Tannhäusers kleiner Bruder bei der Venus aus Arabien und den Talmud- Schülern. Das Theater Freiburg gräbt Goldmarks Die Königin von Saba wieder aus

Zunächst das Positive. Wider alle Erwartung singt und spielt in Freiburg ein exzellentes Ensemble, sind alle Rollen angemessen besetzt, ist es ein Vergnügen, diesem Ensemble zuzuhören und zuzusehen.

Und das weniger Vergnügliche. „Heut‘ hast du’s erlebt“ – was unsäglicher Kitsch ist und wie Wagners kleiner Bruder Karl Goldmark mit Himbeersirup berauscht. Kitsch in dem Sinne: von allem zu viel. Zu süß die Musik, zu süß der Gesang, zu rührend das Geschehen, zu einfältig, zu bedürftig nach Erlösung vom dunklen Triebe der dem Weib, dem „wild wütenden Weib“, verfallene Jungmann, zu opferwillig die lammfromme Jungfrau, zu bieder die femme fatale: ein Glitzerkleid, ein Schlitz im Kleid, ein bißchen laszives Rekeln, und schon verliert Papa Salomons Lieblingssohn Braut, Verstand, Karriere, Leben. “ Omnia mala ex mulieribus“ – so meinte schon der heilige Hieronymus.… → weiterlesen

Die Mär vom Leiden und Sterben am katholischen Fundamentalismus. Ein Fiebertraum in der Kapelle. Tannhäuser am Theater Freiburg

In Freiburg beginnt man gleich zur Ouvertüre spektakulär. Ein riesiger Papst Popanz verweigert mit permanent Nein sagender Kopfbewegung einem sich am Boden einer Kapelle wälzenden Tannhäuser jegliche Vergebung. Als zusätzliche Strafe erlebt der Unglückliche daraufhin in einer Art Fiebertraum rückblickend noch einmal seine Geschichte: in der Kapelle feiern zum Gottesdienst versammelte Männlein und Weiblein in knielangen weißen Hemden, die an Chor- oder auch an OP-Hemden erinnern, eine Art schwarze Messe, binden eine weibliche Figur ans Kreuz und lassen diese gen Himmel auffahren. Ja, warum nicht. Die Kapelle ein Venusberg. Der Venusberg eine Kapelle. Eine radikale und plakative  Umsetzung des Kontrasts von Christlichem und Paganem, wie sie Musik und Libretto bestimmen. Diese hybride Struktur der „romantischen Oper“ plakativ in Szene setzen zu wollen, erweist sich im Laufe der Aufführung immer eindeutiger als die Grundkonzeption der Inszenierung, für die Eva-Maria Höckmayr verantwortlich zeichnet.… → weiterlesen

Und Garibaldi schwenkt die Fahne über Bergen von Leichen. I Vespri Siciliani an der Oper Freiburg

Eine nahe liegende und auch eine überzeugende Konzeption,  das krude Geschehen aus dem späten 13. Jahrhundert in die Entstehungszeit der Oper, konkret: in die Zeit des Risorgimento zu verlegen. Entsprechend kämpfen jetzt die Fanatiker und Fundamentalisten nicht mehr gegen eine französische Besatzungsmacht, sondern gegen die Bourbonen, die sich dem italienischen Nationalstaat widersetzen. Ein Stück über den zeitlosen Fundamentalismus, dem  Leichen, zerstörte Liebes- und Familienbeziehungen gleichgültig sind. 

Aufgepfropft werden diesem  politischen Unterbau die üblichen Verdi-Konflikte. So sind denn auf der Bühne  wieder einmal die üblichen Verdächtigen beisammen. Die schöne Sopranistin im Kampf zwischen Pflicht und Neigung, der Tenor, der zwischen allen Stühlen sitzt, der Bariton, der es eigentlich mit allen gut meint, der fanatische Bass, der es eigentlich mit allen bös meint. Ja, und am Ende sind sie alle tot, und der Böse – und mit ihm das Vaterland –  triumphieren. Schwer erträgliches, krudes Zeug, das die Musik nur mühsam ’sublimiert‘.

Ich hatte die Sizilianische Vesper noch nie gehört, geschweige denn auf der Bühne gesehen. Ob diese Oper ein großer Verdi ist, das kann ich nicht beurteilen. Sicherlich  finden sich dort eine ganze Reihe eingängiger Arien, Duette und Chorszenen, und ein Verdi Publikum wird sicherlich seine Freude daran haben. Mir hat es nicht sonderlich gefallen. Vielleicht lag es auch daran, dass wir zu weit vorne saßen und deswegen das starke Forcieren, zu dem Tenor und Sopranistin neigten, etwas unangenehm fanden. Vielleicht  zielte die musikalische Interpretation ja auch auf ein starkes Herausstellen der Singstimmen zu Lasten des Orchesters. Ich weiß es nicht.

