Scotts letzte Fahrt. Miroslav Srnka: South Pool. Eine Uraufführung an der Bayerischen Staatsoper

Es ist, wie zu erwarten, alles vom Allerfeinsten. Münchens Kultfigur Maestro Kirill Petrenko am Pult. Auf der Bühne zwei Weltstars in den Hauptrollen: Thomas Hampson als Amundsen, Rolando Villazón als Scott, und Regie führt Groß- und Altmeister Neuenfels. Da kann nichts schief gehen. Und es geht auch nichts schief.

Die Musik will nicht mit Neutönerei provozieren, begnügt sich damit, den Sprechgesang der Akteure zu begleiten und das Geschehen auf der Bühne mit Klanginstallationen  zu illustrieren. Soundtrack, von dem kaum etwas in Erinnerung bleibt. Auch die Regie scheut jegliches Risiko. Wer sich eine der berüchtigten Neuenfels Provokationen erhoffte, der wird enttäuscht. Alles ist und bleibt letztlich brav und bieder. Das haben wir – so der allgemeine Eindruck – doch alles schon mal gesehen: diese harten Kerle, die da ohne Rücksicht auf Verluste sich in einen Wettlauf durch Eis und Schnee und Kälte stürzen, um als erste einen imaginären Punkt zu erreichen und dort die Flagge ihres Landes zu hissen. Ja, richtig. Als Kinder haben wir den Film Scotts letzte Fahrt gesehen und mit dem armen Scott und seinen Männern gelitten, wie sie da beim Wettrennen nur Zweiter werden und Scott, ganz Engländer aus dem Bilderbuch,  noch schnell an Vaterland und Ehefrau denkt, bevor er vor Erschöpfung dahinstirbt und statt seiner der arrogante Amundsen als Held gefeiert wird.

Nun, der Librettist und der Regisseur kennen auch den Film, und die Episoden, die erster liefert, setzt letzterer als Bildersequenz und Parallelhandlung in Szene. Linke Bühnenhälfte: Scott und seine Mannen. Rechte Bühnenhälfte: Amundsen und seine Mannen. Die Briten schwarz gewandet (ja, wir ahnen es schon: denen geht’s ans Leben). Die Norweger, Rentierjäger auf Skiern. Denen machen die Strapazen nichts aus.

Damit wir im Publikum nun nicht ein reines Männerfestival ertragen müssen: fünf Tenöre (die schwächlichen Briten) gegen fünf Baritone (die vor Kraft strotzenden Norweger), gibt es gleichsam zur Erholung noch zwei kleine Rollen für Mezzosoprane. Natürlich sind die Damen beim Wettrennen nicht dabei, sondern erscheinen nur als Phantasieprodukte, als Visionen  und Traumfiguren der Anführer. Auch bei den Frauen hat Macho Amundsen mehr Glück als der arme Scott. Dem Norweger erscheint seine kleine blonde Ophelia im weißen Unterkleidchen. Der Brite muss sich mit einer zugeknöpften Viktorianerin begnügen. Doch Probleme machen die  Weiber unseren Helden alle Male. Beide Damen fühlen sich von den unsteten, ehrgeizigen Männern vernachlässigt. Ophelia (in der Person der Mojca Erdmann)  straft den Ihrigen auch noch ab, indem sie sich im Putzeimer ertränkt. Doch den Helden interessiert nur der Südpol und sonst nichts. Welch schönes und trauriges Kino auf der Opernbühne.

So sind wir denn dank der Herren Petrenko und Neuenfels und dank eines brillanten Ensembles von Sängerschauspielern noch einmal für zwei Stunden in Kinderblütenträumen versunken. Demnächst lese ich noch einmal die Geschichten von den großen Entdeckern, die Heldensagen von Magellan, von Cook, von Stanley und wie sie alle heißen.

Hält sich South Pool auf dem Spielplan? Ich habe da meine Zweifel. Von den Uraufführungen, die ich in den letzten Jahren gesehen habe, sagen zumindest mir Goerge Benjamins Kammeroper Written on Skin und Rihms Montezuma Spektakel mehr zu.

Wir sahen die Aufführung am 9. Februar 2016. Die Premiere war am 31. Januar 2016