In Banalitäten erledigt. Dimitri Tcherniakov inszeniert Berlioz, Les Troyens an der Opéra Bastille

Les Troyens, für die der Komponist selber das Libretto schrieb, orientieren sich, so erfährt es auch der Unbedarfteste spätestens aus dem Besetzungszettel, orientieren sich an Vergils Aeneis. Wer indes eine grand opéra über den heroischen Endkampf um Troia und im zweiten Teil die tragische Liebesgeschichte zwischen Dido und Aeneas erwartet hatte, der wurde arg enttäuscht.

Anders als es das römische Nationalepos und anders als es Libretto und Musik wollen, verzichtet die Inszenierung auf alles Heroische und alles Tragische und will auch vom hohen, vom ‚erhabenen‘ Stil des Referenztextes nichts wissen. Sie legt es stattdessen auf Aktualisierungen und Banalitäten an, auf Verzerrungen bis hin zur Satire und Groteske und spart auch die Klamotte nicht aus.

Der erste Akt beginnt mit einer Präsentation der ‚Royales‘: einem dümmlichen und senilen König Priamos, der vom Outfit her an einen lateinamerikanischen Militärdiktator erinnert. Der hoch  gewachsene stramme Aeneas könnte ein Double von Prinzgemahl Philipp sein. Die Außenseiterin Kassandra hat wohl gerade ein paar Tage Urlaub von der Psychiatrie bekommen und darf Statements, die keinen interessieren, vor den Fernsehkameras abgeben. Das dümmliche Volk jubelt wegen des vermeintlichen Abzugs der Feinde den Royales zu und hält diese für die Sieger. Aeneas, der vergeblich darauf hoffte, den greisen Priamos beerben zu können, ist wohl aus Frust zum Kollaborateur geworden. Die Frauen, die nach der Einnahme der Stadt von der Fanatikerin Kassandra zum kollektiven Selbstmord gedrängt werden, ziehen es vor, wie aufgeregte Hühner herum zu rennen.

Nennen wir das Ganze die Dekonstruktion vom Untergang Troias, die Reduzierung des Mythos auf seinen banalen Kern: die Vernichtung eines gutgläubigen Volkes auf Grund der Hybris seiner Anführer. Verpackt wird das alles in eine aktualisierende Variante.

Mag man auch dem ersten Teil, La Prise de Troie, eine gewisse Ernsthaftigkeit nicht gänzlich absprechen, so gilt das für den zweiten Teil, Les Troyens à  Carthage, kaum noch. Die Szene ist ein Rehabilitationszentrum für traumatisierte Kriegsopfer („Centre  de soins en psycho-traumatologie pour victimes de guerre“). Wohl zur Therapie spielen die schwer Gestörten – unter ihnen auch Aeneas und sein Trupp – unter Anleitung der Pfleger Szenen aus dem vierten Buch der Aeneis. Die Aeneis fungiert dabei als ein kaum wieder zu erkennender Subtext. Orientierungspunkt ist offensichtlich Peter Weiss und sein berühmtes Marat/Sade Stück, in dem die Irren im Hospiz zu Charenton die Verfolgung und Ermordung Marats darstellen.

Mit dieser – mit Verlaub gesagt – etwas abgegriffenen Konzeption treibt Theatermacher Tcherniakov der Oper auch noch den letzten Rest von Vergils Erhabenheit aus und streift gefährlich die Klamotte. Dido wird bei ihm zu einer Art Karnevalsprinzessin, die von der großen Liebe träumt, im Finale ihr Rollenspiel mit dem ‚Leben‘ verwechselt und zum Entsetzen der Pfleger und des Bühnenpublikums eine Überdosis Pillen nimmt. Aeneas hört  – ganz wie im Libretto – ständig Stimmen („Italie“), Stimmen indes, die ihn anders als im Libretto nicht an seine imperiale Mission erinnern, sondern ihn in den Wahnsinn treiben, so dass er nach dem berühmten Liebesduett („Ô nuit d’ivresse et d’extase infinie!“) Türen knallend das Hospiz verlässt. Dido ihrerseits begnügt sich damit, ein paar Tische im Gemeinschaftsraum der Klinik umzuwerfen.

