Spanische und deutsche Geschichte in bunten Bilderbögen nebst einem dürftigen Soundtrack. Carlus Padrissa inszeniert Krenek, Karl V. an der Bayerischen Staatsoper

Wer zu einem Carlus Padrissa Theaterabend geht, der weiß, was ihn erwartet: ein neobarockes Fest der Bühnentechnik. Was  für das Barocktheater die Theatermaschinen waren, das sind für Carlus Padrissa und sein Team Hologramm und Video. Und beide leisten in der Tat Spektakuläres, schaffen einen bunten Bilderbogen aus Zitaten aus der Kunstgeschichte und eigenem Design, bewirken wie einst die Barockkünstler Erstaunen und Bewunderung („stupore“) beim Publikum. Und dies gelingt Padrissa und seinen La Fura dels Baus Mitarbeitern ohne Zweifel.

Dass der eine oder andere Betagte im Publikum trotz der schönen vielfarbigen bewegten Bilder einschlief, das ist nicht der Inszenierung anzulasten. Sie tat ihr Möglichstes, um das Publikum gefangen zu nehmen und dies nicht nur mit den Hologrammspielen. Da gibt es die ‚Artisten in der Zirkuskuppel‘ zu bewundern, vulgo: Akrobaten, die im Bühnenhimmel als Tableaux Vivants herum schweben, die gleich in der ersten Szene Tizians Gemälde La Gloria ‚entsteigen‘, sich ineinander verknoten und den Höllensturz der Verdammten nachstellen. Da gibt es Statisten, die über die Parkettreihen klettern oder Lustknaben und Mätressen am Hofe des französischen Königs mimen. Da treten die Akteure in Renaissance-Kostümen oder in Kimonos auf, da  trägt Karl V. ein Clownkostüm und eine Punkfrisur, und ein feister Luther ist – von Kostüm und Maske her zu urteilen – wohl gerade von seiner Kanzel in Wittenberg herabgestiegen. Da halten die Gegner des Kaisers (die deutschen Protestanten) drohend die Fackeln hoch,  Pizarro lässt in Sevilla säckeweise Gold ausladen und vergewaltigt so nebenbei eine der mitgebrachten Eingeborenen. – und alle Akteure waden im Feuchten sprich: sie tragen allesamt die ganze Zeit über Gummischuhe, farblich passend zum Kostüm.… → weiterlesen

Unter Zombies in den Katakomben. Antú Romero Nunes inszeniert Les Vêpres siciliennes an der Bayerischen Staatsoper

Schon wieder Grand Opéra – und dies innerhalb weniger Wochen. Nach Rossinis Guillaume Tell am Theater an der Wien, Meyerbeer’s Les Huguenots an der Opéra National in Paris und Berlioz‘ Les Troyens an der Wiener Staatsoper  sind wir jetzt mit Verdis Les Vêpres siciliennes an der Bayerischen Staatsoper angekommen. Immer wieder dieselben ermüdenden Klischees: mörderische Staatsaktionen, unglückliche Liebe, große Stimmen, machtvolle Chöre, Ballett,  Ausstattungs- und Dekorationstheater.

Nein, nicht immer ist es so. Jetzt in München verzichtet das Produktionsteam auf alle Bühnenpracht.

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Che inferno zuccherato! Il Trittico an der Bayerischen Staatsoper

Das Feuilleton jubelt und schwelgt in schiefen Lyrismen. Wenn Kirill Petrenko in München am Pult steht, dann ist in den Gazetten nur noch Jubel angesagt und im Saale kritiklose Begeisterung. Und das gilt auch für den Puccini Abend. Alles klingt so wunderschön,  so wundersüß. Ein Puccini Piano, ein  Pianissimo, wie man es in dieser Vollendung vielleicht noch nie gehört hat.

Und doch bleibt im Mittelstück, in der Suor Angelica, ein Unbehagen, dem man sich nur schwer entziehen kann. Sind da vor allem im Finale bei der Sehnsucht nach dem Kind, bei dem Irrglauben, dieses Kind als Engel im Himmel wieder zu finden, bei diesem Selbstmord, der in Verzweiflung endet, sind da die Grenzen zum süßen Kitsch alla Madame Butterfly  nicht gefährlich nahe? Oder will das Orchester mit seinem sanften Schwelgen im Piano, das geradezu im Pianissimo verhallt, den bei Puccini schon immanenten Kitsch besonders exzessiv herausstellen? Soll an die Rührseligkeit der Zuhörer appelliert werden? Will man, dass des Mitleids ‚Tränen fließen‘? „Zu viel! Zu viel!“… → weiterlesen

Trash, Trash! Überall Trash! Wohin ich forschend blick. Die Meistersinger von Nürnberg. Eine dürftige Inszenierung an der Bayerischen Staatsoper

