An der Front im ersten Weltkrieg und auf dem faschistischen ‚Heldenfriedhof‘. Die Walküre an der Oper Leipzig

„Völkerschlacht“ bei Leipzig. Ausbruch des ersten Weltkriegs. Gedenkorte und Gedenkjahre des großen Abschlachtens. Da liegt es nahe, daran zu erinnern, dass es auch in Wagners Walküre um das sinnlose Abschlachten aus scheinbar hehren Motiven geht: um der Ehre, um der Rache, um der Macht willen. Ein Gedanke, der vielleicht die Konzeption der Leipziger Walküre mitbestimmt haben mag.

Rosamund Gilmore, die im neuen Leipziger Ring für die Regie verantwortlich zeichnet, setzt indes in ihrer Walküre kein plattes realistisches Kriegsstück in Szene, wenngleich die Ingredienzen hierfür alle beisammen sind. Nebelschwaden, Stacheldrahtverhaue, Walküren im modernen Military Look, Karabiner mit aufgestecktem Bajonett, Hunding als französischer (?) Soldat, der nebst Gattin in einem unterirdischen Bunker haust, Wotan in einem zerschossenen Hauptquartier, das einstmals wohl ein Schloss aus dem 18. Jahrhundert war.

Das Kriegsszenarium ist indes nur das Vordergründige. Bild und Geschehen öffnen sich hin zum Mythischen. Archaische Elemente des Mythos, die eine platte Aktualisierung unterdrücken würde, treten wieder hervor. Und diese Ausweitung des Geschehens gelingt der Choreographin Gilmore über Bewegung und Tanz. Sind das Lemuren, Untote unter ausgebleichten Tierschädeln, Vorboten des Todes, die da aus den Stacheldrahtverhauen über Hundings Bunker kriechen, Siegmund in den Bunker hinab folgen und lauernd die wachsende Feindseligkeit zwischen den beiden Männern beobachten? Wer ist der groß gewachsene ‚Held‘, der Brünnhilde ständig begleitet. Ihr Adjutant? Einer von Wotans „Heldensöhnen“, der dessen „Wunschmaid“ schützen soll?. Oder ist der “Held“ schon die Präfiguration ihrer Erlösers Siegfried? Überaus deutlich wird dieses Schwanken zwischen scheinbarer ‚Realität‘ und dem Archaisch-Mythischen in der Fricka-Szene. Zwei Tänzer mimen die Widder, die laut Libretto den Wagen der Göttin ziehen. Doch diese Göttin wirft ihre Attribute von sich und mutiert zu einer Art   Florence Nightingale Verschnitt – und die Widder sind weiter ihre ständigen Begleiter.

Höchst spektakulär  ist das Szenarium im dritten Akt: ein Heldenfriedhof, übersät statt mit weißen Kreuzen mit weißen Stiefeln. In der Mitte das schon für Brünnhilde vorbereite ‚Heldengrab‘, auf das sie sich als Statue ihrer selbst legen wird, zur Linken ein faschistischer Palast im  De Chirico Stil, in den sich die Walküren flüchten werden und aus dem Brünnhildes vieldeutiger Adjutant auf die Schlafende herab blicken wird. Und während dessen ist die Tanztruppe zum paramilitärischen faschistischen Turnverein mutiert.

Eine höchst beeindruckende Bühnenwelt, die Rosamund Gilmore und der Bühnenbildner Carl Friedrich Oberle für ihre Leipziger Walküre geschaffen haben. Hinzu kommt ein zweites, das schon beim Rheingold zu beobachten war. Das Produktionsteam verzichtet auf die üblichen ideologischen Botschaften, will nicht mit Wagner die Welt erklären, sondern  mit Wagner großes, faszinierendes Theater machen. Und dies ist ihm zweifellos gelungen.

Und Orchesterklang und Gesang? Da gibt es nichts zu bekritteln. In Leipzig wird in allen Rollen herausragend gesungen und gespielt. Und natürlich spielt  das Gewandhausorchester unter Maestro Schirmer einen perfekten Wagner. Wagner vom Allerfeinsten. Ein großer Opernabend in Leipzig.

Wir sahen die Aufführung am 22. Dezember, die zweite Vorstellung nach der Premiere am 7. Dezember 2013.

