Kein Bühnenzauber, sondern Zauber der Stimmen und der Musik. Rinaldo konzertant und Orlando szenisch am Theater a der Wien

Ein Fest der Stimmen sind diese beiden Händel Opern alle Male. Wenn man Rinaldo, die opera seria, die man schon so viele Male , sei es in München in der David Alden Inszenierung, sei es kürzlich in Frankfurt als eine Art Comédie Ballet, gesehen hat, wenn man wie jetzt in Wien Rinaldo nur hört, dann fasziniert dieses Fest der Stimmen umso mehr. Es sind nicht nur die so bekannten Schlager oder Ohrwürmer: „Cara sposa, amante cara, dove sei?“, „Augelletti, che cantate“, „ Lascia ch‘io pianga mia cruda sorte“, auf die man geradezu gespannt wartet.  Noch so manche andere Arie wie zum Beispiel Rinaldos Wettstreit mit den Trompeten  „Or  la tromba in suon festante“ begeistern das Publikum  und geben Sängerinnen und Sängern Gelegenheit, mit ihren „geläufigen Gurgeln“ zu brillieren. Und wenn dann zu Almirenas  „Augelletti, che cantate“ die Blockflöten von den Rängen herab ‚zwitschern‘ und  gleich fünf Trompeten mit dem Counter wetteifern oder wenn der Cembalist in Nachahmung Händels eine große Soloszene hat, ja dann ertappt man sich bei dem Gedanken, ob nicht doch konzertant live für manche Oper die angemessene Aufführungspraxis wäre. Doch wenn man sich an den Münchner Händel Zyklus  erinnert oder an den Orlando denkt, wie ihn Claus Guth jetzt in Wien in Szene gesetzt hat, dann verwirft man diesen ketzerischen Gedanken gleich wieder und glaubt von neuem an die Macht des Musiktheaters.… → weiterlesen

Und Armidas Zauber währt ewig. Händel, Rinaldo an der Oper Frankfurt

Sagen wir es gleich ohne alle Umschweife: im Frankfurter Rinaldo wird in allen Rollen so phantastisch schön gesungen, wird unter der Leitung von Simone Di Felice so brillant musiziert, dass es eine Lust ist zu zuhören. Der „neue Stern am Himmel der Countertenöre“, Jakub Józef Orlínski, ist von Stimme, Spiel und Bühnenerscheinung her ein Rinaldo, wie man ihn sich besser kaum vorstellen kann. Vielleicht, so denkt man, haben die Stimmen der Starsänger des 18. Jahrhunderts, die ihr damaliges Publikum verzückten, so geklungen. Vielleicht hatten sie auf die Zuhörerinnen und Zuhörer jener Zeit eine ähnliche Wirkung wie heute die (sollen wir sagen ‚glockenreine und ‚verführerische‘) Stimme, mit der Orlínski sein Publikum ‚verzaubert‘. Kein Huster wagte zu stören. Selbst die schwatzhafte Dame in der Reihe hinter uns wagte keinen Muckser Erst in der Pause schwärmte sie vom „Schmelz der Stimme“. Von der ach so melancholischen Arie „Cara sposa, amante cara“ sind selbst die Unbedarftesten hingerissen.… → weiterlesen

Rinaldo und die Blitzmädel. Eine Händel Oper in Kurzfassung am Theater Freiburg

Das Musiktheater in  Freiburg  im Breisgau ist ein seltsames Haus. Ein Haus, das immer für Überraschungen gut ist – im positiven wie im negativen Sinne. Dort produziert man mit den Möglichkeiten eines mittleren Hauses einen recht respektablen Ring des Nibelungen oder auch einen durchaus gelungenen Lohengrin oder auch  eine faszinierende Lucia di Lammermoor. Dort präsentiert man eine dürftige Salome oder auch einen peinlichen Lucio Silla.  Das Freiburger Publikum nimmt das alles geduldig hin.  Die Zugereisten sind irritiert: mal erfreut, mal verärgert. Und jetzt beim Rinaldo?  Da sind sie wieder einmal verärgert.… → weiterlesen

