Ein Barbesuch mit fatalen Folgen. Pelléas et Mélisande bei der Ruhrtriennale in Bochum

Nach Bayreuth, nach den Meistersingern und Tristan, nach dem Ring und Parsifal, nach diesem ‚Ertrinken‘  – ‚Versinken‘ in Wagner Klängen kommt einem Debussy mit seinen Referenzen auf den Parsifal zunächst leer und fad vor. Und doch entwickelt auch die Pelléas et Mélisande Musik mit ihrer Sanftheit und Zurückhaltung, einer Musik, der alles Dröhnen fern liegt, im Laufe des Abends geradezu eine Sogwirkung. Und dies vor allem, wenn sie so eingängig zelebriert wird wie jetzt von den Bochumer Symphonikern unter der Leitung von Sylvain Cambreling.

Ja, und wenn dann noch ein Star, ein Multitalent wie Barbara Hannigan, die Hauptrolle übernimmt, dann steht einem großen Opernabend nichts mehr im Wege. Wie die Hannigan als Sängerin und Schauspielerin brilliert und die Szene dominiert, wie sie von der Alkohol süchtigen Barbesucherin über die femme fatale, die Filmdiva, die Leidende und Verstoßene bis hin zur Dahinsiechenden ganze Register von Frauenrollen  mit Leichtigkeit glaubhaft durchzuspielen weiß, das ist einfach bewundernswert.

Debussy schrieb das Libretto selber nach dem damals so berühmten gleichnamigen Stück von Maurice Maeterlinck. Ob man dieses Theater der Vieldeutigkeit und der Überdetermination mag, diese ewig um sich selber kreisenden Themen von Tod und Ausweglosigkeit, von Fatalität und Albtraum, dieses lustvolle Quälen fragiler und zugleich fataler Frauengestalten ertragen kann, ob man sich mit dieser düsteren Antimärchen Atmosphäre anfreunden kann, einem Theater, das sich gezielt von allem ‚Realen‘ absetzen will?… → weiterlesen

Großbürgerliche Neurotiker im Buddenbrooks Milieu. Ein Mélisande Krimi an der Oper Frankfurt. Claus Guth inszeniert Pelléas et Mélisande

Bei Claus Guth, das konnten wir schon so viele Male mit Staunen (und ganz selten mit Ärger) zur Kenntnis nehmen, da ist alles anders. Da werden die alten Geschichten neu erzählt, da werden verborgene Sinnschichten der Handlung  aufgedeckt, da werden Verweisungen aufgezeigt, die das Geschehen auf der Bühne in unerwartete Zusammenhänge stellen. Und dies  geschieht  jetzt auch wieder bei Pelléas und Mélisande. In Frankfurt präsentiert die Regie kein klassisches symbolistisches Theater, wie wir es zuletzt in Robert Wilsons Inszenierung der Oper  gesehen haben, kein antirealistisches Theater, das die Figuren gleichsam zu Marionetten macht, die willenlos einer unbestimmten „Fatalité“ ausgeliefert sind, wie es Maeterlincks Libretto will. In Frankfurt  verwandelt die Regie Maeterlicks Antimärchen oder, wenn man so will, dessen  Antimysterienstück in ein bürgerliches Trauerspiel mit einem Personal, das auf Figuren aus den Buddenbrooks verweist.… → weiterlesen

22. 02. 09 Ein morbider Maeterlinck im „orchestralen Klangkolorit“. Pelléas et Mélisande an der Hamburgischen Staatsoper

Das lustvolle Quälen präraffaelitischer Kindfrauen, die kränkelnde Erotik der ‚femme fragile’, Angst und Verzweiflung, Trauer und Melancholie, Krankheit und Tod, hoffnungsloses Ausgeliefert-Sein an ein blindes Schicksal, eine düstere Antimärchenwelt, eine scheinbar einfache Sprache, hinter der sich Unbestimmtheit und Vieldeutigkeit verbirgt und die jegliche Kommunikation zwischen den handelnden Personen verrätselt,  all dies sind Konstituenten, die das poetische Universum des „belgischen Symbolisten“ Maurice Maeterlinck bestimmen. Ob diese im weitesten Sinne morbide und zugleich geheimnisvolle Welt, in der jeder Gegenstand und jegliches Sprechen auf etwas Anderes, auf etwas Unbestimmtes, etwas ‚Symbolisches’ verweisen, ihre Entsprechung in Debussys Musik finden, dazu steht mir als Dilettantin kein Urteil zu. Doch wenn es, wie die Kundigen raunen, eine Art von „Klangmagie“ sein soll, die Debussys  Musik auszeichne, dann haben an diesem Abend die Hamburger Philharmoniker diese Magie in der Tat ‚hervorgezaubert’ und damit ihr Publikum fasziniert.

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