Neurotiker in der Psychohölle. Claus Guth inszeniert Fidelio in Salzburg

An die schöne Mär von der aufopferungsvollen Gattenliebe und der Staatsmacht, die einem Deus ex machina gleich im gefährlichsten Moment herbei schwebt, die Guten rettet und die Bösen straft, an diese schöne Geschichte glaubt schon lange niemand mehr. So machen denn unsere Theatermacher den rettenden Minister gern zum Popanz oder zum Joker, den armen Gefangenen zum Tölpel und Leonore/Fidelio zur amazonenhaften Emanze avant la lettre.

Doch so konsequent und radikal und zugleich so intelligent und brillant wie jetzt Claus Guth in Salzburg Fidelio entstaubt und dekonstruiert, das ist schon eine sehr ungewöhnliche und originelle Deutung der betagten Beethoven Oper.… → weiterlesen

Vom Trunkenbold und vom amourösen Desaster reifer Damen. Così fan tutte am Gran Teatre del Liceu

Dieses Mal ist die Intendanz in Venedig shoppen gegangen und hat vom  Teatro La Fenice eine Michieletto Inszenierung nach Barcelona mitgebracht. Erste Ware ist das nicht, was die tüchtigen Venezianer Kaufleute ihren  katalanischen Geschäftsfreunden angedreht haben. Eher Ausschussware, eben Rebajas. Vornehm gesagt: diese Venedig/Barcelona Produktion gehört nicht zu den stärksten Arbeiten des renommierten Theatermachers Michieletto.

Spielort dieser Così fan tutte sind die Rezeption, das Treppenhaus, die Bar und ein Doppelzimmer in einem besseren Hotel. Was bei Peter Sellars der Coffee Shop war, das ist halt bei Michieletto das Hotel gehobenen Standards in irgendeiner italienischen Stadt von heute. „Menschen im Hotel“ – ein etwas zu sehr abgespieltes Motiv. Auch die sehr bemühte und wohl witzig gemeinte Aktualisierung des Geschehens überzeugt nicht sonderlich. Da Pontes und Mozarts gespielte Liebe und deren subtiles Spielen mit den gängigen Liebesdiskursen des Settecento verkommen in dieser Inszenierung zur billigen Verführungsklamotte. Aus dem „vecchio filosofo“ Da Pontes ist ein versoffener Rezeptionist geworden, der ein zynisch-dümmliches Spiel mit zwei jungen Männern, die als Pappagalli auftreten, organisiert. Und nicht nur das Zimmermädchen, auch die Spaßgesellschaft an der Bar spielt beim Liebestheater mit. Alles sehr nett, an Gags mangelt es nicht, alles ist so gut gemeint, und alles (fast alles) ist so tödlich langweilig.… → weiterlesen

Keine Freiheit. Die Freiheit ist nur ein Oratorium-Traum – und die Musik ist ganz anders. Fidelio am Theater an der Wien

In Wien dirigiert Nikolaus Harnoncourt einen Fidelio, wie ich ihn noch nie gehört habe. Eine Deutung, die, vergleicht man sie mit dem machtvollen Klang eines großen Orchesters und dem hochdramatischen Gesang, die gemeinhin beim Fidelio aufgeboten werden, zunächst  irritiert und dann immer mehr fasziniert. Einen sanften, einen lyrischen Beethoven zelebriert Harnoncourts Orchester, sein  Concentus Musicus Wien, auf historischen Instrumenten, und die Rollen der Leonore und des Florestan sind mit Juliane Banse und Michael Schade eher mit lyrischen als mit dramatischen Stimmen besetzt.… → weiterlesen

Musikerfest und Regiedesaster: Fidelio im Opernhaus Zürich

21.10. 08
Mit dem Fidelio tut sich die Zürcher Oper schwer. Wohl ein Jahrzehnt lang stand eine lieblos und schnoddrig hingeworfene Regiearbeit eines überbeschäftigten renommierten Theatermachers auf dem Spielplan. Jetzt zu Beginn der neuen Spielzeit hat man die Neuinszenierung des Fidelio einer nicht minder renommierten Schauspielerin und Regisseurin überlassen. Und das Ergebnis ist dasselbe. Nein, das Desaster ist noch größer. Zwar kommen Inszenierung und Ausstattung mit einem hohen, einem intermedialen Anspruch daher: zur Ouvertüre projiziert man Ausschnitte aus Piranesis Carceri auf den Vorhang, und Florestans Kerker mit seinen Treppen und Grotten evoziert ein weiters Mal Piranesi.  Doch diese Bildzitate bleiben funktionslos und haben keinen Bezug zur Handlung. Die Kleinbürgeridylle des ersten Aufzugs spielt im Gefängnishof eines Faschisten- oder auch eines Stasigefängnisses, vielleicht auch im Innenhof einer Festung aus dem 19. Jahrhundert, und selbstverständlich wird der Kontrast zwischen der Idylle um den Kerkermeister und sein verliebtes Töchterchen und dem Hochsicherheitstrakt, in dem die Gefangenen gehalten werden, genussvoll ausgespielt. Anders ausgedrückt: die Klischees der Spieloper im Lortzing Stil werden zitiert und vielleicht auch parodiert. Vielleicht ist auch die Parodie die Grundkonzeption der Inszenierung. Zumindest der Auftritt des Bösewichts, der im weißen Anzug und Sonnenhut die Karikatur eines Mafiosoboss gibt, könnte  eine solche Deutung nahe legen.

… → weiterlesen