Als von Neubayreuth und vom ‚Regietheater‘ Verwöhnte oder auch, wenn man so will, Deformierte vergisst man zu leicht, dass Das Rheingold zu einer Zeit geschrieben wurde, als die französische grand opéra die Spielpläne dominierte. Warum, so mag sich Pierre Audi, als er vor nunmehr fünfzehn Jahren Das Rheingold in Amsterdam in Szene setzte, gefragt haben, soll man den „Vorabend“ zum Ring des Nibelungen also nicht im Stil der grand opéra inszenieren. Warum nicht auf alle ideologischen Botschaften und Welterklärungsmodelle verzichten, keine mehr oder weniger weit hergeholten Aktualisierungen versuchen, Metatheater und Bildzitate beiseitelassen, warum sich nicht Wagner, dem „Schauspieler-Genie“, (Nietzsche) Wagner, anvertrauen, auf die Effekte seiner Musik und seines Librettos setzen und ein großes Spektakel in Szene setzen. Und so geschah es im Amsterdam.… → weiterlesen
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Herzmäre und ferner Britten Klang: George Benjamin I Martin Crimp: Written on Skin an der Oper Amsterdam
Am vergangenen Samstag haben wir im Amsterdamer „Muziektheater“ die Erstaufführung einer Oper gehört und gesehen („Weltpremiere“ war am 12. Juni dieses Jahres in Aix-en Provence), die in ihrer Verbindung von Fremdem und Vertrautem wohl als eine der wenigen zeitgenössischen Opern Aussicht hat, bald zum Kanon des Musiktheaters zu gehören. Der große Erfolg von Written on Skin verdankt sich in gleicher Weise der Musik, dem Libretto, einem Ensemble höchst brillanter Sängerschauspieler und nicht zuletzt auch einer subtilen szenischen Umsetzung. Orchesterklang und Gesang (nicht von ungefähr ist die Hauptrolle für einen Countertenor geschrieben) erinnern – mit Verlaub gesagt und ohne dass ich mir ein Urteil anmaßen will – von fern her an den Klangzauber eines Benjamin Britten und lassen damit im Fremden und Neuen das Vertraute anklingen. Noch weniger fremd, ja eher vertraut erschien mir das Libretto: eine mittelalterliche Dreiecksgeschichte, genauer: eine Herzmäre, die auf das Dekamerone (Novelle IV, 9) und weiter auf die provenzalischen Trobador Viten verweist:… → weiterlesen
Erotische Träumereien einer reifen Dame und eines Dandy – und russische Geschichte als Beigabe. Stefan Herheim inszeniert Eugen Onegin in Amsterdam
Erotische Träumereien einer reifen Dame und eines Dandy aus der Welt von Gestern – und russische Geschichte von den Zaren bis hin zu Putin als Beigabe. Stefan Herheim inszeniert Eugen Onegin am Muziektheater Amsterdam
‚Lyrische Szenen‘, nicht Oper, hatte Tschaikowski einst seinen Eugen Onegin genannt. In München hat man vor einigen Jahren aus den angeblich lyrischen Szenen eine grandiose Schwulenoper gemacht, in der zwei Männer, Onegin und sein Freund Lenski, nach ihrer sexuellen Bestimmtheit suchen und die Frauen nur noch Nebenpersonen sind. In Leipzig (und anderswo) war Konwitschny den umgekehrten Weg gegangen und hatte aus der Figur der Tatjana eine „revolutionäre Frau“ gemacht, eine authentische Figur, gegenüber der alle anderen nichts anderes als fremdbestimmte Marionetten sind. Bei Stefan Herheim – und wer seine Grazer Rusalka, seinen Stuttgarter Rosenkavalier, seinen Berliner Lohengrin gesehen hat, den überrascht das nicht – bei Stefan Herheim… → weiterlesen