Vom Disinganno-Oratorium zum Schwulen-Einakter ist es nur eine Pause – in Karlsruhe. Ein desaströser Auftakt bei den Händel Festspielen 2013

Die diesjährige Festspielpremiere am Badischen Staatstheater stand von Anfang an unter einem schlechten Stern. Nicht nur dass wegen eines spontanen Streiks, zu dem die bekannte Gewerkschaft, die sich ungewollt mit dem Namen eines italienischen Komponisten schmückt, aufgerufen hatte, nur eine halbszenische Aufführung  möglich war. Auch die Auswahl  der beiden Premierenstücke – Händels späte englische Fassung von Il Trionfo del Tempo e del Disinganno und Gerald  Barrys The Triumph of Beauty and  Deceit – war nicht unbedingt eine Geniestreich der Intendanz.

So mühten sich denn bei Händel  zwei Damen und drei  Herren vorsichtig und ungeschickt und bei Mister Barry fünf Herren derb und deftig – allesamt  in Kostüm und Maske – um so etwas wie eine theatralische  Gestaltung der beiden Stücke. Bei Händel sangen sie dazu recht  brillant. Bei Barry war nur Schreigesang gefordert, den sie wohl ganz im Sinne des irischen Tonsetzers gekonnt realisierten.

Barrys Schwulengroteske oder – freundlich gesagt: dessen Versuch einer parodistischen oder vielleicht auch satirisch gemeinten Replik auf Il Trionfo del Tempo e del Disinganno  – verkaufen die emsigen Karlsruher Dramaturgen als „moderne Fortsetzung“ eines „Moralspiels von Händel“.  Arroganz, Dummheit, gezielte Täuschung des Publikums, Etikettenschwindel? Nehmen wir zu Gunsten des Badischen Staatstheaters das erstere an. Oder sagen wir es in aller Deutlichkeit:  einen  Schwuleneinakter als “ Fortsetzung“ einer ‚katholischen Oper‘  zu präsentieren, das  ist weder “ fortschrittlich“ noch “ aufklärerisch“ noch „tolerant“, das ist dreist und unverschämt.  Nein, das ist einfach nur einfältig und dumm.

Doch seien wir nicht so streng und so verärgert. Im Badischen  Staatstheater haben wir in den vergangenen Jahren herausragende Händel -, Wagner-  und Berlioz – Aufführungen erlebt. Da muss man auch schon mal wie jetzt einen Flop ertragen können. Zumal die Intendanz so generös ist, dass sie allen,  die den neuen Händel Flop noch einmal sehen möchten, fünfzig Prozent Rabatt auf den Kartenpreis anbietet. Herzlichen Dank, sehr verehrter Herr Intendant, ein Viertele Badischer wäre mir lieber.

Wir sahen die Vorstellung am 16. Februar 2013.

Ein scheinbar endloser Reigen der Arien: Alessandro bei den Händel Festspielen In Karlsruhe

Im Vorfeld der diesjährigen Festspiele hat man in Karlsruhe eine weise und in sich konsequente Entscheidung getroffen. Wie einstens Händel bei der  Londoner Uraufführung seines dramma per musica hat man auf die Zugkraft der Gesangsstars gesetzt, diese gleichsam um die Wette singen lassen und Regie und Bühnenbild zur quantité negligeable reduziert. So war denn in Karlsruhe nicht Musiktheater oder gar ‚Regietheater‘, sondern ein Fest der Stimmen und der Musik zu erleben.… → weiterlesen