Hommage an die Kunst. Der Achim Freyer Parsifal an der Staatsoper Hamburg

Vor gerade einem Monat haben wir Parsifal „am geweihten Ort“, in Bayreuth, erlebt – und waren enttäuscht. Natürlich wusste ‚das unsichtbare Orchester‘ die Parsifal Musik angemessen zu zelebrieren. Natürlich waren fast alle Rollen brillant besetzt. Doch die eher unsägliche Inszenierung, die das Geschehen mühsam zu aktualisieren suchte und sich letztlich in einer Utopie des Gutmenschentums und in einer Propaganda Show der ‚Willkommenskultur‘ verlor, trug nicht unbedingt zum Wagner-Rausch bei.

Von all diesen gut gemeinten, doch letztlich nur ärgerlichen Aktualisierungen und banalen Botschaften ist Achim Freyers Hamburger Parsifal weit entfernt, Lichtjahre entfernt. In Hamburg ereignet sich eine geradezu perfekte Harmonie von Bild- und Klangmagie, ein Spektakel, das – so vor allem im ersten Aufzug – das Publikum in einen Sog von Bildern und Klängen hineinzieht.

Die in  rot-schwarzem Dämmerlicht gehaltene, in Halbkreisen und Galerien aufsteigende Bühne zeigt Chiffren, Zahlen und Figuren, schwarz gekleidete Gestalten mit weiß geschminkten Gesichtern, zeigt einen Amfortas als Schmerzensmann, einen Christus, der vom Isenheimer Altar herunter gestiegen zu sein scheint, zeigt einen Parsifal Tor als Harlekin und eine schwarz eingehüllte Kundry mit bleichem Gesicht und dunkel geschminkten Augen. Eine „Höllenrose“, eine Hexengestalt aus der Märchenwelt? ‚Das weiß ich nicht‘.

Die Fülle der fragmentarischen Verweise erschlägt geradezu: Matthias Grünewald, Bruegel, die Surrealisten, Klee, Miró, Grosz, Botero, die Nazarenos aus der Semana Santa in Sevilla. All dies ist versammelt, und noch vieles mehr. Eine Fülle heterogener Zeichen und Figuren, die den Zuschauer faszinieren und zugleich verwirren. Nennen wir das das, was wir auf der Bühne sehen oder auch nur erahnen können, die ‚Bibliothek von Babel‘ der Kunstgeschichte, die zum Leben erwachte Bibliothek oder auch das konkret gewordene ‚imaginäre Museum‘.

Und dazu dieser unendliche Sog der Musik, einer Musik, der man sich nicht entziehen kann, die gleichsam in einen Traum einlullt. Zu Recht zitiert das Programmheft in diesem Zusammenhang die bekannten Verdikte Nietzsches gegen Wagner: Wagner der Verführer. „Die Musik als Circe“. „Der Parsifal wird in der Kunst der Verführung ewig seinen Rang behalten als Geniestreich der Verführung. […] Ah dieser alte Zauber! Dieser Klingsor aller Klingsore!“

Mit seinen magischen Bilderwelten, seinem Rausch aus Farben und Figuren hat Achim Freyer dem „Verführer großen Stils“ gleichsam zugearbeitet, und Kent Nagano    und das Philharmonische Staatsorchester Hamburg tun  das Ihrige, auf dass „die Musik als Circe“ fungiere, als unendlicher Klangteppich, als Droge zum Wagner-Rausch.

Die Hamburger Staatsoper bietet eine Parsifal Aufführung, die zu den besten gehört, die ich in den letzten Jahren gehört und gesehen habe. Wir besuchten die Vorstellung am 24. September 2017, die Premiere b. Die Premiere war am 16. September 2017.

 

 

 

 

 

 

 

Oratorium mit Tragödien-Intermezzi. Berlioz, Les Troyens an der Staatsoper Hamburg

Les Troyens, ein hybrides Werk, in dem sich Grand Opéra und Tragédie lyrique überlagern, sind eine Rarität auf den deutschsprachigen Bühnen. Und dies schon deswegen, weil die Oper Längen, „gefährliche Längen“, hat. Eine komplette Aufführung würde angeblich gut fünfeinhalb Stunden dauern. So verteilt man die Aufführung – so vor vier Jahren in Karlsruhe –  auf zwei Abende, spielt am ersten Abend die Kassandra Tragödie und die Zerstörung Troias und am zweiten die Dido Tragödie. Oder man streicht wie jetzt in Hamburg die Oper auf gut drei Stunden zusammen und spielt beide Teile an einem Abend. Die Strichfassung haben in Hamburg nicht der Dirigent oder gar der Regisseur hergestellt. Hier hat man diese undankbare Aufgabe dem Komponisten und Berlioz-Experten Pascal Dusapin anvertraut.… → weiterlesen

„Wie schön ist die Prinzessin Salome…“Eine Wiederaufnahme der Salome an der Staatsoper Hamburg

„Wie schön ist die Prinzessin Salome…“ Eine Wiederaufnahme der Salome an der Staatsoper Hamburg

Nein, schön ist sie  wirklich nicht die Prinzessin von Judäa, wie sie sich uns da in Willy Deckers jetzt fünfzehn Jahre alter Inszenierung in Hamburg  präsentiert. Sie ist eine glatzköpfige Schaufensterpuppe im langen weißen Flatterkleid. Glatzköpfig und jetzt noch dazu mehr oder weniger monumentale Kleiderständer sind auch Herodes und Herodias, Narraboth und der Page.  Mannequins, Marionetten, Kunstfiguren sind sie alle, die da dem machtvollen, selbstsicheren Fundamentalisten mit langem Haar und langem Bart, grauer Mönchskutte und weitem Mantel gegenübertreten.… → weiterlesen

22. 02. 09 Ein morbider Maeterlinck im „orchestralen Klangkolorit“. Pelléas et Mélisande an der Hamburgischen Staatsoper

Das lustvolle Quälen präraffaelitischer Kindfrauen, die kränkelnde Erotik der ‚femme fragile’, Angst und Verzweiflung, Trauer und Melancholie, Krankheit und Tod, hoffnungsloses Ausgeliefert-Sein an ein blindes Schicksal, eine düstere Antimärchenwelt, eine scheinbar einfache Sprache, hinter der sich Unbestimmtheit und Vieldeutigkeit verbirgt und die jegliche Kommunikation zwischen den handelnden Personen verrätselt,  all dies sind Konstituenten, die das poetische Universum des „belgischen Symbolisten“ Maurice Maeterlinck bestimmen. Ob diese im weitesten Sinne morbide und zugleich geheimnisvolle Welt, in der jeder Gegenstand und jegliches Sprechen auf etwas Anderes, auf etwas Unbestimmtes, etwas ‚Symbolisches’ verweisen, ihre Entsprechung in Debussys Musik finden, dazu steht mir als Dilettantin kein Urteil zu. Doch wenn es, wie die Kundigen raunen, eine Art von „Klangmagie“ sein soll, die Debussys  Musik auszeichne, dann haben an diesem Abend die Hamburger Philharmoniker diese Magie in der Tat ‚hervorgezaubert’ und damit ihr Publikum fasziniert.

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