 

 

 

 

Wagner-Festwoche 2013 in Leipzig: Die Feen. Der fliegende Holländer.

 Decke des Opernhauses LeipzigNun schwatzen und schreiben sie wieder bis zum Überdruss, die Feuilleton – Redakteure, die Dramaturgen, die Musikprofessoren, die Wagner Auguren und erzählen uns, dass es ohne Die Feen keinen Lohengrin gäbe, dass noch kein Genie vom Himmel gefallen sei, dass bei den Feen Mendelssohn, Weber, und manche andere zitiert und variiert würden, dass Wagners Obsessionsthema der Erlösung und auch das Motiv des Frageverbots hier schon erschienen. Und auch das Ambiente des Mittelalters sei schon da – mit seinen Damen und Rittern, seinen Waffen- und Liebeshändeln (die Italianistin erinnert sich an die Eingangsverse des Orlando Furioso). All dies ist offensichtlich.

All dies hat man in Leipzig hübsch und konventionell mit großem Aufwand an Kostümen, Dekor und Bühnenmaschinerie in Szene gesetzt,  manche Bildzitate  hinzugefügt und das ganze frei nach E. T. H. Hoffmann ironisch gebrochen und einen philiströsen Rahmen dazu erfunden: ein Opernfan hört in seinem Salon die Übertragung der Feen aus der Oper Leipzig, liest das Libretto mit und imaginiert sich in die Rolle des Ehegespons  der Prinzessin aus dem Feenreich hinein, erfährt all die Prüfungen und Leiden, die dem Königssohn  auferlegt werden und erlöst als neuer Prinz Tamino mit der Macht des Gesangs die Prinzessin, wird Feenkönig – und findet sich im Finale mit der Gattin auf der Couch wieder, mit der Gattin, die gerade aus dem Fitness-Studio zurückkommt – Philisters Märchentraum ist zu Ende – und die Oper ebenso.… → weiterlesen

In den Carceri Piranesis? In verfallenen römischen Palästen? In faschistischer Zeit? Das Rheingold an der Oper Leipzig

Rechtzeitig zu seinem 200. Geburtstag ehrt die Oper Leipzig Richard Wagner  mit einer ungewöhnlich  gelungenen Rheingold Produktion. Unter der Leitung von Maestro Ulf Schirmer  zelebriert das Gewandhaus den „Vorabend zum Bühnenfestspiel […]“ auf höchstem Niveau, singt und agiert ein  homogenes Ensemble  herausragender Sängerdarsteller. Auch an der  Inszenierung gibt es nichts zu bekritteln. Mit ihrer so ansprechenden  intertextuellen Konzeption weiß sie vom Niveau her mit Orchesterklang und Gesang  durchaus mitzuhalten. Rosamund Gilmore, die Regisseurin und Choreographin, die den Leipziger Ring verantwortet, verzichtet von vornherein darauf,  ideologische Botschaften – gleich welcher Art auch immer – der Handlung aufzupfropfen, hält Zeit und Ort des Geschehens bewusst im Vagen, … → weiterlesen

Brillante Solisten auf der Bühne und im Graben – dürftig die Szene. Johann Adolph Hasse: Cleofide beim Bachfest Leipzig

Wie selten ist doch Hasse in den Musiktheatern und Konzertsälen zu hören. Vor ein paarJahren führte Carlo Muti bei den Salzburger Pfingstfestspielen ein Hasse Oratorium auf, und, wenn ich mich recht erinnere, war vor etlichen Jahren an der Semper Oper sogar eine Inszenierung der Cleofide zu sehen.  Immerhin etwas. Und vielleicht wird Hasse bald wieder präsent sein, denn seit einigen Jahren setzt sich Maestro Michael Hofstetter für eine Wiederentdeckung Hasses ein. So hatte er z.B bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen das Oratorium Sanctus Petrus et Sancta Maria Magdalena ins Programm genommen. Und jetzt im Rahmen der Bachfestspiele führte er im kleinen Goethe-Theater in Bad  Lauchstaedt zusammen mit der Batzdorfer Hofkapelle und einem Ensemble hervorragender Solisten die Cleofide auf, Hasses Dresdner Festoper vom Jahre 1731.