Und die Musik ? Und die Sänger? Keine Frage, dass unter der Leitung von Philippe Jordan musiziert und gesungen wurde wie es dem hohen Niveau des Hauses entspricht, dass mit Brandon Jovanovich als Aeneas die Rolle in Stimme und Bühnenerscheinung  geradezu idealtypisch besetzt war und dass auch alle anderen Rollen angemessen besetzt waren. Seltsam fand  ich nur, dass Maestro Jordan so zurückhaltend musizieren ließ und kaum einen Gegenpol gegen die gezielte Banalisierung des Bühnengeschehens setzte.

Wie dem auch sei. Dem Pariser Publikum, das da (in der Mehrzahl) mit seinen Wintermänteln auf den Knien und den Einkaufstaschen zwischen den Knien fast fünf Stunden aushielt, hat’s gefallen. Die paar Protestrufe eingefleischter Berlioz-Anhänger fielen nicht  weiter auf.

Wir besuchten die Vorstellung am 3. Februar 2019, die vierte Aufführung in dieser Inszenierung. Die Premiere war am 25. Januar 2019.

 

 

Salzburger Mozartwoche – Im Zirkus Villazón

Soll man sich darüber ärgern oder einfach nur darüber lachen, wie ein einstmals gefeierter Sänger aus dem Lande der Azteken in seiner neuen Rolle als Intendant eines berühmten Festivals der Mozartmusik aus diesem Fest ein Fest der Selbstvermarktung, der Selbstgefälligkeit, des Narzissmus macht, bei öffentlichen Auftritten  sich mit einer pseudo-mexikanischen Folklore Band umgibt, herumtänzelt und dazu verkündet, Mozart sei der Größte, aber wohl meint, er sei der Größte.

Doch seien wir beruhigt: die Machtübernahme ist nicht total. Noch immer musizieren in Salzburg die Wiener Philharmoniker (wenngleich im Kleinen Haus). Auch Christophe Rousset und Les Talens lyriques sind noch da und bieten eine Rarität: die „Azione sacra“:La Betulia liberata (im bei weitem nicht ausverkauften Haus für Mozart).Louise Alder brilliert im Mozarteum mit einem ganzen Kranz von Mozart Arien. Über der Residenz weht nicht die mexikanische Flagge. Kein Habsburger wird wie damals in Mexiko erschossen. Abgeschafft ist nur die noble österreichische Küche. Beim Empfang der Mozart Gesellschaft gibt’s jetzt mexikanischen Fast Food. Fake News sind, dass es demnächst zum Trinken nur noch Cerveza Villazón (vulgo Corona) gäbe, im Landestheater nur noch Stücke von Villazón aufgeführt würden und vom Publikum in Zukunft mexikanische Kostümierung erwartet würde.

Doch nehmen wir das Ganze nicht so ernst. Unser  Multitalent oder altdeutsch unser Tausendsassa wollte einfach nur zeigen, dass er auch ein großer Komödiant ist. Vielleicht stürzt er sich demnächst von der Zirkuskuppel herab und treibt mit seiner Band alle Kritiker aus dem Musentempel.

 

Akrobaten in der Zirkuskuppel – ratlos das Publikum. Carlus Padrissa inszeniert T.A.M.O.S. in der Felsenreitschule und macht aus Mozarts frühem Fragment Tamos, einem Freimaurer Lehrstück, ein Multimedia Spektakel mit leicht abgedroschenem  Mozart Soundtrack und Computer-Musik.

„ich habe keine Lust auf Zirkus in der Felsenreitschule – zu Hochpreisen“ – meinte der Herr neben mir. Ich konnte ihm nur zustimmen. Das Freimaurer Geschwafel– neudeutsch: der Betroffenheitsjargon der Gutmenschen – machte das Ganze noch unerträglicher. Doch seinen wir nicht zu streng. Halten wir Carlus Padrissa zu Gute, dass er, ganz anders als im Programmheft verkündet, das langweilige Freimaurer konterkarieren und eine große Show in Szene setzen wollte. Ein  Spektakel, in dem Bühnentechnik und Videoabteilung ihre Kunstfertigkeiten vorführen durften, sich zu Furcht und Schrecken, Gaudi und Staunen des Publikums so richtig austoben konnten. Da glitzern die Lichter, da zaubern die Spotlights ein Disko-Ambiente herbei, das jede Nobeldisko wie eine billige Scheune aussehen lässt. Da stürzen sich die feindlichen Soldaten vom Himmel herab auf die Bösen (wahlweise auch auf die Guten), da werden die Mauern erklettert, da explodieren die Bomben (ein Glück, dass wir vor der Vorstellung erfahren, es seien keine wirklichen), da fällt farbiges Wasser vom Felsen und duscht den Hauptdarsteller, da fahren die Sänger im offenen Fahrstuhl gen Himmel und produzieren sich aus luftigen Höhen. Da gibt’s gleich zu Anfang eine Leiche im Plastiksack. Keine Angst: der Hohepriester in der Person des uns allen so vertrauten René Pape  singt zur Einsegnung einen Ohrwurm aus der Zauberflöte. Im Finale reißt unser kräftiger Bass den „Baum der Unwahrhaftigkeit‘ aus. Der gute  Prinz kriegt nach vielem Leiden die Prinzessin, und die Kohorte der Choristen sammelt sich wieder auf der Szene und singt uns noch ein paar Hits aus der Zauberflöte.

