klangkolorit“. Pelléas et Mélisande an der Hamburgischen Staatsoper
Das lustvolle Quälen präraffaelitischer Kindfrauen, die kränkelnde Erotik der ‚femme fragile’, Angst und Verzweiflung, Trauer und Melancholie, Krankheit und Tod, hoffnungsloses Ausgeliefert-Sein an ein blindes Schicksal, eine düstere Antimärchenwelt, eine scheinbar einfache Sprache, hinter der sich Unbestimmtheit und Vieldeutigkeit verbirgt und die jegliche Kommunikation zwischen den handelnden Personen verrätselt, all dies sind Konstituenten, die das poetische Universum des „belgischen Symbolisten“ Maurice Maeterlinck bestimmen. Ob diese im weitesten Sinne morbide und zugleich geheimnisvolle Welt, in der jeder Gegenstand und jegliches Sprechen auf etwas Anderes, auf etwas Unbestimmtes, etwas ‚Symbolisches’ verweisen, ihre Entsprechung in Debussys Musik finden, dazu steht mir als Dilettantin kein Urteil zu. Doch wenn es, wie die Kundigen raunen, eine Art von „Klangmagie“ sein soll, die Debussys Musik auszeichne, dann haben an diesem Abend die Hamburger Philharmoniker diese Magie in der Tat ‚hervorgezaubert’ und damit ihr Publikum fasziniert.
21. 02. 09 Rokoko Gespensterkomödie nebst viel Klamauk. Der Rosenkavalier in der Staatsoper unter den Linden
In München scheut sich die Intendanz nicht, ihrem Publikum noch immer eine jetzt nahezu vierzig Jahre alte Produktion anzubieten. In Berlin ist man im Vergleich dazu geradezu jugendlich frisch. Der Berliner Rosenkavalier bringt es nur auf gerade vierzehn Jahre, und die Aufführung, die wir sahen, war laut Besetzungszettel erst die „47.Vorstellung“. In den beiden so renommierten Häusern verfährt man offensichtlich mit dem Rosenkavalier nach dem gleichen Rezept: man nehme für die Hauptrollen bekannte, herausragende Sänger, fülle den Rest mit Mitgliedern des Ensemble auf, stecke sie alle in Rokokokostüme, lasse alle spielen, wie sie wollen. Als routinierte Sängerschauspieler finden sie sich so oder so zurecht, eben ganz wie Zerbinetta und ihre Truppe. Für das Orchester ist der Rosenkavalier sowieso nur Routine. Den Strauss haben sie alle unter den unterschiedlichsten Dirigenten bis zum Überdruss gespielt. Und im Saale sitzt sowieso ein mehrheitlich touristisches Publikum, das vielleicht doch lieber den Barbier von Sevilla oder Die lustige Witwe gesehen hätte, schon weil die Stücke kürzer sind. Wie respektlos und wie lieblos in Berlin und kaum anders in München mit der „Komödie für Musik“ umgegangen wird, das ist geradezu ein Ärgernis.
19. 02. 09 Tod und Verklärung oder ein Reigen um Eros und Thanatos. Ariadne auf Naxos an der Deutschen Oper Berlin
Sagen wir nicht, unsere Opernhäuser seien nicht sparsam oder schafften nicht Geld herbei. Innerhalb einer Woche sahen wir gleich zwei Produktionen der Bayerischen Staatsoper – erfolgreiche und umjubelte Produktionen –, die an andere Häuser verkauft worden waren. El Teatre del Liceu in Barcelona übernahm aus München David Aldens (leider schon etwas betagte) L’incoronazione di Poppea, und jetzt hat die Deutsche Oper Berlin Robert Carsens Ariadne eingekauft, die im vergangenen Sommer bei den Münchner Opernfestspielen Premiere hatte. Die Berliner Intendanz, die, um es freundlich zu sagen, nicht gerade von der Kritik verwöhnt wird, hat mit der Carsen Ariadne einen guten Griff getan. Ein volles Haus, ein begeistertes Publikum, ein positives Echo im überregionalen Feuilleton. Und dies zu Recht. Robert Carsen hat in seiner Inszenierung aus der angeblichen Kammeroper, aus der hybriden Ariadne mit ihrer Überlagerung von altehrwürdiger opera seria und moderner opera buffa geradezu eine französische Grand Opéra oder besser gesagt: eine opéra ballet mit Metatheatereinlagen gemacht – und verweist damit implizit auf Molières comédie-ballet und zugleich auf Hofmannsthals Intertertexte. Noch bevor es überhaupt mit dem Spektakel losgeht, wird der Zuschauer schon mit dieser Konzeption, mit dieser Grundidee der Inszenierung vertraut gemacht. Der Bühnenraum ist der Trainingssaal des Opernballetts, und dieses studiert gerade ein Stück ein – Ballettszenen zur Oper Ariadne, wie der Zuschauer und mit ihm der Auftragsgeber (der „reichste Mann von Wien“) gleich erfahren werden, wenn ihnen mit der Ouvertüre zur Ariadne, die als Ballettmusik fungiert, die eben geprobten fragmentarischen Szenen in einer Art Generalprobe als geschlossenes Stück vorgeführt werden.
13. 02. 09 „[…] l’idol mio, tu sei pur / sì mio ben, sì mio cor / mia vita, sì, sì”. L’incoronazione di Poppea im Musentempel der Katalanen
Es ist eigentlich nicht vorstellbar, dass, wenn nach vier Stunden schließlich um Mitternacht das berühmte Liebesduett zum Finale erklingt, dass dann ein höchst diszipliniertes Publikum, das zu keinem Zeitpunkt durch Huster und Unruhe störte, noch immer konzentriert zuzuhören weiß und sich dann noch die Zeit nimmt, die Sänger begeistert zu feiern. So geschehen im Gran Teatre del Liceu in Barcelona. Und mehr als zu Recht wurden, um nur die großen Partien zu nennen, Miah Persson in der Titelrolle, Maite Beaumont als Ottavia, Sarah Connolly als Nerone, Jordi Doménech als Ottone mit Beifall überschüttet. Wenn es nicht ein so grober Anachronismus wäre, müsste man eigentlich sagen, dass, das, was in Barcelona an diesem Abend geboten wurde, ein Belcanto-Abend avant la lettre war. Oder einfacher gesagt: an diesem Abend wurde berückend schön Monteverdi gesungen.
1. 02. 09 Und Palestrina kam bis Oberammergau. Pfitzner, Palestrina in der Bayerischen Staatsoper
Ein renommiertes Haus wie das Nationaltheater München kann nicht immer wieder nur die Zauberflöte und La Traviata, La Bohème und die Fledermaus spielen, wenngleich diese Stücke, wie heruntergekommen die Inszenierungen auch sein mögen, immer ein volles Haus garantieren und Abonnenten wie Touristen Freude machen. Aber man kann nicht immer, so mögen wohl die Münchner Programmmacher gedacht haben, auf die Vorlieben eines kreuzbraven Publikums Rücksicht nehmen. Manchmal muss auch etwas Ausgefallenes her – wie eben Hans Pfitzners „musikalische Legende“ vom Jahre 1917, zu der in guter Wagner Manier der Komponist selber das Libretto schrieb: ein Mysterienspiel um den päpstlichen Komponisten Palestrina, der von einer Schaffenskrise geplagt nur mit dem Beistand himmlischer Heerscharen die vom Kardinal Borromeo aus kirchenpolitischen Gründen – wir befinden uns in der Spätphase des Tridentinischen Konzils – ultimativ eingeforderte Messe schreiben kann und der mit dieser Engelsmusik den Beifall des Papstes findet.