Die Liebe in den Zeiten der faschistischen Machos. Rossini, Tancredi im Theater an der Wien

In Wiens „Neuem Opernhaus“, wie sich das altehrwürdige Haus am Naschmarkt nennt, war eine Rarität zu hören und eine Inszenierung zu bewundern. René Jacobs, der gefeierte und berühmte Spezialist für alte Musik, dirigiert dort einen frühen Rossini, eine opera seria, ein „meldodramma eroico“, das der gerade mal 21 jährige Komponist im Jahre 1813 in Venedig uraufführte. Jacobs und Rossini, das scheint auf den ersten Blick nicht so recht zusammen zu passen. Doch schon bald konstatiert der verblüffte Zuhörer, dass Maestro Jacobs mit dem Orchestre des Champs-Elysées, das auf historischen Instrumenten spielt, einen Rossini präsentiert, wie man ihn vielleicht noch nie so gehört hat: einen sanften und doch zugleich spielerisch-ironischen Rossini, der selbst im Crescendo nie die Sänger zudeckt. Mögen die Musikhistoriker und die professionellen Kritiker dazu sagen, was sie wollen. Mir als musikalischem Laien, der schon so manche Male einen scheppernden Rossini gehört und erlitten hat, mir hat die Interpretation, die Jacobs vorgeschlagen hat, mehr als gefallen. Und wenn man dann noch erfährt, dass der Maestro „zahlreiche Verzierungen rekonstruiert hat“, dann erkennt man auch noch im Nachhinein, dass man einen ungewöhnlichen Rossini-Abend erlebt hat. Wie der musikalische Part so bewegt sich auch die Inszenierung auf ungewöhnlich hohem Niveau. Regisseur Stephen  Lawless hat die romantische Liebesgeschichte zwischen dem Outlaw Tancredi und seiner Jugendfreundin und den Streit zwischen zwei feindlichen Familien, die sich angesichts eines gemeinsamen äußeren Feindes notgedrungen versöhnen, aus dem mittelalterlichen Syrakus in das faschistische Italien der 30er Jahre transponiert. In dieser Welt, die von exzessivem Macho-Wahn, von rigorosem Körperkult und Kraftmeierei dominiert wird, sind Frauen nur Spielzeuge und Puppen, über die nach Belieben verfügt wird und die hier im konkreten Fall als Pfand der Versöhnung: sprich als Braut  zu Verfügung gestellt wird. In diesem Szenarium stolziert man in Stiefeln umher, trägt das obligatorische Schwarzhemd und das Berett, fuchtelt mit Dolch und Karabiner herum, lugt vor lauter Verklemmtheit den Frauen unter die Röcke. Und wenn dann noch der Vater der Zwangsbraut  in der Mussolini Maske und der Anführer der Gegenpartei, mit der der Duce sich gerade versöhnt hat, als arroganter hoher Offizier auftreten, dann könnte man sich in einem faschistischen Dokumentarfilm glauben, ja wenn die Regie nicht mit den Mitteln der Übertreibung und Karikatur gegensteuern würde. Doch erschreckend und einschüchternd wirkt diese Machowelt allemal, auch wenn sie im Schlussakt, beim Auftritt der feindlichen Sarazenen, die in ihren langen schwarzen Gewändern wie moslemische Frauen auf dem Weg zu einer nicht genehmigten Demonstration wirken und die dabei die Machomännchen  am Wickel haben, gleichsam karnevalisiert wird. Und wo bleibt bei alledem das romantische Liebespaar? Armenaide, so nennt sich die Schöne, die dem Faschistenführer zugesprochen wurde und doch Tancredi angehören möchte und  der schon im Libretto und von der Musik her sowieso die Hauptrolle zufällt, die Arme ist ständig das Opfer eines Psychoterrors, an dem sich nicht nur die faschistischen Machos, die sie hinrichten wollen, sondern auch ihr Retter  Tancredi, der sie gleich zweimal der Untreue verdächtigt, beteiligt. Tancredi, der doch im Rothemd der Garibaldi Anhänger auf Sizilien gelandet war, um die Insel zu befreien und die Geliebte für sich zu gewinnen. Dieser Tancredi, wenn er auch als romantischer Liebhaber daher kommt, ist, so suggeriert es die Regie, schon von Macho Wahn infiziert und im Finale bricht diese Krankheit vollends aus. Tancredi, der die Feinde besiegt hat, kehrt als Schwarzhemd zurück, schart sich in die Schar der Machofaschisten ein und würdigt die Geliebte keines Blicks mehr. „La mia felicità….“ das ist nicht die romantische Liebe, sondern Macht und Gewalt in einer Männerwelt. Ein lieto fine in der Tat, das, mag es auch mit einem ironischen Augenzwinkern herüberkommen, die romantische Liebe erledigt und den Garibaldi-Mythos so nebenbei noch mit. Garibaldi wird vom Faschismus absorbiert. – Ein großer Opernabend im Theater an der Wien. Wie schade nur, dass dieses Haus ein Stagione Theater ist. Diesen Rossini hätte ich gerne noch einmal gehört und gesehen. Wir sahen am 23. Oktober die letzte Vorstellung. Die Premiere war am 15. Oktober 2009.

