Die Kölner Oper ist schon seit Jahren heimatlos. Seit Jahren wird im Haus am Offenbachplatz gewerkelt. Und irgendwann wird man fertig sein. Bis dahin ziehen Ensemble, Musiker und Techniker von einem unwirtlichen Spielort zum anderen: von der Industriehalle in der grauen Vorstadt zum Treppenhaus des Oberlandesgerichts im Zentrum, vom Musical Zelt am Hauptbahnhof ins Messegelände in Deutz. Dort im Staatenhaus, einem heruntergekommenen Veranstaltungsgebäude aus den Zwanzigerjahren, spielt man auf einem Podium. Das Orchester findet seinen Platz vor diesem Podium und das Publikum den seinen auf einer leicht ansteigenden Tribüne. Sänger, Musiker, Techniker und viele andere geben sich alle Mühe, trotz all der vielen Unbilden Musiktheater zu ermöglichen. Doch nicht immer gelingt dies.… → weiterlesen
Archiv der Kategorie: Köln
Ach, wie schön romantisch. Eugen Onegin an der Oper Köln
Es muss ja nicht gleich wieder die große Schwulen-Oper sein oder die Geschichte von der angeblich „revolutionären Frau“. Es muss ja auch nicht die Parodie der russischen Geschichte von den Zaren über die Kolchose und den Gulag bis hin zu Putin gleich mitgeliefert werden. Von Warlikowskis Münchner, von Konwitschnys Leipziger und von Herheims Amsterdamer Onegin setzt der Kölner Onegin sich entschieden ab. Hier nimmt Dietrich W. Hilsdorf die Gattungsbezeichnung des Komponisten „lyrische Szenen“ im Wortverstande und fügt das Attribut ‚romantisch‘ noch hinzu. Und herausgekommen ist dabei eine schöne romantische Literaturoper, die weder provozieren noch das Publikum sonderlich fordern will. Ja, warum sollen wir im Publikum nicht einmal Herz und Schmerz und Schönheit, Liebe und Tod und das alles romantisch verbrämt unbeschwert genießen. Störend ist allenfalls, dass der Regie ein Toter nicht genügt, sondern dass sie gleich zwei weitere dazu erfindet und noch einen Totentanz als weitere Zugabe. Mutter Larina und die Amme scheiden am plötzlichen Herztod dahin, und aus der Polonaise wird Friedhofsmusik. Zur lichten Romantik gehört halt als Gegenpart auch die schwarze Romantik – so suggeriert es uns die Regie.… → weiterlesen
Mythenkonglomerat als großes Spektakel. Carlus Padrissa inszeniert Parsifal an der Oper Köln
Wer in eine Padrissa-Inszenierung geht, sei es nun Turandot oder Babylon in München, sei es wie jetzt in Köln Parsifal, der weiß, was ihn erwartet: nicht teutonische Gedankenschwere, keine ideologische Indoktrinierung, kein Minimalismus, kein Trash aus der Unterschicht, sondern ein großes buntes Spektakel, ein Fest der Lichtregie und der Videos, ein Großaufmarsch der Statisterie und nicht zuletzt eigenwillige, vielleicht auch oberflächliche Deutungen.
Wagners altbekannten Mythensynkretismus, mit dem dieser seinen Parsifal konstruiert hat, ergänzt Padrissa mit Fragmenten aus griechischen und christlichen Mythen sowie mit „Mythen des Alltags“ und richtet einen großen – vielleichtet auch großartigen – Mythensalat für sein Publikum her. Zur Ouvertüre gleich ein Autorennen auf dem Video, bei dem Piloten, die sich zu Tode gerast haben, wohl zum Himmel aufsteigen und ein Fotograf vom Aussichtsturm fällt. Als Introduktion zum zweiten Akt wieder eine Videoeinlage: ein Ausflug mit einem überbesetzten Cabrio, bei dem ein schnauzbärtiger Amfortas (alias Salvador Dalí ?) am Steuer sitzt. Hat sich der arme, der trunkene (?) Amfortas „die Wunde“ vielleicht bei einem Autounfall zugezogen? Grand Prix Events und Machogebaren trunkener Mannsbilder als Mythen des Alltags in Wagners Parsifal?
Die säkularisierten Gralsritter – so glaubt man im ersten Akt zu erfahren – ziehen nicht mehr in den Krieg, sondern haben eine Großbäckerei aufgezogen. Während Gurnemanz seine Geschichten erzählt, knetet er mit seinen Eleven den Hefeteig, und im dritten Akt schiebt er, bevor Kundry ihren Schrei ausstößt, die Brote in den Backofen. Im Finale ist das Brot fertig gebacken, und uns im Publikum werden Brotscheiben gereicht. So kommen denn die biblischen Mythen von der wunderbaren Brotvermehrung und von den Emmaus-Jüngern, die den Herrn beim Brotbrechen erkennen, zusammen und verbinden sich mit der neuchristlichen Erzählung von der Massenkommunion beim Kirchentag. Wagners Parsifal als Vorspiel zum Kirchentag der Gutmenschen im Stile eines Gurnemanz? Und bei dieser Gelegenheit erfüllt sich auch ein so manchem Theatermacher teurer Wunschtraum wieder einmal: Bühne und Publikum, alles ist eins, das Theater ist total. Im Musical Dome, der der Kölner Oper als Ausweichspielstätte dienen muss, war das totale Theater wohl auch eine praktische Notwendigkeit. Da auf der relativ kleinen Bühne eine Hundertschaft weiß gekleideter Statisten eine permanente Himmelsrose oder vielleicht auch die Zuschauer im Theater mimen, blieb der Hundertschaft singender Gralsmönche nur der Zuschauerraum als Szenarium für ihre Auftritte.… → weiterlesen
Gespielte Liebe – platt. Così fan tutte an der Oper Köln
„Da sind wir Mädels wieder die treulosen Tomaten“ – da hat die junge Dame mit ihrer Bemerkung wohl recht angesichts der so platten, wenig durchdachten Inszenierung, angesichts der Klamotte, zu der die Regie im Kölner Palladium Così fan tutte reduziert hat. Nicht im Geringsten nutzt sie die Möglichkeiten der einstigen Industriehalle (vornehm Palladium genannt), die der Kölner Oper als Ausweichquartier dient. Einzige Spielfläche ist eine erbärmliche konventionelle Guckkastenbühne. Als Bühnenbild genügen ein paar Stellwände und ein Kellerloch, aus dem Despina herausklettert. Alles nicht weiter schlimm, wenn es nur eine ehrgeizige und geistreiche oder zumindest gekonnte Personenregie im Stile eines Christof Loy oder eines Claus Guth gäbe. Nichts oder kaum etwas davon findet sich in Köln. Ferrando und Guglielmo, die schon bei Da Ponte Einfallspinsel sind, macht die Regie vollends zu Deppen, die im Bundeswehr Drillich Bodybuilder mimen dürfen. Die beiden Damen in ihren weißen Hosenanzügen – im zweiten Akt werden daraus schulterfreie weiße Kleider, und im Finale kommen rote Schuhe und rote Stümpfe dazu. Mon Dieu, welche Kindergartensymbolik! – die beiden Damen mimen gelangweilte Sommergäste und späte Jungfrauen – im zweiten Akt aufgekratzte späte Jungfrauen. Ja, und im Finale da wollen die beiden, die doch mit wachsender Lust gespielte Liebe spielten, sich noch dazu umbringen.… → weiterlesen
Ein minimalistisches Kammerspiel mit brillanten Sängerinnen: Alcina an der Oper Köln
Die so schwer gebeutelte Kölner Oper– das große Haus am Offenbachplatz wegen Renovierungsarbeiten für ein paar Jahre geschlossen, der Etat gekürzt, der Intendant fristlos gekündigt (er soll angeblich die Oberen der Stadt gekränkt haben) – diese Kölner Oper verfügt noch immer über ein Ensemble herausragender Künstler, die trotz all der Misere und all der Widerwärtigkeiten noch immer zu Hochleistungen fähig sind. … → weiterlesen
Die Erlösung findet nicht statt. Etwas zu viel alter Zopf beim Fliegenden Holländer an der Oper Köln
Heute Morgen liest man in der Kölner Presse, dass nach langem Streit und viel Kungelei Kulturbehörde und Intendanz sich doch noch geeinigt hätten: in Köln wird es auch in der nächsten Spielzeit Musiktheater geben – von der Macht des Schicksals bis hin zu den Gezeichneten. Alles, was Intendant Uwe Laufenberg aufs Programm gesetzt hatte. Nur ein bisschen sollte er halt doch sparen: eine halbe Million im laufenden Betrieb. Ein Finale frei nach Tannhäuser: Uwe. Du bist erlöst. Heilige Cäcilia bitte für ihn.
Und es braucht in der Tat viel der Fürbitten für unseren so gebeutelten Kölner Intendanten. Gestern Abend beim Fliegenden Holländer im Opernhaus am Offenbachplatz gab es keine Erlösung von der Kölner Opernkrise.… → weiterlesen