Wagners Musik hält viel aus, hält wohl alles aus. Auch eine dürftige, misslungene Inszenierung. Ja, warum, so mag Theatermacher David Bösch gedacht haben, warum soll man die Meistersinger Komödie nicht einmal im kleinbürgerlich-proletarischen Milieu in der frühen Nachkriegszeit spielen lassen. Vielleicht in Bochum oder in Gelsenkirchen, inmitten ärmlich-grauer Betonklötze, auf einem Vorplatz, auf dem der Schuster Hans Sachs seinen verbeulten Kleinlaster parkt, der ihm zugleich als Werk- und Schlafstatt dient. Die Gasse davor nutzt er als sein Wohnzimmer, das er mit paar Blümchen garniert hat. Dort schustert er, dort intrigiert er, dort jammert er, dort regelt er alles. In diesem Milieu fungiert Veit Pogner als Kleinkapitalist, und sein Töchterchen ist ein scheinbar verhuschtes katholisches Mägdelein, das der Rocker Stolzing geradewegs aus der Sankt Josephs-Prozession, auf der man seltsamerweise protestantische Choräle singt, heraus-  und in einen Bierwagen hineinzieht. Keine Angst! Es passiert nichts. Rocker Stolzing ist ein anständiger Rocker, der sich, wie wir noch aus anderen Inszenierungen wissen, das Mädchen ersingen wird. Überdies kommt noch die Freundin Magdalene vorbei – auch sie im züchtigen, altjüngferlichen Kleid – und stört das beginnende Liebesspiel.… → weiterlesen

Rudolph Valentino kehrt zurück. Ein traumhaft schöner Maskenball an der Bayerischen Staatsoper

Das Feuilleton jubelt und kann sich an lyrischen Orgasmen nicht genug tun. Da lässt Maestro Mehta schon mal „einen Tornado durch die Streicher fahren“. Da geht die Musik – Gott bewahre – nicht einfach los: „sie weht, fast frei von Absichten und Zielen, herein wie ein Vorhang bei leichtem Wind“. Die Windmetaphorik hat es unserem Feuilletonisten besonders angetan. Wenn die „schier unübertrefflichen Stimmen“ von Anja Harteros,  Piotr Beczala und Okka von Damerau ihr Terzett singen, dann „trägt dieses Terzett wie die Thermik einen Gleitflieger trägt zur Sommerzeit am Tegelberg hinter Schloss Neuschwanstein“. Was mag unserem Zeitungsmann wohl in der Opernloge widerfahren sein. Ist ihm der Herr von Neuschwanstein im seligen Traum erschienen?  Hat ihm der „zeffiretto lusinghiero“ die Sinne verwirrt. Oder hat ihn gar die schöne Harteros  mit ihrem Sirenengesang betört? Warum sagt er nicht einfach: „Dem Vogel, der heut sang, dem war der Schnabel hold gewachsen“. Und es klang „wie Vogelsang im süßen Mai“. Nein, die Wagner Metaphern und Vergleiche, die sind zu Analogie verdächtig. Da müssen die ‚kühnen Metaphern‘ her, mag ihr Bedeutungsgehalt auch gleich Null sein.

Doch seien wir nicht so streng mit unseren geplagten Musikkritikern. „Verachtet mir die Meister [die Großkritiker] nicht, und ehrt mir ihre Kunst“. Es wird in der Tat beim Münchner Maskenball so überragend gesungen und musiziert, warum sagen wir nicht: so rauschhaft schön gesungen, dass einem die Worte fehlen, diesen Rausch von Verdi Musik auf Begriffe zu bringen.… → weiterlesen

Scotts letzte Fahrt. Miroslav Srnka: South Pool. Eine Uraufführung an der Bayerischen Staatsoper

Es ist, wie zu erwarten, alles vom Allerfeinsten. Münchens Kultfigur Maestro Kirill Petrenko am Pult. Auf der Bühne zwei Weltstars in den Hauptrollen: Thomas Hampson als Amundsen, Rolando Villazón als Scott, und Regie führt Groß- und Altmeister Neuenfels. Da kann nichts schief gehen. Und es geht auch nichts schief.

Die Musik will nicht mit Neutönerei provozieren, begnügt sich damit, den Sprechgesang der Akteure zu begleiten und das Geschehen auf der Bühne mit Klanginstallationen  zu illustrieren. Soundtrack, von dem kaum etwas in Erinnerung bleibt. Auch die Regie scheut jegliches Risiko. Wer sich eine der berüchtigten Neuenfels Provokationen erhoffte, der wird enttäuscht. Alles ist und bleibt letztlich brav und bieder. Das haben wir – so der allgemeine Eindruck – doch alles schon mal gesehen: diese harten Kerle, die da ohne Rücksicht auf Verluste sich in einen Wettlauf durch Eis und Schnee und Kälte stürzen, um als erste einen imaginären Punkt zu erreichen und dort die Flagge ihres Landes zu hissen. Ja, richtig. Als Kinder haben wir den Film Scotts letzte Fahrt gesehen und mit dem armen Scott und seinen Männern gelitten, wie sie da beim Wettrennen nur Zweiter werden und Scott, ganz Engländer aus dem Bilderbuch,  noch schnell an Vaterland und Ehefrau denkt, bevor er vor Erschöpfung dahinstirbt und statt seiner der arrogante Amundsen als Held gefeiert wird.… → weiterlesen