Auf den Rücken der Reptile? Auf den Brüsten der Frauen? Unter glühenden Gesteinsbrocken? – Ein seltsam matter und konzeptionsloser Siegfried im Aalto-Musiktheater Essen

Jetzt werkeln sie schon über ein Jahr daran herum. Und immer noch brennt das Feuer nicht so richtig, an dem sie ihren Ring schmieden wollen. Viel Rauch, und keiner traut sich, einmal kräftig ins Feuer zu blasen. Es muss ja nicht gleich ein Weltenbrand entfacht werden. Aber lodern sollte das Feuer schon und das erst recht, wenn – nach dem Stuttgarter Modell – für jedes Stück ein anderer Regisseur verantwortlich zeichnet. Beim Rheingold hatte Theatermacher Knabe zwar versucht, Zunder an Wagner zu legen. Aber herausgekommen ist nur eine wilde Ausstattungsrevue mit viel Sex und Crime, bei der der kleine Sachse mit seiner Musik gerade noch eine Statistenrolle ergattern konnte.  Bei der Walküre ist man wieder seriös geworden und  hat diese  – ganz in der Tradition  des 19. Jahrhunderts  –  als ‚Verfall einer Familie’ gedeutet und die Geschichte ins Milieu preußischer Militäraristokraten verlegt bzw. sie, wenn man so will, was sich ja in Essen anbietet, bei den Krupps angesiedelt. Regisseur Hilsdorf hat in seiner Walküre auf alle Gags und Mätzchen verzichtet und der Musik das Primat überlassen mit der Folge, dass berückend schön musiziert wurde. Jetzt beim Siegfried werkelt man (leider auch in der Musik) wieder an kleiner Flamme so vor sich hin, und der etwas irritierte Zuschauer fragt sich, ob die Regie über kein Konzept verfügt oder ob das Konzept darin besteht, Ringinszenierungen aus den letzten Jahrzehnten fragmentarisch zu zitieren, zu variieren und zu ironisieren – und dabei den Zuschauer zu verwirren. Auf einer leicht ansteigenden hügeligen Bühne, die vielleicht der Rücken des ‚Drachen’ sein könnte und in der die Erotomanen gleich Frauenbrüste sehen wollen (ein versteckter Hinweis auf „das wild wütende Weib“?),  hausen  Siegfried und Mime, nein nicht auf der schon obligatorisch gewordenen Müllhalde, sondern unter einer Eisenbahnbrücke oder vielleicht auch in einem funktionslos gewordenen Tunnel. Mime ist in Kostüm und Maske so eine Art Außerirdischer oder ein eben gelandeter Fallschirmjäger, und Gott Wotan als Wanderer springt schon mal auf dem Drachenrücken bzw. auf den Brüsten hin und her und beobachtet das Geschehen. Wohl ein Metatheaterhinweis: Gott Wotan inszeniert ein Spektakel und beobachtet seine Schauspieler? Im zweiten Akt gewinnen Drachenrücken und Brüste, die man praktischerweise aus dem ersten Akt übernommen hat, eine dramentechnische  Funktion. Wenn Siegfried von seiner Mama träumt, dann kann er sich zur Inspiration schon mal zwischen die Brüste legen und den leidigen Drachen, eine