Das Rheingold als Grand Opéra Spektakel – eine Wiederaufnahme im Muziektheater Amsterdam

Als von Neubayreuth und vom ‚Regietheater‘ Verwöhnte oder auch, wenn  man so will, Deformierte vergisst man zu leicht, dass Das Rheingold zu einer Zeit geschrieben wurde, als die französische grand opéra die Spielpläne dominierte. Warum, so mag sich Pierre Audi, als er vor nunmehr fünfzehn Jahren Das Rheingold in Amsterdam in Szene setzte, gefragt haben, soll man den „Vorabend“ zum Ring des Nibelungen  also nicht im Stil der grand opéra inszenieren. Warum nicht auf alle ideologischen Botschaften und Welterklärungsmodelle verzichten, keine mehr oder weniger weit hergeholten Aktualisierungen versuchen, Metatheater und Bildzitate beiseitelassen, warum sich nicht Wagner, dem „Schauspieler-Genie“, (Nietzsche) Wagner, anvertrauen, auf die Effekte seiner Musik und seines Librettos setzen und ein großes Spektakel in Szene setzen.  Und so geschah es im Amsterdam.… → weiterlesen

„Das Wasser, dieses erstgeborene Kind luftiger Verschmelzungen, kann seinen wollüstigen Ursprung nicht verleugnen[ …]“ Andreas Kriegenburg inszeniert Das Rheingold an der Bayerischen Staatsoper

 Beim neuen Münchner Ring ist alles vom Allerfeinsten. Generalmusikdirektor Nagano am Pult, ein brillantes Staatsorchester im Graben, ein berühmter Theatermacher als Regisseur, Sänger der ersten Garnitur, ein begeistertes Publikum. Und doch bleibt ein zwiespältiger Eindruck, ein fader Geschmack. Man traut sich gar nicht, es zu sagen. Kritik an der Bayerischen Staatsoper, und erst recht, wenn mit Wagner einer  der Hausgötter auf dem Programm  steht, ist in München verpönt. Die Dilettantin, die niemandem verpflichtet ist, die im Publikum sitzt, ihre Eintrittskarte selber bezahlt, hält mit ihrer Meinung nicht zurück. Sie hat in den letzten Jahren in unterschiedlichsten Häusern, in großen und kleinen, Das Rheingold gehört und gesehen. Doch München gebührt die Krone: ich habe mich zum ersten Mal beim Rheingold gelangweilt. … → weiterlesen

„Das Wasser, dieses ewige Element luftiger Verschmelzung“. Ein berauschender „Vorabend“ zum Ring des Nibelungen in der Staatsoper im Schillertheater

„Das Wasser, dieses ewige Element luftiger Verschmelzung“. Ein berauschender „Vorabend“ zum Ring des Nibelungen  in der Staatsoper im Schillertheater

