Die Rocky Horror Picture Show nebst der Mär vom weiblichen Begehren. Don Giovanni an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf

Theatermacherin Karoline Gruber hält es in ihren Inszenierungen gern mit der Populärkultur und der Jugendkultur und setzt bei ihrem Publikum – auch beim etwas betagteren  – das Wissen um diese voraus. So präsentierte sie zum Beispiel vor ein paar Jahren in Hamburg und in  Köln einen Giulio Cesare  in einer Art Westside Story Ambiente, in dem sich Gothics, Rocker, Punker, Tunten und Militaries gegenseitig belauerten  und bekämpften. Mittendrin waren die beiden Zicken Kleopatra und Cornelia, die beide mitmischen wollten. Ein unterhaltsamer Abend, der, wenn ich mich recht erinnere, beim Kölner Publikum jedoch  eher auf Unverständnis stieß.  Jetzt in Düsseldorf sind wir bei der Rocky Horror Picture Show. Wer diesen ‚Kultfilm‘ oder Musicals wie den Tanz der Vampire nicht kennt, der Arme ist halt übel dran und kann mit der Inszenierung wenig anfangen – wie das ältere Paar neben mir, das seinen Don Giovanni nicht wieder zu erkennen vermochte. Die Fans der Populärkultur  haben dafür im Düsseldorfer Don Giovanni ihren Spaß,… → weiterlesen

„Agamemnon, Agamemnon…“ Elektra im Totenhaus. Linda Watson triumphiert an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf

 

Die angeblich so wilde Strauss Musik – wir haben sie schon so viele Male gehört – klingt uns heute fast vertraut und fasziniert doch noch immer.  Dass  bei dieser Gelegenheit die Düsseldorfer  Symphoniker unter Maestro Axel Kober ihrem Publikum  geradezu ein Fest der Klänge bieten, das war zu erwarten und versteht sich eigentlich von selber.  Auch für Regie und Ausstattung bürgen  in Düsseldorf berühmte Namen wie Christof Nel und Roland  Aeschlimann. Die Szene: ein ganz in schwarz gehaltenes Totenhaus, aus dem schwarz gekleidete  Untote grinsend ihre Köpfe herausstecken – frei nach Schiller: in den öden Fensterhöhlen wohnt das Grauen. Schwarz gekleidete Mägde versuchen vergeblich den Schmutz (der Erschlagenen?) fort zu wischen. (Ein versteckter Verweis auf die erste Szene in Maeterlincks Pelléas et Mélisande?) Die eiskalte Aufseherin hat den Charme einer Stasi Funktionärin. Klytämnestra im langen blauen Überwurf spielt ihre Neurosen bis zum Exzess aus, und Chrysothemis, die kleine Schwester im weißen Kleid (der Unschuld?), will von all den Geschichten von Mord und Rache nichts mehr wissen und wünscht sich halt ein „Weiberschicksal“. Ein Familiendrama, scheinbar aus archaischer Zeit, verlegt ins Totenreich, in dem die Figuren sich und den anderen die Hölle bereiten. (Vielleicht eine Referenz  auf Sartres Huis clos?)… → weiterlesen

Nachtmären? Obsessionen? Phantastereien? Inzestträume? Schwarze Romantik? The Turn of the Screw an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf

Dieses Mal bin ich vollständig naiv, praktisch ohne Vorwissen in die Oper gegangen. The Turn of the Screw hatte ich zuvor weder auf der Bühne gesehen noch auf Tonträgern gehört, die berühmte Erzählung von Henry James, auf der das Libretto beruht, hatte ich noch nicht gelesen. Keine Vorkenntnisse, keine Vorurteile,  nur vage Erinnerung an den kammermusikalischen Stil Benjamin Brittens: der klassische naive Opernbesucher, gespannt und neugierig auf das, was da wohl heute Abend geboten wird.  Und was da in der Düsseldorfer Oper an diesem Abend geboten wurde, das war höchst beeindruckend.… → weiterlesen

Ein Sommernachmittagstraum. Così fan tutte an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf

Keine ‚Lektion für junge Liebende’, keine Verkleidungsposse, keine lautderbe und dann wieder ängstliche Türkenposse, kein proletenhaftes Machogehabe als Mittel der Verführung, keine Parodie auf die Liebesdiskurse und erotischen Mechanismen, die sich in der Literatur des 18. Jahrhunderts so häufig finden. Nichts von alle dem ist in der Düsseldorfer Così fan tutte zu sehen. In Düsseldorf hat sich Nicolas Brieger für ein minimalistisches Kammerspiel entschieden, das – abgesehen von ein paar albernen Mätzchen am Anfang –   auf  die Personenregie setzt. Alles dramatische Geschehen erwächst aus Spiel und Gesang, aus dem Miteinander-Spielen der Akteure. In dieser Konstellation und in ihrem Minimalismus erinnert die Inszenierung ein wenig an Loys Frankfurter Così fan tutte. Und doch ist sie im Ansatz ganz anders. … → weiterlesen