Crux für alle Theatermacher, den brauchen wir erst gar nicht erscheinen lassen. Siegfried sticht einfach mit seinem Schwert in ein Hügelchen hinein, und schon ist das Untier erledigt und kann aus der Unterbühne heraus  das Ende des Riesengeschlechts bejammern. Auch für  die Geschichte  mit dem Waldvöglein hat man in Essen eine simple Lösung gefunden und  dabei dem Zuschauer noch ein Bröckchen Metatheater dazu gegeben. Theatermacher Wotan stellt einfach einen Käfig mit einem Vogel auf die Bühne, und damit auch der unbedarfteste Zuschauer merkt, dass die Regie nicht an das Märchen vom sprechenden Vogel glaubt, trägt vom Bühnenrand her eine Sängerin die entsprechenden Passagen vor.  Doch wir sind bekanntlich noch nicht am Ende, wenngleich der Zuschauer wie Gott Wotan  dieses schon mal herbeisehnt. Für den dritten Akt hat Regisseur Anselm Weber noch ein ganz besonderes Wechselbad für die Zuschauer parat, den geradezu grotesken Kontrast zwischen der Szene Erda Wotan und der Walkürensszene. Während erstere an eine zeitgenössische Realsatire erinnert: ein Herr mittleren Alters  sucht Hilfe bei seiner verschlafenen Exgeliebten, zitiert das Finale die Märchenwelt frühester Wagner Inszenierungen. Da senkt sich doch tatsächlich ein Felsbrocken mit flackernden Lichtern vom Bühnenhimmel  auf den staunenden Siegfried herab, und mittendrin im Felsen da liegt doch tatsächlich eine reife Dame  in voller Rüstung  und klettert, einmal befreit vom Waffenschmuck, im Brautkleid mit langer Schleppe vom Felsen herunter. Dass es dem armen Siegfried bei diesem Anblick mulmig wird, das können wir als Zuschauer nur zu gut verstehen, und wir fragen uns verärgert, was dieses ganze Zitatengerümpel soll. Ja, wir haben schon begriffen, dass die Regie das Wagnerbrimborium nicht ertragen kann, dass es  für sie nur noch als ironisches Zitat vermittelbar sei und dass man als Regisseur  gegen die erotisierende Droge der  Wagnermusik angehen müsse. Doch mit Verlaub, sehr geehrter Herr Theaterdirektor Weber: mit Wagner spielen, ihn ironisieren, ihn dekonstruieren, darin sind die Herren Neuenfels und Konwitschny und Herheim Meister. Bei diesen amüsiert man sich und erfährt zugleich neue Deutungen. Bei Ihnen, noch einmal mit Verlaub, da langweilt man sich nur. Und was die berüchtigte Wagnerdroge angeht: „Sei außer Sorg“. In Essen ist sie nur schwach dosiert. Den Wagner, den Sie und ihre Mitstreiter im Aalto-Musiktheater zur Zeit anbieten, das ist Wagner für katholische Landfrauen. – Wir sahen die Vorstellung am 18. Oktober. Es war die zweite Vorstellung nach der Premiere am 10. Oktober 2009.

Szenen aus einem Inferno: Benjamin Britten, Peter Grimes an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf

