Albträume eines Sado-Maso? Lucio Silla am Teatro Real in Madrid

Eine opera seria des jungen Mozart, die im Jahre 1772 in Mailand uraufgeführt wurde, wie soll man die in Szene setzen? Eine opera seria, in der sich ganz klassisch Arie an Arie reiht, in der die Primadonna brilliert und in deren Schatten auch der Primo Uomo seine Kunstfertigkeit zeigen darf und der Tenor, wenngleich ihm die Titelrolle zukommt, musikalisch in den Hintergrund gerückt wird und auch vom Handlungsverlauf her nicht gerade bella figura machen darf. Zweifellos eine Herausforderung für jeden Theatermacher.

Anders als vor Jahren in Salzburg, als ein berühmter Theatermann kläglich am Lucio Silla scheiterte, als er getreu der political correctness und gegen Musik und Libretto den Diktator Sulla meucheln, die Sänger auf der weiten Bühne der Felsenreitschule hilflos herum stehen und die Musik von einer Statistenhorde zertrampeln ließ, anders als der Salzburger Theatermann hat Regisseur Claus Guth eine intelligente und geistreiche Konzeption entwickelt.

Bei Guth bleibt alles Geschehen in der Schwebe, werden dem Zuschauer unterschiedliche Zugänge suggeriert.… → weiterlesen

Eine postfreudianische Harry Potter Show mit politischen Implikationen. Rodelinda am Teatro Real in Madrid

Wie soll man eine Händel Oper in Szene setzen, eine ganz klassische opera seria, in der sich Arie an Arie reiht, die sich auf zwei Duette beschränkt, in der gleich zwei Countertenöre um die Wette singen, in der Sopran und  Mezzosopran, Tenor und Bass brillieren. Eine Oper, deren Libretto von den üblichen Machtspielen, von den Ränken um die Herrschaft, von Rivalitäten und Eifersüchteleien und natürlich von der Liebe erzählt. Mit anderen Worten, in der es ganz konventionell um Macht und Leidenschaft geht und in der die entsprechenden Diskurse durchgespielt werden.

David Alden hatte in seiner Münchner Inszenierung, die dort vor mehr als zehn Jahren zu sehen war, die Handlung ins … → weiterlesen

Ein Bruderzwist im Hause Titurel – Generalísimo Parsifal zwingt die Streitenden zur Abdankung und übernimmt die Macht. Eine Wiederbegegnung mit Claus Guths Parsifal Inszenierung am Teatro Real in Madrid

Vor fast auf den Tag genau fünf Jahren haben wir Guths Parsifal im Liceu in Barcelona gesehen, einen Parsifal, der jetzt im April in großer Besetzung  in Madrid wiederaufgenommen wird.

Alles, was ich mir damals in Barcelona notierte, kann ich auch heute noch unterschreiben (Der Interessierte findet meine Bemerkungen unschwer im Block). Zu ergänzen wäre nur, dass man in Madrid unter Maestro Paul Weigold noch stärker als schon in Barcelona auf extrem langsame Tempi setzt, auf edle Langsamkeit und feierliche Getragenheit und damit eine musikalische Tradition wiederaufnimmt, für die schon die Madrider Erstaufführung des Parsifal am 1. Januar 1913 berühmt war. – So liest am es im Programmheft.

Noch eine weitere Besonderheit fiel mir in Madrid auf, eine Besonderheit der Inszenierung, die mir damals in Barcelona nicht so recht bewusst geworden ist und die das Schlussbild suggeriert: … → weiterlesen

Ni copas, ni drogas, ni mujeres. Merkel Vertreter Friedrich verordnet den ewig feiernden Südländern Austerity. Das Liebesverbot am Teatro Real in Madrid

Da haben sie im Stagione Betrieb schon viermal  in der letzten Februarwoche als Volk von Palermo gegen den machtgeilen und hypokriten Friedrich protestiert – vor einem Publikum, das sich noch nicht einmal zu einem Zwischenapplaus aufraffen kann. Man sollte es Solisten, Chor und Orchester nicht übel nehmen, dass ihnen allesamt  wohl die Lust an dieser lustlosen ‚Komödie für Musik‘ vergangen ist, dieser „großen komischen Oper“ des jungen Wagner, die Regisseur Kasper Holten so träge, so langweilig, so schrecklich um Gags bemüht, so lustlos in Szene gesetzt hat.

Die Gags, die die Regie erfindet, sind zum Gähnen und  können allenfalls eine Altherrensitzung erheitern.… → weiterlesen

Und Ruggiero endet als Pantoffelheld in der amerikanischen Provinz. David Alden inszeniert Alcina am Teatro Real in Madrid

Wer sich noch an  David Aldens legendäre Händel Inszenierungen an der Bayerischen Staatsoper erinnert, an Rinaldo, Orlando, Ariodante, der hofft darauf, dass ihn auch in Madrid eine spektakuläre Inszenierung erwartet, eine Inszenierung gegen den Strich, in der Alden unter Bewahrung der Grundstruktur der Libretti die alten Geschichten neu erzählt, eine neue Variante des Mythos vorschlägt.

In Madrid werden diese Erwartungen nicht enttäuscht. Ganz im Gegenteil.… → weiterlesen

Vom Trunkenbold und vom amourösen Desaster reifer Damen. Così fan tutte am Gran Teatre del Liceu

Dieses Mal ist die Intendanz in Venedig shoppen gegangen und hat vom  Teatro La Fenice eine Michieletto Inszenierung nach Barcelona mitgebracht. Erste Ware ist das nicht, was die tüchtigen Venezianer Kaufleute ihren  katalanischen Geschäftsfreunden angedreht haben. Eher Ausschussware, eben Rebajas. Vornehm gesagt: diese Venedig/Barcelona Produktion gehört nicht zu den stärksten Arbeiten des renommierten Theatermachers Michieletto.

Spielort dieser Così fan tutte sind die Rezeption, das Treppenhaus, die Bar und ein Doppelzimmer in einem besseren Hotel. Was bei Peter Sellars der Coffee Shop war, das ist halt bei Michieletto das Hotel gehobenen Standards in irgendeiner italienischen Stadt von heute. „Menschen im Hotel“ – ein etwas zu sehr abgespieltes Motiv. Auch die sehr bemühte und wohl witzig gemeinte Aktualisierung des Geschehens überzeugt nicht sonderlich. Da Pontes und Mozarts gespielte Liebe und deren subtiles Spielen mit den gängigen Liebesdiskursen des Settecento verkommen in dieser Inszenierung zur billigen Verführungsklamotte. Aus dem „vecchio filosofo“ Da Pontes ist ein versoffener Rezeptionist geworden, der ein zynisch-dümmliches Spiel mit zwei jungen Männern, die als Pappagalli auftreten, organisiert. Und nicht nur das Zimmermädchen, auch die Spaßgesellschaft an der Bar spielt beim Liebestheater mit. Alles sehr nett, an Gags mangelt es nicht, alles ist so gut gemeint, und alles (fast alles) ist so tödlich langweilig.… → weiterlesen