Keine Frage: Carlus  Padrissa und sein Team verstehen sich auf die großen Bühnenspektakel. In der Technik sind sie hypermodern. Doch in der Konzeption sind sie von gestern. Was sie bieten, das ist barockes Maschinentheater mit den  Techniken von heute. Die Musik wird dabei zur quantité négligeable. ‚Allein, was tut’s‘. Dem Publikum hat’s am Ende gefallen. Die alten verknöcherten Mozartverehrer bleiben halt beim nächsten Mal zu Hause oder gehen gleich in den Zirkus.

 

 

Strindberg Hölle nebst Traumdiskurs, Apokalypse und Kunsthistorie. Beat Furrer, Violetter Schnee. Eine Uraufführung an der Staatsoper unter den Linden

Was ist das für ein krudes, disparates Zeug, das da mit großer Kunstfertigkeit, solidem Bildungsbürgerwissen und mit nicht geringen Anforderungen an Vorkenntnisse und Imagination der Zuschauer in der Staatsoper präsentiert wird.  Was ist das für eine schrecklich simple Musik, die zwischen Lärm und einem Soundtrack für Weltraumexpeditionen changiert, eine Musik, die den Kritiker der FAZ zu lyrischen Ergüssen animierte und die doch nur fad und langweilig ist und auch dem aufgeschlossenen Zuhörer auf die Dauer auf die Nerven  geht. „Aufstiebender Graupel von Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotten und Saxophon gerbt uns das Ohr“ (Jan Brachmann in der FAZ am 15. Januar 2019). Schön ist die Musik. Noch schöner ist es, wenn sie aufhört. So ungefähr heißt es mit milder Ironie in Die schweigsame Frau. Von milder Ironie kann beim violetten Schnee nicht die Rede sein. Hier regiert in Szene und Musik eher der Bierernst.

Doch lassen wir den Soundtrack. Die Musikhistoriker werden ihn zu beschreiben und einzuordnen wissen. Sprechen wir lieber vom Stück und seiner szenischen Umsetzung. Was wird eigentlich erzählt? Eine Schreckensvision, die im Kunsthistorischen Museum von Bruegels Gemälde Die Jäger im Schnee ausgelöst wird. Eine ausführliche Beschreibung des Bildes, die zu Beginn des Stücks eine weiß gekleidete Frau vorträgt. Eine Wiedergängerin aus dem Totenreich? Eine Irre, die Identifikationsmöglichkeiten sucht? Eine Horrorgeschichte, in der Bruegels Gestalten lebendig werden, aus dem Bild heraustreten und immer wieder stumm durch die Szene geistern. Eine Psychohölle, die sich fünf Personen bereiten, die von einem Schneesturm in einem einsamen Haus eingeschlossen wurden und  die immer mehr in Traum und Wahn abgleiten. Die Wiederkehr einer Selbstmörderin. Ein Weltuntergang, der wohl von einem Ausbruch auf dem Planeten Mars, dem roten Planeten, ausgelöst wurde. Jetzt verstehen wir auch den etwas befremdenden Titel des Stücks. „Violetter Schnee“ ist keine barocke Metapher, sondern ganz konkret zu verstehen: der rote Planet färbt bei seinem Ausbruch den Schnee.