Ich weiß nicht. Ich bin nicht unbedingt ein Britten Fan. In meiner Naivität dachte ich früher immer, das sei doch alles nur Filmmusik, Soundtrack für Schwulendramen. Doch wenn man so grandiose Britten Aufführungen wie vor ein paar Monaten in Hamburg  Death in Venice  oder jetzt in Düsseldorf Peter  Grimes  gesehen und gehört hat, dann wird man unweigerlich zum Britten Enthusiasten. Die Geschichte vom Fischer Grimes, einem Einzelgänger und Ausgestoßenem, der durch Zufall (oder vielleicht auch wegen seiner pädophilen Neigungen) gleich zweimal einen Lehrbuben verliert und den seine Mitbürger, eine Gesellschaft von Irren, Narren, Trunkenbolden und geilen Böcken in den Tod treibt, wird in Düsseldorf als Albtraum und zugleich als Bilderfolge aus einer Welt, die zur Hölle geworden ist, in Szene gesetzt. In mattem Dämmerlicht, auf Booten, die kieloben liegen, agiert eine enthemmte Masse, vor der der Einzelgänger nur aufs Meer, d.h. in den Selbstmord fliehen kann. Und schon – so im bedrückenden Finale – sucht sich der Mob ein neues Opfer, schließt den Kreis um die Lehrerin, die als einzige zu Peter Grimes gehalten hatte. „Wer sich von uns absondert und seinen Stolz hat, wer uns verachtet, den zerstören wir! Grausamkeit wird zum Geschäft!“ – so zitiert zu Recht  das Programmheft eine Chorszene, eine Schlüsselszene aus dem dritten Akt. Eine überwältigende Inszenierung, deren Magie sich der Zuschauer kaum entziehen kann, ein grandios singender und spielender Chor, ein Ensemble von durchweg herausragenden Sängerschauspielern, allen voran Roberto Saccà in der Titelrolle. Und aus dem Orchestergraben klingt ein betörender Britten. Mag die Musik auch, wie die Musikhistoriker wissen und uns glauben machen, ein Konglomerat aus den unterschiedlichsten Stilen sein, frei nach dem Motto: Musik produziert Musik, so fasziniert sie doch und dies nicht zuletzt dann, wenn sie so vollendet dargeboten wird, wie jetzt in Düsseldorf. Die Deutsche Oper am Rhein, die vielleicht in den letzten Jahren etwas behäbig geworden war, ist unter ihrer neuen Leitung dabei, in den Kreis der führenden deutschen Musiktheater zurückzukehren. Wie schade, dass bei einer solch grandiosen Aufführung das Haus bei weitem nicht ausverkauft war. – Wir sahen die Vorstellung am 17. Oktober. Die Premiere war am 18. September 2009.

Liebesspiele zum Leichenschmaus oder Così fan tutte im Appenzeller Komödienstadel

Das Theater St. Gallen verfügt über ein hochmodernes, Designer schickes Haus und dazu über ein Ensemble von jungen und durchweg überdurchschnittlichen Sängern und Sängerinnen. Eigentlich gute Voraussetzungen für erstklassige Opernproduktionen. Nur bei der Auswahl der Regisseure hat die Intendanz wohl keine glückliche Hand, und so kommen trotz aller sonstigen guten Voraussetzungen leider nur recht biedere Aufführungen zustande. Vor ein paar Jahren sahen wir einen dürftigen Don Giovanni, der auf den Treppen und Fluren eines Gasthauses spielte, das gerade die Maler zur Renovierung bestellt hatte, einen Don Giovanni, der trotz all der Mühe, die sich die Darsteller gaben, mir nur als ein eher peinlicher Abend in Erinnerung bleibt. Jetzt in der Così fan tutte sind wir in einem heruntergekommenen Dorfgasthof gelandet, der von den beiden Schwestern F. und D. zusammen mit der Schankkellnerin Despina geführt wird und in dem ein versoffener Pseudointellektueller namens Alfonso (vielleicht der Lehrer der einklassigen Dorfschule?) gegenüber einer völlig eingeschüchterten Despina den gewalttätigen Macho herauskehrt. Fernando und Guglielmo sind zwei junge Tölpel, die dem Rotwein zugetan sind und da sie offenbar nur wenig vertragen können, stürzen  sie sich immer wieder mit großem Getöse zum Abort. Alle zusammen kommen sie  gerade vom Friedhof, wo man – noch vor der Ouvertüre  – den Papa (?) der Mädels begraben hat. Und jetzt versammelt man sich halt im Gasthaus zum Leichenschmaus, und dabei kommen die beiden Trottel und ihr Freund, der Lehrer, in ihrem schon ziemlich angetrunkenen Zustand  auf die absonderliche Idee, mal mit den Weibern zu spielen. Wie das Spielchen so läuft, das wissen wir  noch von anderen Inszenierungen. Es gibt halt viel Gaudi und Spaß und Klamauk, wie man das so von anderen (dürftigen) Inszenierungen kennt. Doch im Finale da werden wir wieder ganz ernst, wie wir das von anderen ach so gedankenschweren Inszenierungen kennen: da sind die Betten im oberen Stock zugedeckt, da läuft die kleine Fiordiligi entnervt davon, da fällt der schöne Zwischenvorhang, der eine Hochzeitsszene in Pompeji zitiert, so einfach in sich zusammen. Und wir alle im Publikum  haben dank dieser dreifachen Symbolik kapiert, dass es nichts mit der Hochzeit wird, und beim Schlussapplaus, da verstehen wir mit einmal auch die Beerdigungsszene vom Anfang. Nicht der Papa wurde da beerdigt, sondern Amor. Da können Mozart und Da Ponte sich doch einen ganzen Abend alle Mühe geben, die unterschiedlichsten Liebesdiskurse durchzuexerzieren. In St. Gallen da ist die Liebe von Anfang an tot. Schade um die „schöne Musik“. Schade um die vortrefflichen Sänger und Sängerinnen. Sie hätten ein anderes Ambiente verdient. – Wir sahen die Aufführung am 30. September 2009. Die Premiere war am 19. September 2009.

