Salzburger Mozartwoche 2017 oder das Winterfestival der Luxusrentner

Fünf Jahre lang hatte Maestro Marc Minkowski als künstlerischer Leiter die jährliche Mozartwoche verantwortet und zweifellos in dieser Zeit Maßstäbe gesetzt. Auch in diesem seinem letzten Salzburger Winter mangelt es nicht an Höhepunkten (wir kommen gleich darauf zu sprechen), doch leider dieses Mal auch nicht an Tiefpunkten.

Nennen wir nur zwei. Dass ein international berühmter Gesangstar, der vielleicht seine große Zeit als Mozarttenor schon hinter sich hat, zum Mozart Sound Faxen, Klamauk und Schmiere zum Gaudi des Publikums produzieren lässt, das mag vielleicht als nachmittägliches Unterhaltungsprogramm bei einer Kreuzfahrt angehen. Doch bei einer Matinee in der Stiftung Mozarteum ist ein solches Programm deplatziert und wirkte zumindest auf mich wie ein ärgerlicher Flop.… → weiterlesen

Ein Sound für Luis Buñuel, El ángel exterminador. Thomas Adés, The Exterminating Angel. Eine höchst brillante Uraufführung in Salzburg

Nicht nur Mozart und Strauss sollen in Salzburg die Hausgötter sein. Jedes Jahr soll ein neuer Gott hinzukommen. Der Olymp verlangt Neues – spektakulär Neues. Der neue Gott soll sein Publikum nicht zu sehr erschrecken, zu sehr provozieren. Er soll kein Revolutionär, kein Neutöner um jeden Preis sein. Doch spektakulär soll sein Einzug in den Salzburger Musentempel in jedem Fall sein.

Im vergangenen Jahr war Wolfgang Rihm mit seinem Highlight der zeitgenössischen Oper: Die Eroberung von Mexiko der neue Gott. Was dem Stück an Spektakulären fehlte, das zauberte mühelos die Regie herbei. Den ewigen Streit zwischen dem Ewig-Weiblichen und dem Ewig-Männlichen, eigentlich ein Kammerspiel, ließ sie  in einer Industriebrache, auf  einem Autofriedhof  spielen, in einer Ansammlung von Schrott, über den die Protagonisten klettern, um in ihrer Ikea Wohnstube Männlichkeits- und Weiblichkeitsrituale durchzuexerzieren.

In eine ganz andere Welt, in ein ganz anderes Medium, in die surrealistische Welt des Filmemachers Luis Buñuels, führt uns in diesem Jahr Thomas Adés. In diesem Festspielsommer kommt der neue Gott aus England herüber und erfüllt alle Bedingungen und Wünsche des eher ältlichen und doch Neuem gegenüber aufgeschlossenem Publikum.… → weiterlesen

Süßer Kitsch gleich im Doppelpack. Die Liebe der Danae bei den Salzburger Festspielen 2016

Es ist ein Gemeinplatz der Feuilleton-Kritiker, den späten Strauss gegen den frühen  auszuspielen und dessen späte Opern als epigonenhaft abzutun oder sie allenfalls als matten Abglanz der Frühwerke gelten zu lassen. Eine Beobachtung, die vielleicht nicht ganz falsch ist. Hatte doch Strauss selber  mit milder Selbstironie die Arabella als Kitsch bezeichnet.

Kitsch in Musik und Libretto ist wohl auch die Danae: ein schöner, ein berückender Kitsch. Von allem, wie es sich halt für  Kitsch gehört, ein bisschen zu viel: zu schön, zu anrührend, so fern aller Welt. Wieder erklingt die glitzernde Musik, wieder spielen die Wiener Philharmoniker und der Leitung von Franz Welser-Möst einen Strauss der absoluten Spitzenklasse. Wieder triumphiert die Sopranstimme, eben ganz so wie wir es von Strauss kennen und erwarten: Krassimira Stoyanova singt die Danae, und die Stimmfetischisten geraten ins Schwärmen. Und da Strauss dieses Mal auch dem Bariton, dem von Danae verschmähten Liebhaber Jupiter (in der Person des höchst brillanten Tomasz Konieczny), breiten Raum lässt, steht in Salzburg einem  Fest der Stimmen nichts entgegen.  Strauss in Orchesterklang und Gesang auf höchstem Niveau.

Ist das nun alles Kitsch oder liegt nicht doch über allem ein Hauch von Melancholie? Lassen wir einmal die gängige biographische Deutung beiseite –  mit der Danae nehme Strauss Abschied von einer Welt, die im Chaos versinkt – und schauen allein auf das Bühnengeschehen. Dieser Jupiter, der mit all seinem Goldregen die Prinzessin nicht gewinnen kann, eine Prinzessin, die von der Liebe zu einem Eselstreiber nicht lassen will, diesem Jupiter, der von der Welt Abschied nehmen muss,  kann man in der Tat die Melancholie nicht absprechen. Doch der „resignierende Abschied“ ist nur ein Nebenthema. Die “heitere Mythologie“, so der Untertitel der Oper, die sich mit dem Märchen verbindet, bestimmt das Geschehen. Ein Märchen, das wiederum im Finale sich dem Kitsch alla Hollywood öffnet. Die Prinzessin verzichtet auf Geld und Gold, wird zur Teppichknüpferin – aus Liebe zum armen Eselstreiber.