Sagen wir es ohne alle Umschweife: es war, was die Musik angeht, ein höchst brillanter Hasse Abend – ein Reigen von Arien und Rezitativen, wie man sie sich kaum schöner und ausdrucksvoller vorstellen kann. Ein Orchesterklang, der faszinierte und bezauberte. Zu Recht feierte ein begeistertes Publikum alle Mitwirkenden.

Es wäre ein perfekter Hasse Abend geworden, ja wenn nur die Regie sich auch nur ein wenig dem Niveau der Musik angenähert hätte. Wir wissen schon: eine opera seria in Szene zu setzen, das muss für so manchen unserer Theatermacher ein Albtraum sein. Wie mach‘ ich das bloß. Mach ich es steif und hoheitsvoll wie klassisches französisches Theater? Mach ich daraus eine Revue oder gleich ein Musical? Mach ich ein Seelendrama oder gleich eine Mixtur aus allem?  In Bad Lauchstaedt wollte man besonders sofisticated sein und entschied sich für eine Melange aus Puppenspiel, Volkshochschulkurs, konzertanter und halbszenischer Aufführung. Die Sänger tragen, eben wie das beim Opernkonzert üblich ist, ihre Rezitative und Arien vomPult her vor. In der Mitte der Bühne steht ein kleiner Kasten -angeblich, wie man aus dem Programmheft erfährt – eine Nachbildung von Goethes Puppenspiel, das  er als Kind geschenkt bekam und das die Ursache für seine lebenslange Theaterleidenschaft gewesen sein soll. Ein Spielleiter in angedeuteter Goethe Maske stellt, passend zur gerade vorgetragenen Arie, ein oder zwei kleine Marionetten in das Puppentheater, erzählt die Handlung, erklärt die jeweilige Situation und unterhält das Publikum mit Anekdoten über Alexander, den Dresdner Hof, Hasse,  die Primadonna und versucht sich in Aktualisierungen. Das ist zweifellos gut gemeint, und das Publikum hat halt an den Anekdoten seinen Spass. Es ist auch eine hübsche Idee, im Goethe Theater dessen Puppenspiel auszustellen. Ja, wenn man doch nur, abgesehen von ein paar schüchternen Versuchen, mit den Puppen gespielt und diese so oft unsäglichen, banalen Bemerkungen des Erzählers ein wenig reduziert. hätte …“ Allein was tut’s“. Ich habe eine, wenn auch gekürzte, Oper von Hasse in einer herausragenden Interpretation gehört, eine Rarität, bei der man halt eine anspruchslose, ärgerliche Regie in Kauf nehmen muss.

Wir sahen die Aufführung am 14. Juni 2012.