Vom ‚Endsieg’ der Taliban und vom ‚Untergang des Abendlands’: Mosé in Egitto als Belcanto Hollywood Schinken am Opernhaus Zürich

In Salzburg hatten wir in diesem Sommer Rossinis „azione tragico-sacra“ in ihrer französischen Fassung als Bibelstunde für Konfirmanden (angerichtet von einem gewissen Pastor Flimm) gesehen und uns ob so viel Unvermögen geärgert und gelangweilt. In Zürich, wo das Regieteam Patrice Caurier du Moshe Leiser die frühe italienische Fassung in Szene setzt, da wirft man die Bibel (sprich: das Buch Exodus)  gleich auf den Müll der Geschichte und unterhält das Publikum mit  einer Mixtur von Sequenzen aus Actionfilmen, Gesellschaftskomödien, Liebesdramen, Börsenkrach und Fundamentalismusschocker – und hat damit zu Recht großen Erfolg. Moses und Aron sind bärtige Fundamentalisten, die mit ihren biologischen Wunderwaffen Schrecken verbreiten, die Hebräer sind jüdische Flüchtlinge, die  mit dem Flugzeug der Tyrannei entkommen wollen  und die von schwarz gekleideten prügelnden Polizistin drangsaliert werden. Die  Ägypter des Libretto sind  samt Pharao und dessen verliebtem Söhnchen vom Börsensturz gebeutelte Banker von heute oder auch mal eine lustige dekadente Partygesellschaft. Der Boss der Banker trifft sich in Gangstermanier mit dem Boss der Talibane in der Tiefgarage, der Filius entführt die geliebte Hebräerin in ein Motel und ist ganz verzweifelt, als seine Mama und der Talibanunterführer das Stundenhotel von ihrer schnellen Eingreiftruppe stürmen lassen, Mama Faraone  jammert in der Wohnküche der alten Liebe nach, und Papa Faraone liest seinem verliebten Söhnchen beim Braten von Spiegeleiern die Leviten. Ja, und im Schlussbild, da sind wir dann ganz aktuell:  Talibanführer Moses droht dem  zu Tode erschrockenem Boss der dekadenten Partygesellschafft, die gerade abgesoffen ist, vom anderen Ufer. All dies ist witzig, unterhaltsam und so ganz ohne alle pastoralen Fingerzeige gemacht. Ja, und gesungen wird von einem hoch motivierten Ensemble in bester Belcanto Manier, ganz wie man es in Zürich erwartet. Ein großer Rossini Abend. Wir sahen die Premiere B am 23. September 2009. Die Premiere war am 19. September.

