Ein minimalistisches Kammerspiel mit brillanten Sängerinnen: Alcina an der Oper Köln

Die so schwer gebeutelte  Kölner Oper– das große Haus am Offenbachplatz  wegen Renovierungsarbeiten für ein paar Jahre geschlossen, der Etat gekürzt, der Intendant fristlos gekündigt  (er soll angeblich die Oberen der Stadt gekränkt haben) – diese Kölner Oper verfügt noch immer über ein  Ensemble herausragender Künstler, die trotz all der Misere  und all der Widerwärtigkeiten noch immer zu Hochleistungen fähig sind. … → weiterlesen

Ein scheinbar endloser Reigen der Arien: Alessandro bei den Händel Festspielen In Karlsruhe

Im Vorfeld der diesjährigen Festspiele hat man in Karlsruhe eine weise und in sich konsequente Entscheidung getroffen. Wie einstens Händel bei der  Londoner Uraufführung seines dramma per musica hat man auf die Zugkraft der Gesangsstars gesetzt, diese gleichsam um die Wette singen lassen und Regie und Bühnenbild zur quantité negligeable reduziert. So war denn in Karlsruhe nicht Musiktheater oder gar ‚Regietheater‘, sondern ein Fest der Stimmen und der Musik zu erleben.… → weiterlesen

Und Herkules stirbt – und mit ihm bald die Oper in Essen? Ein trister Händel Abend im Aalto-Musiktheater

© Dierk Schäfer

Und Herkules stirbt – und mit ihm bald die Oper in Essen? Ein trister Händel Abend im „Aalto-Musiktheater“

Das so schicke Opernhaus in Essen – ein Architektur Juwel – war viele Jahre lang bekannt und berühmt für seine spektakulären Inszenierungen, für seine brillanten Sänger und herausragenden Musiker. Ist das alles wirklich schon so lange her? An diesem Abend war von dem einstens hohen Standard des Hauses  kaum oder wenig oder vielleicht auch gar nichts zu hören und zu sehen. Händels spätes „musical drama“ mag vielleicht  nicht unbedingt zu den großen Werken des Meisters zählen. Aber muss man es deswegen gleich so bieder, so lustlos, so langweilig, so schleppend aufführen. Es mag ja sein, dass das nur sehr schwach besetzte Haus (das Gros des Publikums  … → weiterlesen

Eine Mini – Csardasfürstin mit Händel Soundtrack. Partenope bei den Händel Festspielen in Karlsruhe

Eine Mini – Csardasfürstin mit Händel Soundtrack. Partenope bei den Händel Festspielen in Karlsruhe

Bei den Karlsruher Händel-Festspielen, die heuer zum 34. Male veranstaltet wurden, habe ich in den letzten Jahren so manch hochrangige Aufführung gesehen: einen konsequent historisierenden Radamisto, einen Giulio Cesare als karnevaleskes Metatheater, einen Ariodante  als Spiel mit der Scheinwelt des Theaters. Doch in diesem Jahr ist das Händel Unternehmen wohl ein wenig müde und matt geworden und hat etwas zu viel der Patina angesetzt. Dabei hatte man  mit der Partenope doch eigentlich eine sehr gute Wahl getroffen, mit der man leicht an die Erfolge der vergangenen Jahre hätte anschließen können. Doch die Möglichkeiten wurden nur teilweise genutzt. Zwar braucht man Partenope (neben der Semele wohl die zweite Händel ‚Operette’) nicht gleich wie vor einem Jahr im Theater an der Wien als Soap Opera zu spielen.  Die Geschichte von der Sirene Partenope (der mythischen Gründerin der Stadt Neapel) und ihren drei rivalisierenden Liebhabern, die sich mit der Geschichte einer rachsüchtigen Frau überkreuzt, die unbedingt ihren Liebhaber wieder haben will, der sich inzwischen in den Fängen der Partenope befindet, eignet sich von  Struktur und Personenkonstellation her auch für eine klassische Operette. Soap Opera und Operette – eine Banalität, die Theatermacher und Publikum seit ewigen Zeiten vertraut ist –  brauchen Tempo und Witz, Pointen und stets neue überraschende Regieeinfälle. In Wien gab es davon in Hülle und Fülle. Doch bei der Karlsruher Partenope da fehlt es an alledem. Zwar wird von einem jungen Ensemble brillant gesungen – bis hin zum Wettstreit der Countertenöre -, zwar  spielen die „Deutschen Händel-Solisten“ unter der Leitung von Michael Hofstetter wie immer einen Händel der Extraklasse. Doch die Inszenierung  zieht sich schwerfällig und oft langweilig dahin. Die Sänger  werden als Schauspieler kaum gefordert, stehen als gelangweilte Partygäste, die der reichen Gastgeberin den Hof machen, in einem großbürgerlichen Haus herum, halten sich am Drink fest und dürfen hin und wieder Billard spielen. Warum der kleine, so unbeholfene secondo uomo am Ende die Primadonna kriegt, der primo uomo sich mit der seconda donna begnügen muss, ja das wüssten wir wirklich alle gerne. Zwänge des Librettos, die uns die Regie  nicht erklären und schon gar nicht ändern mag. Wie dem auch sei. Wer Händel nur hören wollte, der erlebte Hochgenuss. Wer sich eine effektvolle, geistreiche Inszenierung erhoffte, der wurde enttäuscht. Wir sahen die Premiere am 19. Februar 2011.

