Peter Konwitschny inszeniert Cherubini, Médée an der Oper Stuttgart

Szenen einer Ehe mit Sex, Klamauk, sechs Leichen und klassischem Soundtrack.

Ein Gemeinplatz ist es inzwischen, dass der Mythos nur in seinen Varianten lebt, dass er sich immer wieder neu erzählen lässt, dass man ihn historisieren, aktualisieren, dekonstruieren, parodieren, banalisieren, auf den Kopf stellen und ihn sogar klassisch ernsthaft und tragisch neu erzählen kann und dass nicht zuletzt mythische Figuren als Archetypen fungieren können.

Keine Frage, dass ein so routinierter, intelligenter und feinsinniger Theatermacher wie Konwitschny mit den Materialien des Mythos zu spielen weiß. Und im Fall der Medea kommt noch hinzu, dass diese mit zu den sogenannten ‚starken Frauen‘ wie Alkestis, Kundry, Violetta, Tatjana gehört, die es Konwitschny angetan haben und die er allesamt schon so originell in Szene gesetzt hat.

So sind, so scheint es zumindest, alle Voraussetzungen für einen großen Theaterabend in Stuttgart gegeben. Und doch erfüllt die Inszenierung nicht so ganz die hoch gestellten Erwartungen. Das mag an der uneinheitlichen Grundkonzeption liegen, für die sich die Regie entschieden hat. Man beginnt mit Klamauk und Operettenseligkeit, mogelt sich behäbig durch ‚Szenen einer Ehe‘ und landet schließlich in einem blutrünstigen Krimi mit finalem Shoot Down… → weiterlesen

Operette mit Leichen oder Tragédie lyrique mit Operetten Intermezzi? Marc-Antoine Charpentier, Médée an der Oper Zürich

Das Feuilleton jubelt, feiert enthusiastisch William Christie, den Dirigenten und Musikhistoriker, den großen Kenner und Förderer der französischen Musik des 17. Jahrhunderts, der Charpentiers einzige Oper, seine Médée vom Jahre 1693, wieder für die Bühne entdeckt hat, bringt William Christie zu Recht Standing Ovations dar und wirft Andreas Homoki, der die Inszenierung verantwortet, ein paar verärgerte Buhs hinter her – und das wohl zu Recht.

Die Musik Charpentiers ist uns – oder sagen wir besser: ist mir fremd. In der klassischen französischen tragédie lyrique – so belehren uns die Musikhistoriker – käme, so habe es Lully durchgesetzt, dem Text gegenüber der Musik  Vorrang zu. Erst im 18. Jahrhundert bei Rameau habe sich das Verhältnis von Musik und Text umgekehrt. Charpentier stünde genau in der Mitte zwischen den beiden Extremen. Bei seiner Médée haben wir es „wahrscheinlich mit der perfektesten Synthese von Text und Musik dieses Zeitalters zu tun“ – so William Christie im Programmheft der Zürcher Oper auf Seite 30.… → weiterlesen