Wie dem auch sei. In Freiburg ist ein respektabler Verdi zu hören und zu sehen. Wir sahen die Vorstellung am 25. Dezember. Die Premiere war am 2. November 2013.

Mission impossible oder Erlösung sinnlos und nicht erwünscht. Parsifal an der Oper Freiburg

Die Freiburger Oper, die mir im Laufe der letzten Jahre so manch herbe Enttäuschung bereitet hat, ist immer für eine Überraschung gut – und dieses Mal im positiven Sinne. Zum Wagner-Jahr gelingt ihr ein höchst respektabler, beeindruckender Parsifal. Und das gilt in gleicher Weise für Musik und Szene. In Freiburg stehen nicht die teuren  Stars auf der Bühne, die immer gleichen Namen, auf die man in den großen Häusern trifft. Und trotzdem sind alle Rollen glänzend besetzt, wird unter der Leitung von Maestro Fabrice Bollon Wagner auf einem Niveau zelebriert, wie man es von einem mittelgroßen Haus nicht erwartet hätte. Zu Recht feierte nach einem langen Abend ein aufgeschlossenes Publikum alle Mitwirkenden.

 Am so sehr gelungenen Parsifal hat auch die Regie ihren Anteil. Regisseur Frank Hilbrich will von einem „Bühnenweihfestspiel“ nebst obligatorischem Heilsbringer, Erlösungstheater, liturgischem Geländespiel und lieto fine  nichts wissen. Die christlichen, buddhistischen, keltischen, präfreudianischen Mythenfragmente, Wagners Spielmaterialien, all dies ist ihm abgestandener Mythensalat, den er mit ‚ Mythen des Alltags‘ aufmischt. … → weiterlesen

„Circe, kannst Du mich hören?“ – Nein, ich will Euch alle nicht mehr hören. Ariadne auf Naxos im Theater Freiburg.

„Heut – hast du’s erlebt“ – wie man Strauss in Grund und Boden verhunzen kann, wie die Regie lieber das Phantom der Oper oder Rake’s Progress inszeniert hätte und mit der Ariadne nichts anzufangen wusste, wie junge Sänger und Sängerinnen trotz all der Mühe, die sie sich gaben, in ihren Rollen heillos überfordert waren, mit einem Wort: wie man in der Oper Freiburg Ariadne lieblos erledigt hat. Nein, ich habe nichts gegen die Oper Freiburg, wo ich in den letzten Jahren so manche gelungene Aufführung gesehen habe. Ich bin auch nicht so böse und verärgert wie die Dame, die neben mir saß und die die ganze Mannschaft zurück auf die Musikhochschule schicken wollte. Ich weiß, dass man in einem kleinen Haus nicht den Standard einer großen Bühne erwarten kann. Nur sollte auch in einem kleinen oder mittleren Haus wie in Freiburg ein gewisses Niveau nicht unterschritten und Peinlichkeiten vermieden werden. Nach dieser Freiburger Ariadne bin ich noch nicht einmal sonderlich verärgert, eher traurig und deprimiert. Mein Gott, sie können es halt nicht besser. Ein Glück nur, dass ich nicht so depressiv wie Ariadne bin, die die Regie in die Psychiatrie, vulgo ins Irrenhaus gesteckt hat. „Allein, was tut’s“. Das Freiburger Publikum ist begeistert (oder spielt begeistert). Ich flüchte frustriert zu Oberkirch. Gutedel und Munsterkäse sind immer gut. Freiburg ist (meist) eine Reise wert. Man sollte halt nicht Kulinarisches in der Oper suchen.

Wir sahen die Aufführung am 29. November. Die Premiere war am 24. November 2012.

Rinaldo und die Blitzmädel. Eine Händel Oper in Kurzfassung am Theater Freiburg

Das Musiktheater in  Freiburg  im Breisgau ist ein seltsames Haus. Ein Haus, das immer für Überraschungen gut ist – im positiven wie im negativen Sinne. Dort produziert man mit den Möglichkeiten eines mittleren Hauses einen recht respektablen Ring des Nibelungen oder auch einen durchaus gelungenen Lohengrin oder auch  eine faszinierende Lucia di Lammermoor. Dort präsentiert man eine dürftige Salome oder auch einen peinlichen Lucio Silla.  Das Freiburger Publikum nimmt das alles geduldig hin.  Die Zugereisten sind irritiert: mal erfreut, mal verärgert. Und jetzt beim Rinaldo?  Da sind sie wieder einmal verärgert.… → weiterlesen