Ein halbseidenes dröges Kammerspiel. Christof Loy inszeniert Arabella an der Frankfurter Oper

Bei Helmut Krausser in einem seiner Tagebücher heißt es einmal, der späte Strauss der Arabella sei nur noch ein Schatten, ein Abklatsch seiner selbst, habe kaum noch etwas von der Genialität, die den Strauss der Elektra, des Rosenkavaliers, der Ariadne auszeichne. Und wenn man Gelegenheit hat, nach der Frankfurter Arabella am nächsten Abend die Münchner Ariadne zu erleben, dann erscheinen einem die Bemerkungen Kraussers gar nicht so abwegig – und doch zugleich ungerecht. Die Ariadne mit ihrer Überlagerung von Opera Buffa, Metatheater und altehrwürdiger Opera Seria hat mit der kitschigen Operettenseligkeit der Arabella so gar nichts gemein. Nicht von ungefähr spricht Strauss in einem Brief an Stefan Zweig von „Kitsch“ im Zusammenhang mit der Arabella. Wie dem auch sei. Die „lyrische Komödie“ (warum sagen wir nicht einfach die Wiener Operette) um die verarmte Schöne aus der Wiener Stadt und den reichen ungehobelten Prinzen aus den slawonischen Wäldern, um das androgyne Mädchen und den verzweifelten Liebhaber und um den spielsüchtigen heruntergekommenen Papa, die sieht und hört man immer gern, zumal wenn wie in Frankfurt eine so überragende Sängerschauspielerin wie die Nylund als Arabella auf der Bühne steht. Die Inszenierung hingegen, von der man sich so viel erhofft hatte, enttäuscht – zumindest in den ersten beiden Akten. Zäh und dröge und konzeptionslos – es sei denn man sieht Trostlosigkeit und Hoffnungslosigkeit und das Warten auf den Märchenprinzen als eine Konzeption an – zieht sie sich dahin, und man ertappt sich bei dem Gedanken, ob man doch nicht lieber zur Internationalen Automobilausstellung hätte gehen sollen, wenn man schon Messepreise im Hotel zahlt. Aber die Frankfurter Arabella – welch eine elegant-schöne Bühnenerscheinung – singt halt so hinreißend. Da können die Automänner von der IAA mit ihren noch so schicken Spielzeugen einfach nicht mithalten. Nach der zweiten Pause da ist plötzlich alles anders. Da entschädigt eine brillante Personenregie, die keine Requisiten und kein Bühnenbild mehr braucht – man agiert einfach vor einer hellen weißen Wand – für all die Dürftigkeit und Einfallslosigkeit, die die ersten beiden Akte bestimmten: die scheinbare Verabredung zu einer wilden Nacht mit der spröden Arabella beobachtet der eifersüchtige Mandryka  vor der Toilettentür. Zum berühmten Duett lehnen sich die beiden Schwestern an die Heizung in ihrem Absteigehotel (wir sind halt so arm und frieren tun wir auch, und von der Rampe singen wir doch sonst so gern). Vielleicht ist die Inszenierung  auch als Gegenstück zur Musik gedacht. So wenig wie einem sonst so genialischen Komponisten wie Strauss ständig Neues einfallen kann, so wenig kann auch ein Regiestar immer und ewig brillant sein. Aber wie die Musik der Arabella so hat auch ihre Frankfurter Inszenierung – manchmal –  große Szenen. Und am Ende war ich doch froh, dass ich nicht zur IAA gegangen bin und bei Strauss und Loy geblieben bin. Wir sahen  am 18. September die 10. Vorstellung der Produktion. Die Premiere  – eine Übernahme aus Göteborg – war am  25. Januar 2009.Vielleicht noch ein Hinweis: wer einen großen Straussabend erleben möchte, der sollte die Münchner Ariadne sehen und hören. Eine Inszenierung von Robert Carsen, die vor einem Jahr bei den Münchner Opernfestspielen im Prinzregententheater Premiere hatte, zwischenzeitlich von der Deutschen Oper in Berlin übernommen wurde und jetzt im Nationaltheater in München wieder gezeigt wird. In meinem Operntagebuch finden sich ein paar Bemerkungen zu dieser Inszenierung