„Zu viel! Zu viel!“. Ein hybrides Libretto, das °basierend auf einer Vorlage von Vladimir Sorokin“ Händle Klaus fabriziert hat. Motive, Themen und Geschichten, die sich überlagern und ineinander übergehen und die Claus Guth mit  leichter Hand (manchmal auch etwas krampfhaft) zu durchaus gelungenen Szenen zusammenfügt. Man denke zum Beispiel an die finalen Szenen: Tote, Untote, vielleicht noch Lebende, alle nur noch als schemenhafte Gestalten erkennbar,  verharren im Schneegestöber. Ein roter Sonnenball – vielleicht der Planet Mars? – nähert sich immer bedrohlicher. Das Ende der Welt. (Damit es auch jeder im Zuschauerraum merkt, dass das Ende nahe ist, zitieren die Übertitel die Apokalypse).

Und doch, mag auch die eine oder die  andere Szene faszinieren, bleibt ein eher trister Gesamteindruck: was uns da in Szene und Musik vorgeführt wird, das ist Schnee von gestern, „Ce sont les neiges d’antan“.

Wir besuchten die Aufführung am 16. Januar, die zweite Vorstellung nach der Premiere am 13. Januar 2019.

 

 

Und Armidas Zauber währt ewig. Händel, Rinaldo an der Oper Frankfurt

Sagen wir es gleich ohne alle Umschweife: im Frankfurter Rinaldo wird in allen Rollen so phantastisch schön gesungen, wird unter der Leitung von Simone Di Felice so brillant musiziert, dass es eine Lust ist zu zuhören. Der „neue Stern am Himmel der Countertenöre“, Jakub Józef Orlínski, ist von Stimme, Spiel und Bühnenerscheinung her ein Rinaldo, wie man ihn sich besser kaum vorstellen kann. Vielleicht, so denkt man, haben die Stimmen der Starsänger des 18. Jahrhunderts, die ihr damaliges Publikum verzückten, so geklungen. Vielleicht hatten sie auf die Zuhörerinnen und Zuhörer jener Zeit eine ähnliche Wirkung wie heute die (sollen wir sagen ‚glockenreine und ‚verführerische‘) Stimme, mit der Orlínski sein Publikum ‚verzaubert‘. Kein Huster wagte zu stören. Selbst die schwatzhafte Dame in der Reihe hinter uns wagte keinen Muckser Erst in der Pause schwärmte sie vom „Schmelz der Stimme“. Von der ach so melancholischen Arie „Cara sposa, amante cara“ sind selbst die Unbedarftesten hingerissen.… → weiterlesen

Mystische Erotik – erotische Mystik. Calixto Bieito setzt im Nationaltheater Mannheim Monteverdis Marienvesper in Szene

Die Marienvesper, ein Konglomerat aus Psalmen und Hohem Lied, aus Hymnen und dem berühmten Magnificat aus dem Lukas Evangelium, in Szene zu setzen, geht das überhaupt? Ja, es geht – wenn man von den Interferenzen von mystischem und erotischem Sprechen weiß und diese für die Szene zu nutzen weiß. Und dies gelingt  Calixto Bieito auf brillante und überzeugende Weise.

Vielleicht muss man das einstige katholische Spanien mit seinen religiösen Umzügen, den Pasos, und mit seinem exzessiven Jungfrauen- und Marienkult erlebt und erlitten haben, um die Marienvesper als erotisch-mystisches Spektakel begreifen zu können. Zugleich muss einem die Marienmystik, im konkreten Fall die religiöse Umdeutung des Hohen Lieds, des alttestamentarischen  Dialogs zwischen Braut und Bräutigam, mit ihrer Gleichsetzung der Braut mit der Jungfrau Maria sowie die moderne Re-Erotisierung des Hohen Lieds vertraut sein.

Keine Frage, dass dem spanischen Theatermacher Bieito all dies vertraut ist und dass er  aus diesem Fundus zu schöpfen weiß. Nicht genug damit. Auch die bildnerische Tradition des Marienkults nutzt er für seine Zwecke, wenn er  in Tableaux Vivants Maria als Mater Dolorosa oder – so im Finale – als Maria lactans darstellt.