In Charons Barke ins Reich der Nacht. Tristan und Isolde an der Oper Leipzig

In Charons Barke ins Reich der Nacht. Tristan und Isolde an der Oper Leipzig

In Leipzig hat  man in diesem Monat, im Januar 2011, für zwei Vorstellungen eine Tristan  Inszenierung von Willy Decker aus dem Jahre 1997  wieder aufgenommen. Eine Inszenierung, die mit ihrem Minimalismus und ihren Verweisen  auf den Neubayreuther Stil beeindruckt und fasziniert. Spielfläche ist eine rechteckige ‚Scheibe’. Einziges Requisit in allen drei Akten ist eine Barke, ein kleines Ruderboot, in dem Isolde ihre Meerfahrt erlebt, in dem sie Tristan den Todes/Liebestrank reicht, in dem das Paar die „Nacht der Liebe“ besingt, in dem  Tristan stirbt und in dem Isolde als ein neuer Charon die Ruder ergreift – zur Überfahrt in das „Reich der Nacht“, zur Toteninsel, in den Hades. Und diese Überfahrt geschieht in einem Dekor – große Stellwände  in verblichenen grau-schwarzen Tönen begrenzen die Seitenbühne – das latent auf Motive, auf den Stil eines Anselm Kiefer verweist, auf Vergeblichkeit und Vergänglichkeit, oder vielleicht auch den grau-düsteren Horizont von Böcklins Toteninsel suggerieren will. Die Symbolik, auf die die Regie setzt, drängt sich, wenngleich sie überdeutlich determiniert ist,  keineswegs unangenehm auf, wirkt zu keiner Zeit störend: die Meerfahrt als Lebensreise, als Liebesfahrt und Todesfahrt, das Wasser  als Fruchtbarkeitssymbol als „Element ewig luftiger Verschmelzung“(Novalis), das Boot als Barke des Charon, die Farbsymbolik: das rote Kleid der Isolde, der rote Anzug, den Tristan im zweiten und dritten Akt trägt, die im ersten Akt in lichtem Blau, im zweiten Akt in knalligem Grün gehaltenen Seitenwände, die die Spielfläche einengen. Tristan und Isolde als symbolistisches Theater, als Tragödie des Fatums und des Todes, als ‚Krankheit zum Tode’ –  mit verdeckten Hinweisen auf Pélleas und Mélisande?  Vielleicht war dies die Grundkonzeption einer durchweg brillanten und faszinierenden Inszenierung. Brillant und faszinierend wurde bei diesem Leipziger Tristan auch gesungen und musiziert. Mit welchem Piano, mit welch zurückgenommenen Tempi Maestro Kober und das Gewandhausorchester die berühmten und schon so viele Male gehörten Tristan Klänge zelebrierten, wie Stefan Vinke als Tristan und Jennifer Wilson ohne ein Spur von Ermüdung ihre großen Partien gestalteten – das war schon sehr beeindruckend. Wir sahen die Vorstellung am 15. Januar 2011. Die Premiere war laut Programmheft am 14. 06. 1997.

Geschichten aus dem Honecker-Land. Die Meistersinger von Nürnberg an der Oper Leipzig

Geschichten aus dem Honecker-Land. Die Meistersinger von Nürnberg an der Oper Leipzig

