13. 02. 09 „[…] l’idol mio, tu sei pur / sì mio ben, sì mio cor / mia vita, sì, sì”. L’incoronazione di Poppea im Musentempel der Katalanen

Es ist eigentlich nicht vorstellbar, dass, wenn nach vier Stunden schließlich um Mitternacht das berühmte Liebesduett zum Finale erklingt, dass dann ein höchst diszipliniertes Publikum, das zu keinem Zeitpunkt durch Huster und Unruhe störte, noch immer konzentriert zuzuhören weiß und  sich dann noch die Zeit nimmt, die Sänger begeistert zu feiern. So geschehen im Gran Teatre del Liceu in Barcelona. Und mehr als zu Recht  wurden, um nur die großen Partien zu nennen, Miah Persson in der Titelrolle, Maite Beaumont als Ottavia, Sarah Connolly als Nerone, Jordi Doménech als Ottone mit Beifall überschüttet. Wenn es nicht ein so grober Anachronismus wäre, müsste man eigentlich sagen, dass, das, was in Barcelona an diesem Abend geboten wurde, ein Belcanto-Abend avant la lettre war. Oder einfacher gesagt: an diesem Abend wurde berückend schön Monteverdi gesungen.

Die Inszenierung indes  – eine  in den späten 90er Jahren in München entstandene Arbeit von David Alden – wirkte, als ich sie ein paar Jahre später im Prinzregententheater sah, schon damals leicht angestaubt. Jetzt  bei ihrer Wiederaufnahme  in Barcelona hat sie noch ein gutes Stück mehr an Patina angesetzt und zieht sich etwas müd und schwerlastig dahin. Natürlich ist der ständige Wechsel von getragener Ernsthaftigkeit und ausgelassener Komik oder, wenn man so will, die romantische Vermischung von Sublimem und Groteskem noch immer unterhaltsam und noch immer hübsch anzusehen. Da ist Seneca im schwarzen Outfit mit Nickelbrille  und grauhaariger Mähne die Karikatur des 68er Intellektuellen, und seine  rothaarigen und grün behosten Schüler sind geradewegs einem Comic entsprungen. Da feiern Nerone  und Lucano ausgelassen auf dem Sarg des Seneca, den man auf dessen Schreibtisch gewuchtet hat, und das Zimmermädchen  hockt als Raffael-Engelchen darunter. Da treten Götter und Allegorien als  Popanze bzw. als Karnevalsfiguren auf, da ist die verlassene Ottavia ein eifersüchtiger Blaustrumpf, die es mit der attraktiven Poppea nicht aufzunehmen weiß, und natürlich sorgt Dominique Visse, der gleich in drei komischen Rollen auftritt (er mimt beide Ammen und gleich noch einen Schüler des Seneca dazu), mit seinem komödiantischen Talent bei jedem Auftritt für Heiterkeit usw., usw. Und natürlich stimmt noch alles zueinander, ist die Personenregie perfekt, sind die Kostüme ein postmodernes Zitatenkabinet. Aber wenn man das alles von München her schon kennt, dann wirkt es halt so abgestanden wie ein wieder aufgewärmtes Menu. „Allein, was tut’s“. Gesungen und musiziert wurde  unter der Leitung von  Harry Bicket, den man natürlich auch schon von München her kennt, allemal brillant.

Wir sahen die achte Vorstellung. Die Premiere war am 8. Februar 2009.