Was aber bleibet, stiftet die Primadonna. Ansonsten: Regiesalat genießbar bis ungenießbar. Rinaldo an der Oper Köln

Was aber bleibet, stiftet die Primadonna. Ansonsten: Regiesalat genießbar bis ungenießbar. Rinaldo an der Oper Köln

Händels einstens so erfolgreiche frühe Londoner Oper habe ich in München in David Aldens herausragender Inszenierung, damals als die Bayrische Staatsoper unter der Intendanz von Peter Jonas  Händel wiederentdeckte, mehrere Male gesehen. Eine Inszenierung, die mit Film- und Revueklischees spielte, den barocken Opernstil geistvoll zu parodieren wusste und die trotz aller Spielereien auch Ernsthaftigkeit wie die Verstörungen, die die ‚christlichen’ Protagonisten in ihrer Begegnung mit der Zauberwelt der Armida erleiden, in Szene zu setzen verstand. Es wäre unfair, die Maßstäbe, die Alden und mit ihm Maestro Ivor Bolton  in München gesetzt haben, einfach auf die Kölner Oper zu übertragen. Doch ganz so provinziell, ganz so langweilig und so emsig bemüht, wie das in Köln geschieht, sollte man Händel vielleicht nicht aufführen. Zwar steht mit Alessandro De Marchi  ein berühmter Spezialist für Musik des 18. Jahrhunderts, den ich schon in Innsbruck und Wien schätzen gelernt habe, am Pult. Trotz alle dem. Ich weiß nicht. Mir schien, dass an diesem Abend im Kölner Opernhaus weder ein besonders melancholischer noch ein besonders spielerischer oder gar witziger Händel erklangen. „Sinnlich“, wie der Maestro im Programmheft verkündete, war sein Händel bestimmt nicht – eher einschläfernd. Zwiespältig war auch, was sich auf der Szene so tat. Zwar legt sich Simone Kermes in der Rolle der Armida wie gewohnt als Sängerin und Darstellerin mächtig ins Zeug. Wie immer beeindruckt sie mit ihren bravourösen Koloraturen und ihrer umwerfenden Bühnenpräsens und  ließ den schmächtigen Rinaldo trotz seines Nato Kampfanzuges recht blass und unscheinbar aussehen. Auch der kraftvolle arabische Liebhaber Argante machte neben der so dominanten Armida eine eher traurige Figur. Die Auftritte der Armida sind in der ansonsten so faden Aufführung die einsamen Höhepunkte. Der Eindruck der Fadheit und der Langeweile ist  nicht zuletzt der Regie anzulasten, die nie so recht wusste, was sie denn eigentlich wollte. Casablanca Zitate zu Beginn, Kölner Karneval alla Cäcilia Wolkenburg zwischendurch, orientalisches Märchen mit Metatheatereinlagen, Military Satire, Fantasy Klischees und zu guter Letzt als Kontrastprogramm zum gattungsspezifischen lieto fine aufdringlich drastische Verweise auf CIA Praktiken im Irak. Nichts von den psychischen Verstörungen, die Almirena und Rinaldo in ihrer Begegnung mit Armida erfahren. Kaum etwas von der Ambivalenz der Armida Figur. Dafür als Continuo die abgestandene Soße vom ‚Clash der Kulturen’ und vom ‚edlen Orientalen’ und vom ‚bösen Westler’. Das muss doch nicht sein. Wie ‚sofisticated’ und zugleich unterhaltsam Händel zu inszenieren ist, das weiß man in München, in Zürich, am Theater an der Wien und in Karlsruhe. Köln spielt wohl nicht mehr in der ersten Opernliga. Schade drum. Wir sahen die Vorstellung am 11. Mai. Die Premiere war am 30. April 2011.