Die Erlösung findet nicht statt. Etwas zu viel alter Zopf beim Fliegenden Holländer an der Oper Köln

Heute Morgen liest man in der Kölner Presse, dass nach langem Streit und viel Kungelei Kulturbehörde und Intendanz sich doch noch geeinigt hätten: in Köln wird es auch in der nächsten Spielzeit Musiktheater geben – von der Macht des Schicksals bis hin zu den Gezeichneten. Alles, was Intendant Uwe Laufenberg aufs Programm gesetzt hatte. Nur ein bisschen sollte er halt doch sparen: eine halbe Million im laufenden Betrieb. Ein Finale frei nach Tannhäuser: Uwe. Du bist erlöst. Heilige Cäcilia bitte für ihn.

Und es braucht in der Tat viel der Fürbitten für unseren so gebeutelten Kölner Intendanten. Gestern Abend beim Fliegenden Holländer im Opernhaus  am Offenbachplatz gab es keine Erlösung von der Kölner Opernkrise. Die heilige Cäcilia in ihrem Amt als Patronin der Musik wird nur kurz vorbeigeschaut haben und sich nach der lärmenden und brausenden Ouvertüre wohl gleich verschreckt zurückgezogen haben. Wäre sie ein wenig länger geblieben, dann hätte  sie ob der altbackenen Inszenierung wohl ihr Haupt verhüllt, doch in der Gestalt des Samuel Youn einen grandios singenden Holländer hören können. Es wäre sicher ungerecht, wenn ich jetzt sagen würde, dieser Holländer habe alle anderen Mitwirkenden geradezu an die Wand gesungen. Daland und Erik und Senta hielten sich beachtlich, wobei die arme, in ihrem Erlösungswahn etwas überangestrengt wirkende  Senta es wahrlich nicht leicht hatte, neben dem stimmgewaltigen Holländer zu bestehen. Dafür versagt diesem auch (im Einklang mit Wagners Urfassung) die  Regie  die Erlösung und verurteilt Senta (nicht im Einklang mit Wagner) zum Selbstmord durch Erschießen. Oder hat vielleicht der frustrierte Jagdaufseher Erik beim Rangeln um sein Jagdgewehr ein bisschen nachgeholfen?  Auch der kriegt seine Strafe weg. Der Weibsteufel (bei Wagner der Erlösungsengel), von dem der Holländer träumt und der ihn schon bei seinem ersten Auftritt heftig bedrängt hatte, hockt sich wie ein Incubus auf den Jagdaufseher. Und beschert ihm Nachtmären?

Eine etwas eigenartige, um nicht zu sagen, inkohärente und konzeptionslose Inszenierung wird da in Köln einem etwas gelangweilten Publikum vorgesetzt. Ein Patchwork aus unterschiedlichsten Ansätzen: ein bisschen Traumdiskurs und Erlösungsmanie und Helfersyndrom bei der Senta Handlung, ein autistisches Versponnen-Sein in die Erlösungssehnsucht beim Holländer, ein bisschen Kapitalismuskritik beim geldgierigen Biedermann Daland und bei den wohl ausgebeuteten spinnenden Arbeiterinnen, ein bisschen Schauerromantik bei der Erscheinung des von der Regie erfundenen Weibsteufels.  Eben ein Zitatensalat. Spielort ist ein großbürgerliches Haus im 19. Jahrhundert, das gleichzeitig Salon und Fabrikraum ist und dessen Hinterwand sich hin zum Meer öffnen lässt. Ja, wir wissen schon: hinter dem scheinbar Biedermeierlichen, hinter der Alltäglichkeit wartet das Schaurige, drängt das Grauenvolle in das scheinbar so Vertraute, drohen die unbewussten Sehnsüchte. Das ist alles sehr konventionell, und vieles ist alter Zopf. Man ist ja schon dankbar, dass keine Geisterschiffe auf die Bühne gehievt werden, dass man mit ein paar Seilen und einer Falltreppe auskommt und dass Prügelszenen und Massenbesäufnis ausgespart werden. Ein Glanzstück im Repertoire der Kölner Oper ist dieser Fliegende Holländer sicher nicht. Zum Kehraus am Offenbachplatz hätte man sich schon ein bisschen mehr gewünscht.

Wer einen spektakulären Holländer sehen will, der sollte sich in München Konwitschnys und in Stuttgart Calixto Bieitos Inszenierungen des Fliegenden Holländers ansehen. Die Kölner können da nicht mithalten.

Wir sahen in die Aufführung am 23. Mai 2012. Die Premiere war am 4. Mai 2012.