Ein sanfter Rossini mit unsichtbarem Orchester im Reich der Insekten. Il Barbiere di Siviglia an der Deutschen Oper am Rhein

 

Im Düsseldorfer Opernhaus hat man die Sommerpause genutzt, um den Orchestergraben zu vertiefen und zu erweitern. Wagner und Strauss lassen sich nun mit großem Orchester spielen. Kein Zweifel, dass auch die Akustik in dem in die Jahre gekommenen altehrwürdigen Haus verbessert worden ist. Allerdings mit einem für eine Dilettantin wie mich recht seltsamen Effekt. In den ersten Reihen des Parketts (mein Platz war „Orchestersessel Reihe zwei“) beschert einem die Neugestaltung des Grabens Wagners Traum vom unsichtbaren Orchester. Unsichtbare Musiker, die einen gedämpften Klang hervorzaubern, keinen Klangteppich, sondern eine Musik der differenzierenden Solostimmen. Ein faszinierender Rossini, ganz ohne das übliche Geschepper, das man anderenorts schon mal zu hören bekommt.

Und die Inszenierung, die Claus Guth schon vor ein paar Jahren (wenn ich mich recht erinnere in Basel und in Leipzig) herausgebracht hatte und die jetzt in Düsseldorf von Nina Kühner neu einstudiert  wurde?… → weiterlesen

Szenen aus einem Inferno: Benjamin Britten, Peter Grimes an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf

Ich weiß nicht. Ich bin nicht unbedingt ein Britten Fan. In meiner Naivität dachte ich früher immer, das sei doch alles nur Filmmusik, Soundtrack für Schwulendramen. Doch wenn man so grandiose Britten Aufführungen wie vor ein paar Monaten in Hamburg  Death in Venice  oder jetzt in Düsseldorf Peter  Grimes  gesehen und gehört hat, dann wird man unweigerlich zum Britten Enthusiasten. Die Geschichte vom Fischer Grimes, einem Einzelgänger und Ausgestoßenem, der durch Zufall (oder vielleicht auch wegen seiner pädophilen Neigungen) gleich zweimal einen Lehrbuben verliert und den seine Mitbürger, eine Gesellschaft von Irren, Narren, Trunkenbolden und geilen Böcken in den Tod treibt, wird in Düsseldorf als Albtraum und zugleich als Bilderfolge aus einer Welt, die zur Hölle geworden ist, in Szene gesetzt. In mattem Dämmerlicht, auf Booten, die kieloben liegen, agiert eine enthemmte Masse, vor der der Einzelgänger nur aufs Meer, d.h. in den Selbstmord fliehen kann. Und schon – so im bedrückenden Finale – sucht sich der Mob ein neues Opfer, schließt den Kreis um die Lehrerin, die als einzige zu Peter Grimes gehalten hatte. „Wer sich von uns absondert und seinen Stolz hat, wer uns verachtet, den zerstören wir! Grausamkeit wird zum Geschäft!“ – so zitiert zu Recht  das Programmheft eine Chorszene, eine Schlüsselszene aus dem dritten Akt. Eine überwältigende Inszenierung, deren Magie sich der Zuschauer kaum entziehen kann, ein grandios singender und spielender Chor, ein Ensemble von durchweg herausragenden Sängerschauspielern, allen voran Roberto Saccà in der Titelrolle. Und aus dem Orchestergraben klingt ein betörender Britten. Mag die Musik auch, wie die Musikhistoriker wissen und uns glauben machen, ein Konglomerat aus den unterschiedlichsten Stilen sein, frei nach dem Motto: Musik produziert Musik, so fasziniert sie doch und dies nicht zuletzt dann, wenn sie so vollendet dargeboten wird, wie jetzt in Düsseldorf. Die Deutsche Oper am Rhein, die vielleicht in den letzten Jahren etwas behäbig geworden war, ist unter ihrer neuen Leitung dabei, in den Kreis der führenden deutschen Musiktheater zurückzukehren. Wie schade, dass bei einer solch grandiosen Aufführung das Haus bei weitem nicht ausverkauft war. – Wir sahen die Vorstellung am 17. Oktober. Die Premiere war am 18. September 2009.