Theatermacher Bieito fordert sein Publikum erheblich und lässt trotzdem allen, denen die Tradition der Mystik nicht geläufig ist, Raum für eigene Phantasien. So mag, wer es denn möchte, das ganze Spektakel als Hymne an Schwangerschaft und Mutterschaft oder als Feier eines Fruchtbarkeitskults verstehen, ein Fest, in dem gleich ganze Kohorten von verzückt drein blickenden Schwangeren auftreten. Die nicht minder verzückt gen Himmel blickenden oder sich auf dem Boden wälzenden Männer mag er für irre Fundamentalisten halten, wenn er in deren Verhalten nicht Auswüchse mystischer Ektasen  erkennen kann. In dem jungen Mädchen Maria, das zur Ehre der Altäre erhoben wird,  mag man auch die Göttin Venus sehen. Eine Interpretation, die ganz in der Tradition der Überlagerung christlicher und heidnischen Mythen stünde.

Der wohlwollende Zuschauer könnte auch in dem Jesuitenpater, der ständig mit einer Schar kleiner Mädchen herumrennt und an diese Lutscher verteilt, den ‚guten Hirten‘ sehen. Irritierend bei dieser Deutung wäre nur, dass der Pater auf dem Rücken schwarze Flügel trägt. Der ‚gute Hirte‘ wäre dann wohl zum gefallenen  Engel Luzifer oder  neudeutsch zum  pädophilen Priester mutiert.  Und die Maria lactans mit ihrem entblößten Busen, vor der ein spanisch gekleideter Heiliger kniet (der heilige Ignatius?) , könnte dem Heiligen, wie es die pikturale Tradition will, Weisheit ‚spenden‘ oder als Venus auch etwas anderes.

Ganz konsequent im Sinne der Interferenz von Mystik und Erotik bietet die Inszenierung immer wieder beide Deutungsmöglichkeiten an. So mag der eine Zuschauer sich am religiösen Spektakel erbauen, der andere sich am erotischen Spektakel erfreuen und der dritte die Interferenzen goutieren.

Tut ein solch ambivalentes Spektakel der Musik Monteverdis wirklich gut? Zeichnet die Musik sich auch durch Ambivalenz aus, durch ein Schwingen zwischen zwei scheinbar entgegen gesetzten Polen? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur,  dass das Orchester Il Gusto Barocco unter der Leitung von Jörg Halubek einen exzellenten Monteverdi zelebriert hat und  dass man den Vespro della Beata Vergine gerne wieder hören möchte – ohne ablenkendes Szenarium.

Wir besuchten die Aufführung am 11. Januar 2019, die 4. Vorstellung seit der Premiere am 15. Dezember 2018.

 

Requiem für Popstar Bellini. Ein Fest des Belcanto in einer ehrgeizigen Inszenierung. I Puritani an der Oper Frankfurt

„Die unendliche Melodie“ – Doch nicht nur. Es mag ein schon von den Zeitgenossen verbreitetes Vorurteil oder gar ein Zerrbild sein, in Bellini nicht den Musikdramatiker, sondern nur den Schöpfer der unendlichen Melodie, der „lyrischen Kantilenen“ sehen zu wollen. Kantilenen, die an die Emotionen der Zuhörer appellieren, diese im Extremfall zu Tränen rühren wollen. Und doch, mögen die Musikhistoriker auch zu Recht den Musikdramatiker Bellini rühmen, was an Bellinis Opern fasziniert, das ist vor allem der Belcanto, das Melodiöse – und so war es auch wieder in Frankfurt.

Besser und schöner und eindrucksvoller als wir es im Frankfurter Opernhaus erlebt haben, lässt sich Bellini wohl nicht besetzen. Gleich vier Stars der internationalen Opernszene singen und agieren hier. Brenda Rae in der Rolle der unglücklichen, in den Wahnsinn getriebenen Elvira. John Osborn als ehrgeiziger Höfling und Verführer, der die Braut am Hochzeitstag verlässt, um sich als Retter der Königin hervor tun zu können. Der Bariton Iurii Samoilov als letztlich großmütiger Rivale um die Gunst der Schönen. Der Bass Kihwan Sim als verständnisvolle Vaterfigur. Belcanto in Perfektion. Wollte man beschreiben, mit welcher Brillanz und Bellezza in Frankfurt gesungen wurde, dann bliebe einem nur die so schrecklich abgegriffene Feuilletonlyrik. Sagen wir einfach – frei nach Mozart – „die geläufigen Gurgeln“, die großen Stimmen kann man nur bewundern. Bei dieser Bewunderung geriet so mancher Belcanto Fetichist schier aus dem Häuschen – „Orgasmus in der Opernloge“.… → weiterlesen