‚Im Herzen der Finsternis‘. Das Theater Freiburg gräbt Hulda, eine Oper von César Franck, aus – und schüttet sie mit einer misslungenen Inszenierung gleich wieder zu.

Hulda heißt das Opus um eine ‘starke Frau‘, das in Freiburg seine deutsche Erstaufführung erlebte. Hulda – so will es das Libretto – erzählt von Fehden und Stammeskriegen, von Gewalt und Racheorgien im Mittelalter in Norwegen.

Von späten Wikingern im hohen Norden  und deren Problemen will Theatermacher Tilman Knabe nichts wissen. So verlegt er das Geschehen in das Afrika von heute, genauer in den Kongo, wie es alle, die es in den beiden ersten Akten noch nicht bemerkt haben, über ein Plakat zu Beginn des dritten Akts erfahren. ‚Kongo‘ oder auch Joseph Conrads Roman  (bzw. die Verfilmung des Romans) Heart of Darkness ist die Schlüsselmetapher oder auch der ‚Textgenerator‘, an dem sich all die negativen Klischees, die über Afrika zirkulieren, festmachen lassen. Keine Angst. Es geht alles political correct zu. Keine schwarz geschminkten Sänger und keine schwarz angemalten Statisten bevölkern die Bühne. All die Kriminellen, all die Bestien, die da ‚die Sau raus lassen‘, die da morden, vergewaltigen, rauben, plündern, mögen sie nun westlich, orientalisch oder afrikanisch kostümiert sein, mögen sie Söldner, Uno-Blauhelme oder marodierende Banden sein, könnten jedem Hollywood Action-Film oder auch gestellten TV-Dokumentationen entstiegen sein. Als Filmeinstellungen will Tilman Knabe wohl auch seine Horrorgeschichten um die afrikanische Prinzessin Hulda verstanden wissen, um Hulda, die Rachegöttin oder, wenn man so will, die afrikanische Kriemhild, die jeden vernichtet, der ihr und ihrer Sippe Gewalt angetan hat. Im Finale trifft ihre Racheorgie auch den Kommandanten der Uno-Soldaten, ihren Geliebten, den sie aus Eifersucht hinterrücks erschlagen lässt.… → weiterlesen

Zickenkrieg im Globe Theatre – und nicht nur dort. Und alle spielen mit. Maria Stuarda am Theater an der Wien mit einer grandiosen Marlis Petersen in der Titelrolle

Orchestergraben Theater an der Wien, Wien

Donizettis Maria Stuarda – so belehrt uns das Programmheft  – war nach politischen Querelen in Neapel und der missglückten Uraufführung im Jahre 1835 aus dem Repertoire verschwunden. Erst mehr als ein Jahrhundert später wurde die Oper gleichsam wiederentdeckt und gilt heute als eines der großen Werke Donizettis: eine tragedia lirica und ein Juwel des Belcanto.

Belcanto in Vollendung war es in der Tat, was im Theater an der Wien zu hören war. Zwei Sopranistinnen, die im ersten Akt gleichsam um die Wette singen, ein Wettstreit, bei dem im zweiten Akt die Protagonistin so große Szenen hat, dass sie die Rivalin zur Nebenfigur degradiert. Ein Tenor, der im  Wortverstande zwischen den beiden Damen steht. Ein Bass, der im zweiten Akt seinen großen Auftritt hat.

Wie Maria Stuarda in der Person der Marlies Petersen im zweiten Akt die großen Arien singt, wie sie die Beichtszene  mit Talbot in der Person des Stefan Cerny gestaltet, den Abschied von Roberto (Norman Reinhardt), die Verzweiflung und die überwundene Angst angesichts des gewaltsamen Todes, das ist grandios und zugleich anrührend. Hier war eine höchst brillante Sängerin und eine exzellente Tragödin zu bewundern.

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Die Goldkehlen und die Starmusiker von der Bastille Oper. Don Carlos an der Opéra National de Paris.

Sie singen so exzellent und so brillant. Sie musizieren  – unter der Leitung von Philippe Jordan – so berückend schön. Sie bereiten geradezu einen Verdi-Rausch.

Für wen? Für die internationale Kohorte der Luxusrentner? Für die gelangweilte Bourgeoisie aus dem XVIe? Für die Dame, die zur ersten Arie der Princesse Eboli ihr Telefon klingeln läßt? Für die vielen Reichen und die wenigen Schönen, die gleich in der ersten Pause die Bar im Foyer stürmen? Für die Melomanen aus der Welt von Gestern, die mit modernem Musiktheater nichts anzufangen wissen und glauben, die  Inszenierung ausbuhen zu müssen? Nein, für all diese singen und musizieren sie nicht.

Sie singen und spielen und musizieren für ein aufmerksames und begeisterungsfähiges Publikum. Und  dieses findet sich immer noch in Paris zuhauf.

