Unter Zombies in den Katakomben. Antú Romero Nunes inszeniert Les Vêpres siciliennes an der Bayerischen Staatsoper

Schon wieder Grand Opéra – und dies innerhalb weniger Wochen. Nach Rossinis Guillaume Tell am Theater an der Wien, Meyerbeer’s Les Huguenots an der Opéra National in Paris und Berlioz‘ Les Troyens an der Wiener Staatsoper  sind wir jetzt mit Verdis Les Vêpres siciliennes an der Bayerischen Staatsoper angekommen. Immer wieder dieselben ermüdenden Klischees: mörderische Staatsaktionen, unglückliche Liebe, große Stimmen, machtvolle Chöre, Ballett,  Ausstattungs- und Dekorationstheater.

Nein, nicht immer ist es so. Jetzt in München verzichtet das Produktionsteam auf alle Bühnenpracht.

Ihm genügen schwarze Tücher, ein Heiligenschrein, vertrocknete Mumien, die vom Bühnenhimmel herabhängen, Totenmasken, ein grau-dunkles Ambiente, in dem nur die gerade aktiven Solisten ausgeleuchtet werden. Mit anderen Worten: ohne szenischen Aufwand kreieren Theatermacher Antú Romero Nunes, Bühnenbildner Matthias Koch und die Kostümbildnerin Victoria Behr eine Welt der Nacht und des Todes, in der alle Handelnden dem Schattenreich angehören, Figuren des Hades, Untote in Dantes Inferno sind. Untote, die in den Katakomben oder, wenn man so will, im Inferno dazu verdammt sind, ihre Geschichte noch einmal oder immer wieder zu erleiden: das Familiendrama von Vater und Sohn, die Anführer der miteinander verfeindeten Parteien sind, der fanatische blutrünstige Patriot, der jeden Anflug von Versöhnung zu Nichte macht, der wie ein Engel aus einem anderen Jenseits erscheint und doch nur ein Mörder ist, die Hochadelige, die ihren Bruder am feindlichen Kommandanten rächen will, auf die Hilfe des Liebhabers zählt und zwischen den feindlichen Parteien zerrieben wird usw.

Der Stoff, aus dem die Albträume der Grand Opéra sind. Damit diese funktioniert braucht man –  hier im konkreten Fall –  vier herausragende Sänger: eine Sopranistin als Liebende und Leidende (Rachel Willis-Sorensen),  einen naiven jugendlichen Tenor (Bryan Hymel),  einen intriganten Bariton (Erwin Schrott), einen Bass in der Rolle des Bösewichts (Dimitri Platanias), eine Hundertschaft von Chorsängern. Tänzer und Tänzerinnen, ein Orchester, das in Verdi-Melodien zu schwelgen weiß. Selbstverständlich gibt es das alles an der Bayerischen Staatsoper in Perfektion, so dass die Verdi-Melomanen auf ihre Kosten kommen.

Den Fans der Grand Opéra wird die sparsame Ausstattung nicht gefallen haben. Doch der Verzicht auf Dekorationstheater macht gerade den Reiz und die Konsequenz der Inszenierung aus. In den Katakomben, in dem Inferno, aus dem die Handelnden aus dem Dunklen plötzlich auftauchen oder wo sie (nach der Fahrt über den Acheron?) plötzlich landen, gibt es nichts mehr zu beschauen. Nur die sich ewig wiederholenden sinnlos gewordenen Leidenschaften regieren dort: der Hass, die Rachsucht, die Machtgelüste, der Patriotismus, die ‚Liebe als Passion‘.

Eine in Musik und Szene höchst gelungene Aufführung – mag sie auch etwas gewöhnungsbedürftig sein und so manche Event-Touristen noch vor der Pause vertrieben haben.

Wir besuchten die Aufführung am 13. November 2018.