Sadismus und Voyeurismus mit Belcanto Sound. Donizetti, Maria Stuarda mit Joyce DiDonato in der Titelrolle am Gran Teatre del Liceu

Keine Frage: die Maria Stuart Tragödie, die Zänkereien unter den Royals  in ferner Zeit, all das interessiert uns wenig. Und dem Regieteam geht es wohl nicht anders.

In Barcelona weiß man mit dieser „tragedia lirica“ wenig anzufangen. Im ersten Bild lässt man Komödie spielen: eine glatzköpfige Königin Elisabeth im Renaissance Outfit hält (pardon: singt) eine programmatische Rede vor Ladies und Gentlemen der Upper Class, die sich in den modischen Kostümen und Anzügen von heute präsentieren. Vielleicht ein Metatheater Trick? Die Königin lädt zu einem Theaterabend zu Ehren ihrer illustren Vorgängerin gleichen Namens ein und spielt selber die Rolle der Bösen? Im zweiten Akt befinden wir uns im komfortablen Gefängnis der Maria. Königin Maria schaut sich gerade Videos vom ländlichen Frankreich an. Und gleich wird sie sich in den Zickenkrieg mit der bösen Elisabeth stürzen. Dass dieser übel für Maria ausgeht, das wissen wir noch aus dem Leistungskurs Deutsch. Auch dass die Männer, die bei diesem Weibergezänk tollpatschig herum stehen, keine ‚bella figura‘ machen, auch daran erinnert uns das Regieteam. Im dritten Bild schlägt die Regie noch  einmal eine kühne Volte und setzt radikal auf kruden Realismus. Wir alle: der Chor auf der Bühne und wir im ausverkauften Liceu schauen der sich dahin  quälenden  Hinrichtungsszene zu, uns alle macht die Regie zu Voyeuren. Als verängstigte Zuschauerin  fürchtet man schon, dass der grinsende Henker mit dem langen Hackebeil der armen Joyce gleich aus Versehen wirklich den Kopf abschlägt. Doch bevor es dazu kommt, geht Gott sei Dank das Licht aus. Als es wieder angeht, steht die Primadonna allein auf der Bühne, im weißen Kleid, den Kopf nicht in der Hand, sondern dort, wo er hingehört und nimmt lächelnd den Beifallssturm eines aufgekratzten Publikum entgegen.

All dieser krude Realismus, die Pseudoidylle im zweiten Bild und der Metatheater Gag zu Beginn, das war wohl alles eine Parodie auf das Mélodrame. Vielleicht war dies die Regiekonzeption. „Allein, was tut’s. Ich habe…“ sie singen gehört, ich habe sie spielen gesehen. Eine grandiose Sängerschauspielerin. Eine Primadonna, die die Bühne beherrscht und alle anderen Mitwirkenden recht blass aussehen lässt.

Ein großer Opernabend, nein, besser: ein großer Joyce DiDonato Abend in Barcelona. Wir sahen die Aufführung am 7. Januar 2015, „La Dernière“.