Und Herkules stirbt – und mit ihm bald die Oper in Essen? Ein trister Händel Abend im „Aalto-Musiktheater“
Das so schicke Opernhaus in Essen – ein Architektur Juwel – war viele Jahre lang bekannt und berühmt für seine spektakulären Inszenierungen, für seine brillanten Sänger und herausragenden Musiker. Ist das alles wirklich schon so lange her? An diesem Abend war von dem einstens hohen Standard des Hauses kaum oder wenig oder vielleicht auch gar nichts zu hören und zu sehen. Händels spätes „musical drama“ mag vielleicht nicht unbedingt zu den großen Werken des Meisters zählen. Aber muss man es deswegen gleich so bieder, so lustlos, so langweilig, so schleppend aufführen. Es mag ja sein, dass das nur sehr schwach besetzte Haus (das Gros des Publikums stellten die mit Bussen angereisten treuen Abonnenten aus dem Münsterland) auf Musiker und Sänger nicht gerade inspirierend wirkte. Aber ein bisschen Schwung und Temperament und Spielfreude wären noch angebracht gewesen. Zwar legte sich der Chor in guter alter Oratorientradition mächtig ins Zeug und wenn er von den Rängen aus sang, dann glaubte man sich beinahe in einer protestantischen Hofkirche. Doch der machtvolle Chorgesang war wohl das einzige, was das vor sich hinschlummernde Publikum hin und wieder aufschreckte. Kein Szenenapplaus weckt die Müden. Die Musik plätschert so vor sich hin. Die Sänger liefern mehr oder weniger überzeugend ihre Arien ab und geben sich alle Mühe hin und wieder auch als Schauspieler zu agieren (Ja, wir wissen schon: wen man nicht mag, den stößt man von der Treppe, und zur vermeintlichen Versöhnung trinkt man Rotwein. Reife Ehepaare, die sich, wenn auch nur scheinbar, wieder versöhnen, wälzen sich lustvoll am Boden. Und vom Wahn Befallene sowieso). Die Regie schwimmt nur so in Klischees und zitiert sie ohne eine Spur von Ironie: der einfältige Muskelprotz Herkules, der seiner dümmlich eifersüchtigen Gattin (beide im Outfit des 18. Jahrhunderts) eine Aida Prinzessin ins Haus bringt, das degenerierte Söhnchen des Herkules, das sich auf Liebesdiskurse spezialisiert hat, der Gefangenen Chor als Auslaufmodell aus der Aida (oder aus dem Nabucco?), Herkules im Finale als Schmerzensmann und außerirdischer Lieto Fine Heilsbringer ( kleines Bonbon für die Theologen im Publikum, die sich erinnern, dass Herkules so eine Art Präfiguration Christi ist?). Und schließlich gibt es auch noch ein Bonbon für eifrige Besucher des Schauspielhauses: Kleists Alkmene (zur Erinnerung: die Mutter des Herkules) hat im Finale einen stummen Auftritt und darf ihr berühmtes „Ach“ an die Wand schreiben. Ach, was für ein trister, verlorener Abend in Essen wird Alkmene geseufzt haben. Wir sahen die Vorstellung am 13. Oktober 2011. Die Premiere war am 4. Dezember 2010.