Es ist eigentlich nicht vorstellbar, dass, wenn nach vier Stunden schließlich um Mitternacht das berühmte Liebesduett zum Finale erklingt, dass dann ein höchst diszipliniertes Publikum, das zu keinem Zeitpunkt durch Huster und Unruhe störte, noch immer konzentriert zuzuhören weiß und sich dann noch die Zeit nimmt, die Sänger begeistert zu feiern. So geschehen im Gran Teatre del Liceu in Barcelona. Und mehr als zu Recht wurden, um nur die großen Partien zu nennen, Miah Persson in der Titelrolle, Maite Beaumont als Ottavia, Sarah Connolly als Nerone, Jordi Doménech als Ottone mit Beifall überschüttet. Wenn es nicht ein so grober Anachronismus wäre, müsste man eigentlich sagen, dass, das, was in Barcelona an diesem Abend geboten wurde, ein Belcanto-Abend avant la lettre war. Oder einfacher gesagt: an diesem Abend wurde berückend schön Monteverdi gesungen.
Die Inszenierung indes – eine in den späten 90er Jahren in München entstandene Arbeit von David Alden – wirkte, als ich sie ein paar Jahre später im Prinzregententheater sah, schon damals leicht angestaubt. Jetzt bei ihrer Wiederaufnahme in Barcelona hat sie noch ein gutes Stück mehr an Patina angesetzt und zieht sich etwas müd und schwerlastig dahin. Natürlich ist der ständige Wechsel von getragener Ernsthaftigkeit und ausgelassener Komik oder, wenn man so will, die romantische Vermischung von Sublimem und Groteskem noch immer unterhaltsam und noch immer hübsch anzusehen. Da ist Seneca im schwarzen Outfit mit Nickelbrille und grauhaariger Mähne die Karikatur des 68er Intellektuellen, und seine rothaarigen und grün behosten Schüler sind geradewegs einem Comic entsprungen. Da feiern Nerone und Lucano ausgelassen auf dem Sarg des Seneca, den man auf dessen Schreibtisch gewuchtet hat, und das Zimmermädchen hockt als Raffael-Engelchen darunter. Da treten Götter und Allegorien als Popanze bzw. als Karnevalsfiguren auf, da ist die verlassene Ottavia ein eifersüchtiger Blaustrumpf, die es mit der attraktiven Poppea nicht aufzunehmen weiß, und natürlich sorgt Dominique Visse, der gleich in drei komischen Rollen auftritt (er mimt beide Ammen und gleich noch einen Schüler des Seneca dazu), mit seinem komödiantischen Talent bei jedem Auftritt für Heiterkeit usw., usw. Und natürlich stimmt noch alles zueinander, ist die Personenregie perfekt, sind die Kostüme ein postmodernes Zitatenkabinet. Aber wenn man das alles von München her schon kennt, dann wirkt es halt so abgestanden wie ein wieder aufgewärmtes Menu. „Allein, was tut’s“. Gesungen und musiziert wurde unter der Leitung von Harry Bicket, den man natürlich auch schon von München her kennt, allemal brillant.
Wir sahen die achte Vorstellung. Die Premiere war am 8. Februar 2009.