Nun schwatzen und schreiben sie wieder bis zum Überdruss, die Feuilleton – Redakteure, die Dramaturgen, die Musikprofessoren, die Wagner Auguren und erzählen uns, dass es ohne Die Feen keinen Lohengrin gäbe, dass noch kein Genie vom Himmel gefallen sei, dass bei den Feen Mendelssohn, Weber, und manche andere zitiert und variiert würden, dass Wagners Obsessionsthema der Erlösung und auch das Motiv des Frageverbots hier schon erschienen. Und auch das Ambiente des Mittelalters sei schon da – mit seinen Damen und Rittern, seinen Waffen- und Liebeshändeln (die Italianistin erinnert sich an die Eingangsverse des Orlando Furioso). All dies ist offensichtlich.
All dies hat man in Leipzig hübsch und konventionell mit großem Aufwand an Kostümen, Dekor und Bühnenmaschinerie in Szene gesetzt, manche Bildzitate hinzugefügt und das ganze frei nach E. T. H. Hoffmann ironisch gebrochen und einen philiströsen Rahmen dazu erfunden: ein Opernfan hört in seinem Salon die Übertragung der Feen aus der Oper Leipzig, liest das Libretto mit und imaginiert sich in die Rolle des Ehegespons der Prinzessin aus dem Feenreich hinein, erfährt all die Prüfungen und Leiden, die dem Königssohn auferlegt werden und erlöst als neuer Prinz Tamino mit der Macht des Gesangs die Prinzessin, wird Feenkönig – und findet sich im Finale mit der Gattin auf der Couch wieder, mit der Gattin, die gerade aus dem Fitness-Studio zurückkommt – Philisters Märchentraum ist zu Ende – und die Oper ebenso.
Das wird alles, wie schon gesagt, in einem schönen Bilderbogen und in prachtvollen Kostümen in Szene gesetzt. Einzelheiten konnte ich nicht erkennen, da ich weit weg von der Bühne im Rang in der letzten Reihe meinen Platz hatte. Keine Frage, dass entsprechend dem Niveau des Hauses durchweg brillant gesungen und musiziert wurde. Doch, so fragt man sich schon in der Pause, hat sich der ganze Aufwand wirklich gelohnt? Muss man ein Werk, dass schon der junge Wagner in sein Archiv gesteckt und vielleicht auch dort versteckt hatte, unbedingt hervorholen, mag es auch ein Wagner in Urform sein? Ich habe da meine Zweifel. Doch warum soll man nicht wie weiland die Salzburger beim Mozart Jubiläum auch beim Wagner Festival alles auf die Bühne bringen, was der Meister je geschaffen hat. So kommt das Publikum in den Genuss von Raritäten. Mag der Genuss auch manchmal ein wenig schal sein.
Wer bei den Feen noch skeptisch war, der ist zwei Tage später beim konzertanten Fliegenden Holländer begeistert: ein Gewandhausorchester das trotz der Anstrengungen der Wagner Woche in Topform ist, höchst brillante Sänger, die nicht hinter dem Pult stehen, sondern halbszenisch singen und agieren und die uns Zuhörer und Zuschauer ganz aus unserer eigenen Imagination heraus Theater erleben lassen- angeregt nur von Turner Bildern, die auf den Bühnenhintergrund projiziert werden. Wagner für ein produktives Publikum.
Wenn ich an so manchen Plunder, an so manche Trash Inszenierung denke, die wir im Laufe der letzten Jahre gesehen habe, dann wünsche ich mir mehr von diesen „szenischen Konzerten“ auf dem Niveau, wie wir es in Leipzig erlebt haben. Wagner Aufführungen nicht mit dem „unsichtbaren Orchester“, sondern mit der unsichtbaren Inszenierung.
Wir sahen die Vorstellungen am 24.und 26.Mai 2013