Der Kitsch  alla Hollywood, den indischen Kitsch als ‚Bollywood‘,  macht auch Alvis Hermanis zur Grundlage seiner Inszenierung. Da tummelt sich eine ganze Heerschar von Choristen und Statisten in goldglitzernden Kostümen auf der Bühne, mächtige buntbestickte Turbane auf den Köpfen. Da tanzen die Girls auf der Treppe, da thront Jupiter bei seinem ersten Auftritt auf einem Elefanten, da führt ein Double des Midas (das ist der geliebte Eselstreiber) einen wirklichen Esel über die Bühne, da trägt Danae die goldene Spange zu schwarzem Haar, da tragen Jupiter und Midas die weiße Tracht der Brahmanen, da sinken  (an Jugendstil erinnernden)  Ornamente und Teppiche vom Bühnenhimmel herab, da hocken  die in  weiße Gewänder verhüllten  Damen vor dem Webstuhl, und Midas und Danae reichen sich die Händchen, und der störende Dritte entschwindet. Ach, wie schön. Ach, wie süß. Bollywood in Salzburg.

Die Liebe der Danae in Salzburg:  ein Fest der Stimmen, ein Kostümfest, eine Orgie der Ausstattung. Auf die Festspiele ist  wohl ein Geldregen nieder gegangen. Statt, wie man es eigentlich erwarten müsste, gegen den monumentalen Kitsch des Librettos und den eher wundersüßen Kitsch der Musik zu steuern, setzt die Regie in gezielter Übertreibung noch eins drauf : Hollywood, Bollywood und Tausend und eine Nacht. „Zu viel! Zu viel“ seufzt Tannhäuser im Venusberg. Und so mancher Herr, der auch bei hochsommerlichen Temperaturen seinen Smoking nicht daheim lassen wollte, mag angesichts des bitteren Schicksals, das dem Herrn des Goldregens widerfahren ist, wohl gedacht haben: Hoffentlich brennt mir meine  teure Mätresse nicht mit dem Chauffeur durch.

Wir sahen die Aufführung am 5. August, die zweite Vorstellung nach der Premiere am 31. Juli 2016.

 

 

 

Mozartwoche 2016 in Salzburg

Alle Jahre wieder. Hochkultur auf der Szene – getragen von durchweg jungen Künstlern der Spitzenklasse –  und viel Gebrechlichkeit im Saale. Alle Jahre wieder. Die Salzburger Mozartwoche ein Treffpunkt der internationalen Truppe  der Luxusrentner, der ‚Rentiers‘. „Allein, was tut’s“. Ich will „die schöne Musi“ hören. „Da muß ma weinen“. Nein, das nicht. Eher erfährt der Zuhörer ‚maraviglia‘ und ‚stupore‘ im manieristischen Sinne. Kunst, Musik auf hohem, wenn nicht gar auf höchstem Niveau. „Musik ist heilige Kunst“ (Hofmannsthal).

Die c-Moll Messe, die man doch schon so viele Male in der Barockkirche Sankt Peter gehört hat, ist weit eindrucksvoller, klingt um vieles schöner, vielleicht auch feierlicher, wenn sie Gardiner mit den English  Baroque Soloists und dem Monteverdi Choir und einer so grandiosen Sopranistin wie Amanda Forsythe im Großen Festspielhaus zelebriert – vielleicht auch schon deswegen weil dort die Akustik wohl besser ist als in der Kirche – zumindest schien es mir so.

In diesem Jahr müsste die Mozartwoche eigentlich Mendelssohnwoche heißen. Mendelssohn Bartholdy ist der eigentliche Star.… → weiterlesen

„Ertrinken – Versinken“ – in Melancholie und dazu „eine wienerische Maskerad‘ und weiter nichts“. Der Rosenkavalier in Salzburg

Ein Rosenkavalier as you like it. Ein Rosenkavalier für das Salzburger Luxuspublikum. Ein Rosenkavalier aus der Welt von Gestern.  Es alles so schön, so wunderschön, so wundersüß.

Am Pult der Stardirigent aus den  Habsburgischen Ländern, der die Melancholie bis zum Exzess auskostet, der von Erotik nichts wissen will und dem alle Walzerseligkeit zuwider ist. Im Graben die Wiener Philharmoniker, die ihren Strauss, ihren Hausgott, geradezu zelebrieren, auf der Bühne eine Starbesetzung: Krassimira Stoyanova als Marschallin, Sophie Koch als Octavian, Günther Groissböck als Ochs, Golda Schultz als Sophie. Die Szene  – nicht das fiktive Wien der Maria Theresia, sondern das prachtvolle Wien vor dem ersten Weltkrieg, das Wien der Entstehungszeit des Rosenkavaliers: die Paläste der Ringstraßen mit dem Stadtpalais der Marschallin, das Foyer des Kunsthistorischen Museums, das der Herr von Faninal für das Hochzeitsfest seiner Tochter angemietet hat, der Park und ein Beisel im Prater, all dies zaubert der Videodesigner als Bühne herbei. Ach ja, „Wien, Wien, nur du allein sollst stets die Stadt meiner Träume sein!“ Peinlich, dass einem angesichts des Salzburger Dekorationstheaters gleich dieses „Liedel“ einfällt.… → weiterlesen

Szenen einer griechischen Tragödie. Henry Purcell, Dido and Aeneas bei den Salzburger Festspielen

Purcells Oper – so liest man im Programmheft, im gelehrten Essai des englischen Professors Michael Burden, – sei die einzige Vertonung des Dido/Aeneas Mythos, die sich im Repertoire gehalten habe, sei „eine der populärsten Barockopern überhaupt“ und sei im Jahre 1689 in einem Mädchenpensionat uraufgeführt worden.

In Salzburg sind wir nicht im Pensionat für höhere Töchter. Hier inszeniert  Thomas Hengelbrock, der zur musikalischen Leitung gleich die Regie mit übernommen hat, auf der weiten Bühne der Felsenreitschule eine im Wortverstande schwarze Tragödie. Dunkel  und leer ist die Bühne. Im langen schwarzen Kleid tritt Dido auf – von Anfang an vom Tode gezeichnet.… → weiterlesen