Eine Medea Variante in Cine Città? Oder eine philosophische Parabel? Händels Teseo in der Staatsoper Stuttgarts

Dieses Mal habe ich von den Intentionen der Regie, geschweige denn von deren Grundkonzeption überhaupt nichts begriffen. Als naiver Theaterbesucher dachte ich bisher, eine Inszenierung sei gleichsam ein aufgeschlagenes Buch, ein Text, den der Zuschauer lesen und deuten sollte, um das Spektakel zu begreifen. Falsch. Ganz falsch. In Stuttgart muss man zuerst das Programmheft lesen, um zu erkennen, was die Welt, die Scheinwelt des Theaters im Innersten zusammenhält. Wer erst nach der Vorstellung ins Programmheft schaut – so halte ich es, um nicht Opfer eines Vor-urteils zu werden – findet dort schon mal Anregungen und Ergänzungen, zusätzliche Informationen, die die eigene Deutung stützen oder ihr widersprechen können. Beim Stuttgarter Teseo bestehen zwischen der Theorie, wie sie sie die Regie im Programmheft darlegt und der Bühnenwirklichkeit, wie das Publikum sie sieht, zwischen den Intentionen der Regie und der Rezeption beim Zuschauer geradezu absurde Kontraste. Auf der Bühne sehen wir in scharfen Schnitten Szenenfolgen aus der Welt des faschistischen Kinos: eine Megäre namens Medea, die ihre Intrigen spinnt, einen Politiker, der über Großbildschirme zu den Massen spricht und zu Hause nicht mit den Weibern zurecht kommt, ein jammerndes Frauchen namens Agilea, das an die Liebe glaubt und das die Megäre von ihren Schwarzhemden quälen lässt, einen etwas unbedarften Jungmann (Titelheld Teseo), der ebenfalls an die Liebe glaubt und der beinahe von seinem eigenen Vater, dem großmäuligen Politiker, umgebracht worden wäre, wenn nicht….. Mit anderen Worten: wir sehen einen Kitschfilm. Sehen sollten wir allerdings eine philosophisch, politisch, moralische Parabel: „Teseo handelt von Integrität in einer korrupten Gesellschaft. Es geht um Teseo und Agilea, zwei Menschen, die […] nicht bereit sind, ihre Werte zu verraten. Und es  geht um die Impotenz der Macht gegenüber diesen Menschen. […] Teseo hat John Lockes Staatsentwurf vorweggenommen. Historisch gesehen ist das in großem Stil erst wieder bei der Unterzeichnung der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, also zu Händels Zeiten, umgesetzt worden“(Igor Bauersima, Programmheft S. 16 und 20). Wir Zuschauer, sehr geehrter Herr Theatermacher Bauersima, sind so unbedarft, dass wir Ihre hehren Intentionen in Ihrer Inszenierung nicht erkennen konnten. Doch das darf Sie nicht stören. Wenn ich mich recht erinnere, hatte schon ein gewisser Dramatiker, Philosoph und Professor namens Schiller seine Schwierigkeiten damit, seinem Publikum das Theater als moralische Anstalt zur Erziehung des Menschengeschlechts schmackhaft zu machen. Und da sind  Sie in guter Gesellschaft. Das Publikum will eben unterhalten werden. Und unterhaltsam, vielleicht gegen Ihre Absichten, war Ihr Teseo alle Male: unterhaltsam als Persiflage auf das faschistische Kino, auf die Filmbranche mit ihren alternden rachsüchtigen Diven, ihren machtlüsternen Diktatoren, ihren edlen Gutmenschhelden und deren nicht minder edlen Gefährtinnen. Ehe ich es vergesse: „Musik ist heilige Kunst“ – und gesungen und musiziert wurde in Ihrem Teseo brillant und – schön. „Musik ist heilige Kunst“ – teutsche Gedankenschwere kann ihr sowieso nichts anhaben. Wir sahen  die 12. Vorstellung am 18. Juli 2009. Die Premiere war am 2. Mai 2009.

19. 03. 09 Ein Sängerfest in der Welt von Vorgestern. Händels Tamerlano an der Bayerischen Staatsoper

Was ich mir fast auf den Tag genau vor einem Jahr notierte, als wir die Premiere sahen, das gilt ohne alle Einschränkungen auch für die Wiederaufnahme, die wir heute sahen: grandiose Sänger im historischen Kitsch. Doch seien wir nicht so streng und sprechen statt dessen von dem anerkennungswerten Versuch, klassisches französisches Theater in eine Händel Oper zu transformieren.

„Mehr als ein Jahrzehnt lang war München berühmt – für konservative Händelverehrer vielleicht auch berüchtigt – für seine spektakulären Händelinszenierungen. Und jetzt zum Finale der Händel Ära macht man drei Schritte zurück, zurück in puren Konventionalismus, in eine historische Aufführungspraxis im Stil der französischen Klassik und versucht ohne eine Spur von Ironie oder gar Parodie, Opas Barockoper wiederauferstehen zu lassen.

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