Sind es der kleinere Raum oder vielleicht die bessere Akustik im Vergleich mit der maroden Staatsoper unter den Linden, ist es eine Staatskapelle in Höchstform, sind es die brillanten Sänger? An diesem „Vorabend“ kam vieles zusammen, auf dass ein Opernabend auf höchstem Niveau zustande kam. Und wenn dann zum  herausragenden musikalischen Part noch eine durchdachte und überzeugende szenische Gestaltung hinzukommt, dann bleiben eigentlich keine Wünsche offen. Der Anfang irritiert noch: auf  der Vorderbühne plantschen Alberich und die sich etwas steif gebenden Rheintöchter in Wasserpfützen herum:  das übliche neckische Spiel ältlicher Mädchen mit einem älteren Herrn, der seinem Outfit nach zu urteilen wohl zu seinen Forellenteichen unterwegs war und unversehens unter die Weiber geraten ist. Den gesamten Bühnenhintergrund füllt eine mehrdimensionale, mehrfarbige Projektionsfläche, auf der strömendes Wasser und Pflanzen ineinander übergehen. Zum Szenenwechsel fällt nicht wie üblich der Vorhang: aus der Unterbühne kommen schwarz gekleidete Tänzer, wiederholen und verdichten das eben Geschehne in der Sprache der Bewegung und antizipieren das Kommende. Wotan und Fricka sind gleichsam wie Erscheinungen plötzlich da, und wieder werden die Tänzer deren Handeln ‚doubeln’. Die Tanzgruppe wird fast ständig auf der Bühne präsent sein. Die Tänzer werden  die Nibelungen spielen, werden Alberichs Lustmädchen mimen, werden sich wie Lianen um den Übertölpelten schlingen, wie Schlangen, die Laokoon  erwürgen. Der flämische Theatermacher Guy Cassiers, der für  Inszenierung und  Bühnenbild verantwortlich zeichnet, will indes mehr als eine intermediale Show, in der Musik und Gesang, Tanz und Spiel und Bühneneffekte ineinander übergehen. Sein Rheingold will auch nicht nur die Geschichte von der Entstehung der Welt aus dem Wasser erzählen. Auch die Geschichten von Machtgier, Betrug, Raub und Mord, so wichtig sie für die Handlung auch sind, stehen für ihn nicht im Vordergrund des Interesses. Sein Rheingold ist eine Erzählung aus dem Totenreich. „Alles, was ist – endet!“ Nein, so ist es nicht. Alles ist schon zu Ende. Die Riesen in ihren schwarzen Traueranzügen, die Götter in ihrer abgerissenen, aus der Mode gekommenen Kleidung, sie sind alle nur Untote, die noch einmal aus den Grüften  gestiegen sind, ihre Geschichten noch einmal spielen und im Finale, statt feierlich in Walhall  einzuziehen, in der Finsternis, aus der sie plötzlich erschienen sind, wieder entschwinden. Auf der Projektionsfläche erscheinen versteinerte Figuren. Versteinerte Kämpfer, die Gewaltexzesse aus archaischer Zeit erzählen. (Im Programmheft liest man, die versteinerten Figuren seinen „ein Abbild von Jef Lambeauxs Flachrelief Die menschlichen Leidenschaften“. Eine generöse Information, die man indes gar nicht braucht. Das Bild spricht für sich).In Berlin beginnt man das Rheingold nach der Götterdämmerung. Im ewigen Kreislauf wird alles, was endet, immer wieder neu und endet von neuem. Das ist als Konzeption nicht unbedingt originell – doch faszinierend in Szene gesetzt. Wir sahen die fünfte Vorstellung am 31. Oktober 2010. Die Premiere war am 17. Oktober 2010.

Leni Riefenstahl inszeniert Wagner. Das Rheingold an der Opéra Bastille

Leni Riefenstahl inszeniert Wagner – Das Rheingold an der Opéra Bastille

Seit mehr als fünfzig Jahren, so liest man im Programmheft, gab es in Paris keinen kompletten Ring mehr zu sehen und zu hören. In diesem Frühjahr haben Philippe Jordan und Günter Krämer damit begonnen, die französischen Wagnerianer von dieser Malaise zu erlösen. Im Sommer soll noch Die Walküre  gegeben werden, und den Rest, den gibt es dann im nächsten Jahr. Ob der berühmte Dirigent und der nicht minder renommierte Theatermann die Pariser Ring Misere beheben werden? Ich habe da meine Zweifel. Zwar lobt das deutsche Feuilleton, in diesem konkreten Fall, die Süddeutsche Zeitung, das Pariser Rheingold über alle Maßen und bejubelt geradezu den musikalischen Part. Doch mit Verlaub gesagt: was da aus dem Orchestergraben erklang, das war nicht unbedingt ein rauschhafter Wagner. Das muss es ja auch nicht sein. Doch schlapp und müde, so klang sie zumindest manchmal, sollte sich die Musik nun auch nicht dahin ziehen. Und einem großen Wagner Abend war es auch nicht gerade zuträglich, dass manch große Stimme in dem überdimensionierten Pariser Haus hin und wieder zum kaum hörbaren Stimmchen wurde. Als Dilettantin  maße ich mir kein Urteil an. Ich kann nur sagen, dass ich mich manchmal gelangweilt habe, eine Empfindung, die sich beim WOOiener Ring, den ich im vorigen Jahr gehört und gesehen habe, nicht einen Augenblick lang eingestellt hat. Aber vielleicht täuscht auch der Eindruck. In dem riesigen Haus – wir saßen in der 24. Reihe – ist der unmittelbare Kontakt zu Bühne und Orchester nicht leicht zu gewinnen. Und die Inszenierung? Ich gehöre eigentlich zu den Krämer Fans und bewundere, um nur zwei Beispiele zu nennen, seinen Kölner Rosenkavalier und seinen Salzburger Mitridate. Doch das Pasticcio aus Leni Riefenstahl, Fritz Lang, