Die so schwer gebeutelte Kölner Oper– das große Haus am Offenbachplatz wegen Renovierungsarbeiten für ein paar Jahre geschlossen, der Etat gekürzt, der Intendant fristlos gekündigt (er soll angeblich die Oberen der Stadt gekränkt haben) – diese Kölner Oper verfügt noch immer über ein Ensemble herausragender Künstler, die trotz all der Misere und all der Widerwärtigkeiten noch immer zu Hochleistungen fähig sind. Im Palladium, einer mit bescheidenen Mitteln zu einer Art „Konzertsaal“ mit kleiner Bühne umgebauten ehemaligen Industriehalle in der Kölner Vorstadt, war gestern Abend Alcina zu hören. Ich sage mit Absicht zu hören, denn zu sehen war nicht viel. Die Regie hatte wohl aus der Not eine Tugend gemacht und Händels Zauberoper zum Kammerspiel über Lust und Leid in der Liebe oder allgemeiner gesagt: über die Unmöglichkeit der Kommunikation gemacht. Bei dieser Konzeption kommt man ohne allen barocken Pomp, ja sogar ohne Kulissen und praktisch auch ohne Requisiten aus. Zwei Tische und ein paar Stühle, auf die im zweiten und dritten Akt schon verzichtet wird, genügen. Alles Geschehen erwächst aus Spiel und Gesang, aus Zusammenspiel, Bewegung und Gestik der Akteure. Ein Regiekonzeption, die wohl auf Loys minimalistischen Stil verweisen will und diesen noch radikalisiert. Doch an diesem Abend im Palladium wurde die Szene, wurde die Inszenierung angesichts der alles überragenden Brillanz von Orchesterklang und Gesang zur quantité négligeable. Das Gürzenich-Orchester spielte unter der Leitung von Peter Neumann einen dynamischen Händel, einen Händel so ganz ohne die konventionelle getragene Melancholie, die so leicht Langeweile aufkommen lässt. Auf der Bühne fünf Frauenstimmen, Sängerdarstellerinnen, die gleichsam um die Wette sangen und das Publikum ganz ohne die Zutaten der ‚Zauberoper‘ nur durch Gesang und Spiel verzauberten. Wie Claudia Rohrbach und Franziska Gottwald, um nur die Namen der beiden Protagonisten zu nennen, Alcina und Ruggiero sangen, das war schon mehr als beeindruckend. Ein großer Händel Abend im Ausweichquartier der Kölner Oper.
Wir sahen die Aufführung am 27. Juni 2012. Die Premiere war am 16. Juni 2012.