Elias – Aufstieg, Fall und Verklärung eines Fundamentalisten. Calixto Bieito inszeniert im Theater an der Wien Mendelssohn Bartholdy

Sagen wir es gleich. Hier wird keine fromme Geschichte aus dem Alten Testament erzählt – mag die Musik auch ( manchmal)  fromm, süß, romantisch klingen. Hier geht es um einen charismatischen Anführer, um Massenhysterie und religiösen Wahn in der Welt von Heute und nicht zuletzt um den Streit zwischen sich einander ausschließenden Ideologien.

Ganz im Sinne dieser Konzeption kann Ort des Geschehes kein imaginäres Israel des Alten Testaments sein. Schauplatz des Geschehens ist ein mit beweglichen Stahlgittern nach oben, nach hinten und zur Seite hin abgeschlossener Raum, ein Gefängnis, in dem eine sich hysterisch gebende Masse herum rennt , am Boden liegt, den Anführer je nach dramatischer Situation  feiert, bedrängt, ihn erschlagen will, seine Himmelfahrt oder auch seinen Feuertod vorbereitet. Der Anführer, Prophet, Guru, Wundertäter, Regenmacher, Arzt, Objekt der Begierde ist, so wie ihn die Regie konzipiert und wie ihn Christian Gerhaher  gestaltet, zugleich anziehend und abstoßend. Ein gefährliicher Fanatiker, der, als er sieht, wie sein Projekt, sein Versuch, die von ihm vertretene Ideologie als die allein selig machende durchzusetzen, scheitert, sich in den Selbstmord flüchtet und von seinen Anhängern zum Heiligen verklärt wird.… → weiterlesen

„Die alten bösen Lieder“ oder „Ertrinken, Versinken“ im romantischen Weltschmerz. Ein Liederabend mit Christian Gerhaher und Gerold Huber in der Bayrischen Staatsoper

Da muss man schon eine große Fangemeinde haben, wenn man ein Haus wie das Münchner Nationaltheater mit einem Schumann Liederabend füllen kann und  sein Publikum zur Melancholie zu verführen vermag. Mit der Dichterliebe, mit sechzehn Liedern auf Texte von Heinrich Heine, ist dies Gerhaher und Huber wohl auch gelungen. Kein Huster, kein Rascheln der Programmhefte störten die durchweg im Piano vorgetragenen Lieder. Interpretationen, die ganz auf Trauer, Weltschmerz und Melancholie setzten, jeglichen Anflug von Ironie und Spott, jegliche Abrechnung mit ‚süßer‘ Romantik, die doch gerade Heine ausmachen, vermieden und die die Gefahr der Eintönigkeit und Langeweile bewusst in Kauf nahmen.

Nach der Pause, als es mit den Justus Kerner Liedern  im selben Stil weiter ging, da war dann auch die Luft heraus. Da wurde es so manchem im Publikum zu viel, da  hüsteltet so mancher, da blätterte so mancher geräuschvoll in den Texten, da waren nicht mehr alle Plätze besetzt.

Natürlich ist das Duo Gerhaher /Huber ein brillantes Künstlerpaar. Natürlich wurde ein Liederabend auf hohem Niveau geboten. Natürlich hat man als Publikum nichts gegen einen romantischen Abend. Doch ein bisschen Abwechslung hätte man sich schon gewünscht. Da reicht es nicht, an die dreißig Schumann Lieder mit sechs Debussy Liedern  zu garnieren, drei davon auf schon beim Lesen schwer verständliche Mallarmé Gedichte.

Verhalten und schön, traurig und sehnsuchtsvoll – so klang es den ganzen Abend. „Zu viel! Zu viel“. „Wolfram, bist du, der wohlgeübte Sänger“.

Wir besuchten den Liederabend am 23. Juli 2018.

Sprechgesang und Biedermeierkostüme. Heinz Holliger, Lunea. Lenau – Szenen in 23 Lebensblättern. Eine Uraufführung an der Oper Zürich

Nach dem Parsifal, einer Koproduktion mit dem Liceu in Barcelona, die wir dort vor wohl sieben Jahren schon gesehen und kommentiert hatten und jetzt noch einmal als Wiederaufnahme in Zürich erlebt haben, sollte man nicht unbedingt am Abend darauf zu einer Uraufführung zeitgenössischer Musik gehen. Man neigt dann  „unbewußt“ dazu, den Komponisten und seinen Librettisten gegen den Großmeister des Musiktheaters auszuspielen und ihnen damit Unrecht zu tun.

Holliger verzichtet, wenn ich das als Nichtmusiker richtig gehört habe, auf alle Melodienbögen, auf alles Aufbrausen des Orchesters, auf alle scharfen Dissonanzen. Statt dessen setzt er auf einen Kammermusik – Stil, auf einen eher zurückhaltend begleiteten Sprechgesang und auf ein Verklingen, das nicht Kommunikatives ‚untermalen‘, sondern eher Traumvisionen und Stimmungen einfangen will. Dass es dabei manchmal etwas einschläfernd zugehen kann – der Herr in der Reihe hinter mir war schon nach einer halben Stunde in schnarchenden Tiefschlaf versunken – das ließ sich wohl nicht gänzlich vermeiden.… → weiterlesen

Marionettentheater unter Irren. Andreas Homoki inszeniert Wozzeck am Opernhaus Zürich

Um es gleich vorweg zu sagen:  diese Zürcher Inszenierung ist einfach grandios. Sie fasziniert mit ihrer Grundkonzeption, hält den Spannungsbogen über eineinhalb Stunden hinweg, ist weder belehrend noch ideologisch, verzichtet auf Sozialkitsch und allen kruden Realismus, macht aus einem der Lieblingsstücke der Brechtianer groteskes Marionetten- und Kasperletheater – und legt mit dieser Konzeption den Kern des Stücks frei.

Die Figuren, die da auf der Bühne agieren: der geschundene Wozzeck, die sexhungrige Marie, der geile Tambourmajor, der Jammerlappen von Hauptmann, der zynische Doktor, sie alle sind, mögen sie auch als Irre und Wahnsinnige daher kommen, keine Menschen. Sie sind Puppen, Marionetten, geleitet von unsichtbaren Fäden, die ein unsichtbarer Spieler in den Händen hält. Das Fatum? Ein Gott?  … → weiterlesen