Casta Diva – routiniert und konventionell. Norma am Liceu

Ich weiß ja, und ich glaube es ja auch, dass die beiden Diven, die da (mal stehend, mal kniend) von der Rampe herab Norma und Adalgisa sangen und mimten, Starsängerinnen sind, die nicht nur in Barcelona ihre ‚Kunstfertigkeiten‘ zeigen, sondern bald auch bei den diesjährigen Münchner Opernfestspielen in diesen Rollen brillieren werden. Kein Zweifel, dass auch der Tenor, dem Bellini die undankbare Rolle zugedacht hat, gleich gegen zwei Damen ansingen zu müssen, ein Star ist, der sich durchaus gegen die weibliche Konkurrenz zu behaupten wusste. Kein Zweifel auch, dass sich das Orchester ganz zurückgenommen und den Solisten allen Raum zur Entfaltung gegeben hat.

Und trotzdem. An diesem Abend im Liceu da fehlte etwas. Da sprang kein Funke über. Da wurden keine Emotionen erweckt. Da erstarb Bellinis so wunderbarer Melodienreigen  in ewiger Routine, um nicht zu sagen in Langeweile.
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Sadismus und Voyeurismus mit Belcanto Sound. Donizetti, Maria Stuarda mit Joyce DiDonato in der Titelrolle am Gran Teatre del Liceu

Keine Frage: die Maria Stuart Tragödie, die Zänkereien unter den Royals  in ferner Zeit, all das interessiert uns wenig. Und dem Regieteam geht es wohl nicht anders.

In Barcelona weiß man mit dieser „tragedia lirica“ wenig anzufangen. Im ersten Bild lässt man Komödie spielen: eine glatzköpfige Königin Elisabeth im Renaissance Outfit hält (pardon: singt) eine programmatische Rede vor Ladies und Gentlemen der Upper Class, die sich in den modischen Kostümen und Anzügen von heute präsentieren. Vielleicht ein Metatheater Trick? Die Königin lädt zu einem Theaterabend zu Ehren ihrer illustren Vorgängerin gleichen Namens ein und spielt selber die Rolle der Bösen? Im zweiten Akt befinden wir uns im komfortablen Gefängnis der Maria. Königin Maria schaut sich gerade Videos vom ländlichen Frankreich an. Und gleich wird sie sich in den Zickenkrieg mit der bösen Elisabeth stürzen.… → weiterlesen

Die Erlösung findet nicht statt. Das Paradies existiert nicht. Die Legende von der unsichtbaren Stadt Kitesch am Gran Teatre del Liceu

Rimsky-Kórsakovs Oper hatte ich noch nie gehört –  geschweige denn auf der Bühne gesehen. Allenfalls das berühmte Zwischenspiel im dritten Akt hatte ich wohl schon einmal in einem Konzert gehört – und war neugierig auf die Oper geworden. Zur Musik mag und kann ich als Laie nichts sagen. Ihre Einschätzung als „russischer Parsifal“, wie sie seit Jahrzehnten von der Kritik nachgebetet wird, erscheint mir indes etwas seltsam. Ob die „magnífica partitura“, „el esplendor de su orquestación, planteada desde los contrastes“ und die (scheinbare) Erlösungsidylle im Finale eine solche Analogie nahe legen oder gar rechtfertigen?  Ich weiß es nicht. Eingängig ist die Rimsky-Kórsakov Musik alle Male, und vielleicht stehen wir ja vor einer Wiederentdeckung seiner Opern. In Berlin, in der Staatsoper im Schillertheater, ist Die Zarenbraut zu hören und zu sehen, und das Theater an der Wien plant für Ende dieses Monats gleich zwei Rimsky-Kórsakov Opern in konzertanten Aufführungen: Die Zarenbraut  und Der goldene Hahn.

Neugierig auf Die Legende von der unsichtbaren Stadt haben mich auch die hymnischen Besprechungen der Amsterdamer Aufführung gemacht, die jetzt in einer Übernahme in Barcelona gezeigt wird. Ist diese Inszenierung, für die Dimitri Tcherniakov neben der Regie auch für das Bühnenbild verantwortlich zeichnet, wirklich  so grandios? Muss sie wirklich so unkritisch gefeiert werden?… → weiterlesen

Mini-Lust / Doch bewußt? Prinz Blechherz und das Burgfräulein oder Tristan und Isolde im Gran Teatre del Liceu in Barcelona

