Pferde und Amazonen, Chor und Solisten – und Mozart-Sound in der Felsenreitschule

Maestro Minkowski liebt die Musik und – die Pferde. Eine Doppelliebe, die uns einen ungewöhnlich spektakulären Auftakt der diesjährigen Salzburger Mozartwoche bescherte: Tanz, nein, nicht der Reigen seliger Geister, Tanz  edler Pferde zur Kantate Davide penitente, zum Priestermarsch aus der Zauberflöte und zur Maurerischen Trauermusik.

Der zugedeckte Orchestergraben und die Bühne werden zur Tanzfläche für ein Pferdeballett. Chor und Solisten und das Orchester sind in den Arkaden platziert. Und der Maestro selber – nein, er kam nicht auf einem Schimmel hereingeritten – er ist schon da und dirigiert  von der Vorderbühne, von einem leicht erhöhten Gerüst aus.

Wird die da wirklich die Koordination klappen? Die besorgte Frage stellt sich nicht. Alles gelingt. Vielleicht gab es zu Beginn, wie die Dame hinter mir bemerkte, ein paar Unsicherheiten. Wenn es sie denn gab, mich haben sie nicht gestört. Geboten wurde in der Felsenreitschule an diesem Abend eine grandiose Son et Lumière Show, zentriert auf eine hochartifizielle Schule der Reitkunst. Mit welcher Akribie, mit welcher Eleganz, mit welch scheinbarer Leichtigkeit Monsieur Bartabas, „der Pferdegott in Frankreich“ und seine Amazonen von der Académie équestre de Versailles ihre Pferde zum Tanz führten, das ließ (anders als bei einem traditionellen Konzert)  alle Huster verstummen.

Eine geistliche Kantate, für deren Musik Mozart – abgesehen von zwei neu komponierten Arien –  auf die c-Moll-Messe zurückgriff, als Pferdeballett in Szene  zu setzen, das ist zweifellos eine recht ungewöhnliche Grundkonzeption.  Geht das wirklich? – so mag sich manch traditioneller Konzertbesucher gefragt haben. Ja, es geht wirklich. Wie so manches Mal in der Oper erlebt, so geschah es einem auch bei dieser Inszenierung: das Spektakel erschlägt geradezu die Musik. Mag diese auch noch so schön zelebriert, mag auch noch so brillant gesungen werden. Vielleicht haben wir an diesem Abend eine Variante des ‚Gesamtkunstwerks‘ erlebt? Einen ungewöhnlichen Abend der Kunst alle Male.

Und was gab es sonst noch?  Eine Vielzahl von Konzerten und eine konzertante Oper – nicht von Mozart, sondern von Franz Schubert. Eine Mozartwoche, bei der Schubert dieses Jahr gleichsam als ‚Artist in Residence‘ avant la lettre fungierte. So hörten wir denn eine 8. Symphonie, die Minkowski mit seinen Musiciens du Louvre Grenoble mit einem solchen Elan und einer solchen Begeisterung aufführte, das  sich zumindest für mich ein neues Schubert Bild ergab, ein Schubert, der einem Beethoven anscheinend recht nahe steht. Doch auch der für den Nichtmusiker konventionelle Schubert, der Schubert der Lieder, war in dieser Woche zu hören. Alfonso und Estrella, Romantische Oper in drei Akten, kam mir vor wie ein ewiger Reigen von Schubert Liedern.

Eine Woche der Musik in Salzburg mit einer Vielzahl von Orchestern: von den Salzburger Hausorchestern, der Camerata und dem Mozarteumorchester, über Les Musiciens du Louvre Grenoble bis hin zu den Wiener Philharmonikern hatte man die Wahl. Und wie die diesjährige Mozartwoche einen ungewöhnlichen Auftakt hatte, so bot sie auch ein ungewöhnliches Finale. „Insula Orchestra“ aus Paris unter seiner Gründerin und Dirigentin Laurence Equilbey spielte Schuberts 4. Symphonie und die Krönungsmesse im Rekordtempo, gleichsam als Parforceritt. Von Wiener oder gar katholischer Sentimentalität blieb da nicht eine Spur.

Im nächsten Jahr fahren wir wieder hin – in ein schon am frühen Abend winterlich beschauliches Salzburg. Und im nächsten Jahr da wird Mendelssohn-Bartholdy ‚Artist in Residence‘ sein und Mozart Konkurrenz machen.