In Leipzig liebt man es, Wagner Opern auf verblichene DDR Folien zu projizieren. Den Rienzi erzählte man vor ein paar Jahren als Parabel vom Aufstieg und Fall eines Spitzenfunktionärs. Eine Regiekonzeption, die im Leipziger Opernhaus, das all der Restaurierungen und Umbauten der letzten Jahre zum Trotz den stalinistischen Zuckerbäcker Stil  der späten 50er Jahre nicht abstreifen kann, die Zugereisten geradezu frösteln ließ. Und jetzt „anlässlich des 50jährigen Jubiläums der Einweihung des neuen Opernhauses“ schreibt man die Meistersinger neu, erzählt sie als die Geschichte von der Endphase einer maroden und verknöcherten Gesellschaft und ihrer Neukonstituierung als oberflächliche Spaßgesellschaft. Und wie schon im Rienzi geht die Konzeption auch bei den Meistersingern auf und fasziniert geradezu mit ihrer Kohärenz und Konsequenz. Kein biederes Butzenscheiben Nürnberg, kein gotischer Kirchenraum, keine spätmittelalterlichen Zunftherren, keine Gesellen, keine Lehrlinge, keine züchtige Maid, kein edler Rittersmann, nichts von all dem historischen Plunder ist auf der Bühne zu sehen. Aus der Kirchenhalle ist ein schäbiger Versammlungsraum geworden, in dem der Bachchor der Stadt gerade Choräle probt und den in der nächsten Szene  eine Brigade Dienstpersonal in grauen Kitteln für eine Art Politbüro Sitzung herrichtet. Und als biedere, selbstzufriedene ältere Herren treten auch die Funktionäre auf (bei Wagner die Meistersinger). Hans Sachs ist eine Art Reformer inmitten des Systems, der die verkrusteten Strukturen und Denkweisen ein wenig aufbrechen will, ohne indes das System in Frage stellen zu wollen. Beckmesser ist der systemkonforme Intellektuelle, für den alles, was sich außerhalb des Systems tut, des Teufels ist. Und Stolzing ist der elegante und arrogante Westler, der den verknöcherten  Herren vom Politbüro das Neue vermitteln will und der mit seinem Stil und mit seiner Arroganz nur auf Unverständnis stößt.  Eva hat nichts von einer verhuschten Maid. Ganz im Gegenteil. Sie ist sich schon zur Ouvertüre mit dem Westler einig, wickelt den Sachs um den Finger und bringt ihn beinahe um den Verstand. Die jungen Damen im Honeckerland – das haben wir im Publikum ganz schnell begriffen – sind halt clevere emanzipierte Damen, auch wenn sie sich als Dorfschönheiten verkleiden. In diesem Milieu brauchen wir auch keinen Fliederbaum und keine Johannisnacht. Es genügt eine spießige Bar (vielleicht die Kantine des Opernhauses?) mit roten Lämpchen. Dass das Politbüromitglied Sachs in dieser Bar allerdings auch noch Schuhe reparieren muss, daran ist wohl der Librettist Wagner schuld.  Vielleicht haben den Querkopf die Genossen auch für eine Nacht in die Produktion geschickt. Wer will das schon wissen. Mit anderen Worten: im zweiten Akt hackt es ein bisschen. Da geht das Konzept von der maroden Honecker Gesellschaft  nicht so richtig auf. Dafür wirkt es dann im dritten Akt umso plausibler. Sachs und Stolzing hocken zum spießigen Frühstück in einem verfallenen Trümmergrundstück und basteln sich gemeinsam das Preislied zusammen. Der linientreue Funktionär Beckmesser, der in der Nacht zuvor in der Bar vom Brigadier David einen Schlag auf den Kopf bekommen hat, ist wohl noch nicht ganz bei Bewusstsein: er fuchtelt mit der Pistole herum und sieht sich im Wahn als von Eva zur Lust Verführter. Den Aufzug der Zünfte und der Meistersinger – die heikle Festwiesenszene –  erlebt Sachs als Albtraum und Wahnvorstellung: als Aufzug nazistischer Corps-Studenten und als Tanz der Kollektive der einstigen „Freien deutschen Jugend“ (Achtung: Verweis auf die Rezeptionsgeschichte). Aus Wahn und Albtraum weckt ihn die Festgesellschaft, die neue elegante Spaßgesellschaft, die den Star aus dem Westen feiert, den unbeholfenen einst linientreuen Intellektuellen Beckmesser auslacht und für die die  Rede des Hans Sachs auf die deutsche Kunst und die Meistersinger nur lästiges Geschwätz von gestern ist, das den Small Talk auf der Party stört. Kein Wunder, dass den armen Sachs da der Schlag trifft, dass ihn der Notarzt mit seinen Sanitätern schnell fortschafft und dass der Linientreue sich noch schnell mit dem nicht mehr gefragten Systemkritiker versöhnt. Beide sind sie halt hoffnungslose Fälle. Männer aus der Welt von gestern, für die die moderne Gesellschaft der Angepassten keinen Platz mehr hat.

Eine Neuerzählung der Meistersinger (Inszenierung Jochen Biganzoli), die – abgesehen von einigen Unstimmigkeiten im zweiten Akt  – überzeugt und fasziniert, die, ohne je aufdringlich zu sein oder gar in plakative Brechtmanier zu verfallen, ein bisschen „Vergangenheitsbewältigung“ betreibt und die doch immer in den Grenzen der Komödie bleibt. Sind sie doch  alle, die da auf der Bühne agieren, mag man auch dem Sachs einen Anflug von Tragik zubilligen, letztlich nur komische Gestalten: das blonde Funktionärstöchterchen im roten Kleid mit weißem Spitzenkragen, der Herr von Stolzing im weißen Aschenbach Anzug mit weißem Sonnenhut, der sich proletenhaft gebende Macho Sachs, die Meistersinger-Politbüro Ideologen, die sich so schnell der neuen Zeit anzupassen wissen.  Gesungen und musiziert wurde  auf hohem Niveau. (Aus München hatte man sich Wolfgang Brendel für die Rolle des Hans Sachs geholt. Doch auch seine von dorther angereisten Groupies konnten das nur schwach besuchte Haus nicht füllen). Vielleicht war die Wagner Droge, die aus dem Orchestergraben gereicht wurde, ein wenig schwach dosiert. „Allein, was tut’s“. Wir müssen ja nicht immer gleich ‚berauscht’ nach Hause ziehen. Wir sahen die Vorstellung am 11. Dezember 2010. Die Premiere war am 9. Oktober 2010.