Barcelona war einmal, vor vielen Jahrzehnten, das Zentrum der Wagner Rezeption in Spanien. Wenig, nichts, gar nichts ist von dieser stolzen Tradition geblieben. Was in Barcelona zu hören und zu sehen ist, das ist ein schlichter, ein dürftiger, ein manchmal peinlicher Wagner, der unfreiwilliger Komik recht nahe kommt. Statt sich in München oder in Zürich umzusehen und umzuhören und eine Konwitschny oder eine Guth Inszenierung einzukaufen, hat man sich in Barcelona für eine Produktion aus Los Angeles entschieden, die dort vor mehr als zwanzig Jahren Premiere hatte. Offensichtlich war man von der märchenhaften Ausstattung, die damals der Maler David Hockney geschaffen hatte und die wohl von der amerikanischen Presse sehr gelobt worden war, so begeistert, dass man sie unbedingt nach Barcelona holen wollte. Wer das kitschige Blau und Rot,  die das Bühnenbild dominieren, wer ein  naives Märchenambiente mag, wer sich für Ritter und Burgfräulein, Knappen, die die Schwerter schwingen, eine Isolde mit einem Krönchen auf dem langen Blondhaar, für einen Tristan als Prinz Eisenherz, für einen König Marke im Purpurmantel und der Krone auf dem Haupt (Sollten die Zacken an der Krone ihn als Gehörnten kenntlich machen?) begeistern will,  wer all diesen Opernplunder mag, der kommt bei dieser Inszenierung auf seine Kosten. Es gibt eine richtige Burg zu sehen. Brangäne wacht am Fenster der Kemenate. Zum Rendez-vous trifft sich das Liebespaar unter Pappeln vor der Burg (die Assoziationen zur Zufahrtsstrasse zu einem Parador waren sicher ungewollt). Im dritten Akt lagert der jammervolle Tristan an einer Art Grabstein, eine aufragende Klippe fällt steil zum Meer hinab, und eine etwas ausgepowerte Isolde kommt gleich außer Atem, als sie zu Tristan vom Strand hinaufklettern muss. Doch sind wir nicht so streng. Es muss ja nicht immer gleich Neubayreuth, deutsches ‚Regietheater’ Neuerzählung des Mythos, Aktualisierung, Verortung im Hause Wesendonck sein. In Los Angeles und in Barcelona tun es auch bunte Bilder, Miniaturen aus einem Kodex aus dem Mittelalter oder vorsichtige Hinweise auf die Fantasyliteratur  oder meinetwegen auch flüchtige Verweise auf König Artus, den Ritter Lancelot und die Königin Ginevra. So viel Arglosigkeit hat zumindest den Vorteil, dass uns arme Unbedarfte im Publikum Wagners Weise von Liebe und Tod nichts angeht und seine für frustrierte Gattinnen und neurotische Jünglinge so gefährliche Musik  im Opernmuseum entsorgt werden kann. Im Musentempel der Katalanen hat man ja sowieso eine Vorliebe für das Kastrierte, hasst man alle Leidenschaft, ist  aller Eros des Teufels. Hatte man im vergangenen Jahr die arme Salome musikalisch und szenisch erledigt, so steigert sich jetzt im Tristan das Sehnen, das ewige Sehnen, man hält es kaum für möglich, –   das Sehnen nach der Kastration  noch einmal. Schwunglos, müde und matt schleppt sich der erste Akt dahin.  Im zweiten Akt – vielleicht hat man sich inzwischen auch etwas an die eigenartige Interpretation gewöhnt, kommt ein bisschen Schwung und vielleicht auch eine Ahnung von Leidenschaft  und auch Todessehnsucht auf. Das war’s dann auch schon. Bei allem Respekt vor den Leistungen der Musiker: das ist nicht die Tristan Musik, wie sie in München und in Zürich zu hören ist. Und das sonst so disziplinierte Publikum im Teatro del Liceu hat das auch gemerkt und reagierte mit Hüsteln und Schnäuzen und sonstigen Geräuschen auf diesen langweiligen, blutlosen und, wir sagen es noch einmal in aller Deutlichkeit, auf diesen kastrierten Tristan. Zwei Damen in der Reihe vor mir hielt es im dritten Akt schon gar nicht mehr auf den Sitzen. Sie gingen zwischendurch mal zu den Toiletten.  Doch so schlimm  war der lange Abend nun auch wiederum  nicht. Die bekannte amerikanische Sopranistin, wenngleich ihre Stimme etwas in die Jahre gekommen ist, und der berühmte Heldentenor aus dem Rheinland singen noch immer mehr als passabel. Und auch alle anderen Rollen waren hochgradig besetzt. Doch was sollen Sänger wie Seiffert, Skovhus und Michaela Schuster in einem solch tristen Ambiente. Schade um sie. Wir sahen die Vorstellung am 12. Februar 2010. Die Premiere war am 23. Januar 2010.

Nina unter Gangstern beim letzten Abendmahle. Eine biedere Salome Aufführung im Gran Teatre del Liceu

Ein Glück für den Musentempel der Katalanen, dass Nina Stemme, wenngleich die Salome wohl nicht ihre Paraderolle ist, mit gewohnter Bravour sang. Sonst wäre das Ganze trotz der eingebauten Gags  noch schwachbrüstiger und noch biederer ausgegangen, als es schon war. Nichts von schwülstiger, dekadenter Erotik, nichts von Spannung und Knistern. Was da aus dem Orchestergraben aufstieg, das erinnerte nur als ‚ferner Klang’ an Strauss.… → weiterlesen