Das Aufgebot von Weltstars der Opernszene, die sich in Paris versammeln, ist in derTat beeindruckend. Jonas Kaufmann als Don Carlos, Ludovic Tézier als Rodriguez, Elïna Garanča als Princesse Eboli, Sonya Yoncheva als Élisabeth de Valois, Ildar Abdrazakow als König Philippe. Besser geht es wohl kaum. Verdi-Belcanto in Vollendung. Startheater vom Allerfeinsten. Allgemeine Begeisterung im ganzen Haus. Ein Fest für Melomanen.… → weiterlesen

Von der Traumwelt zur Gutmenschen-Orgie ist es nur eine Pause. Torsten Fischer inszeniert Die Zauberflöte am Theater an der Wien

Torsten Fischer ist sicher ein großer Theatermann, ein erfahrener Theatermacher, der sein Handwerk versteht, dem wunderschöne Bilder gelingen, ein Meister der Personenführung, ein Magier des Traumtheaters. Wie schade nur, wie seltsam und leider wie abträglich seiner Kunst ist es doch, dass er sein Achtundsechziger-Trauma nicht zu sublimieren vermag und von seinem Brecht-Schaden nicht loskommt.

Wir wissen alle im Publikum, dass Die Zauberflöte recht plakativ die Freimaurer Ideologie feiert. Doch diese Feierstunde ist Regisseur Fischer nicht genug. Er muss unbedingt noch eins draufsetzen. Die Utopie der Toleranz gerät ihm dabei zum szenischen Religionsgemisch, in dem vor einer überdimensionalen Klagemauer Priester aller nur möglichen Religionen, angetan mit ihrer jeweiligen Dienstkleidung, auf Friede, Freude, Eierkuchen machen und der Darsteller des Tamino ihnen  eine Kantate vorsingt, die Liebe und Toleranz und den Schöpfer des Weltalls feiert. Der Text dieser ach so gut gemeinten Kantate, so erfährt man aus dem Programmheft, stamme von dem Hamburger Kaufmann Ziegenhagen, und Mozart habe dazu eine Klavierfassung geliefert. Mit diesem Spektakel beginnt der zweite Akt.

Mit dem ‚Hohen Lied‘ der Toleranz lässt es die Regie nicht bewenden. Zur Utopie der Toleranz kommt noch die Utopie der Emanzipation der Frauen und der Gleichberechtigung der Geschlechter.… → weiterlesen

Albträume eines Sado-Maso? Lucio Silla am Teatro Real in Madrid

Eine opera seria des jungen Mozart, die im Jahre 1772 in Mailand uraufgeführt wurde, wie soll man die in Szene setzen? Eine opera seria, in der sich ganz klassisch Arie an Arie reiht, in der die Primadonna brilliert und in deren Schatten auch der Primo Uomo seine Kunstfertigkeit zeigen darf und der Tenor, wenngleich ihm die Titelrolle zukommt, musikalisch in den Hintergrund gerückt wird und auch vom Handlungsverlauf her nicht gerade bella figura machen darf. Zweifellos eine Herausforderung für jeden Theatermacher.

Anders als vor Jahren in Salzburg, als ein berühmter Theatermann kläglich am Lucio Silla scheiterte, als er getreu der political correctness und gegen Musik und Libretto den Diktator Sulla meucheln, die Sänger auf der weiten Bühne der Felsenreitschule hilflos herum stehen und die Musik von einer Statistenhorde zertrampeln ließ, anders als der Salzburger Theatermann hat Regisseur Claus Guth eine intelligente und geistreiche Konzeption entwickelt.

Bei Guth bleibt alles Geschehen in der Schwebe, werden dem Zuschauer unterschiedliche Zugänge suggeriert.… → weiterlesen

„La froide majesté de la femme stérile“ oder Nachtmären in der gynokolischen Klinik. Die Frau ohne Schatten an der Staatsoper im Schiller Theater

Ich mag diese glitzernde Strauss Musik. Ich mag das manchmal so hohle Pathos. Ich mag diese so rauschhafte Klangfarbenpracht und nicht minder das selige Pianissimo. Ich mag diese so nostalgische Dekadenz. Ich mag all das, mit dem Strauss sein Publikum zu verzaubern weiß.

Wie immer in den Strauss Opern dominieren auch in der Frau ohne Schatten die weiblichen Stimmen. Wenn wie jetzt in der Staatsoper fast alle hohen Stimmen zu brillieren wissen und das Gleiche für Tenor und Bass gilt und wenn noch dazu die Staatskapelle im Strauss-Klang geradezu zu schwelgen weiß und Maestro Zubin Mehta den Solisten im Orchester ausgiebig Gelegenheit gibt, mit ihrer Kunstfertigkeit zu beeindrucken, ja dann bleiben eigentlich keine Wünsche offen.

Und doch bleibt ein gewissen Unbehagen, ein Unbehagen, das nicht von der Musik herrührt, sondern … → weiterlesen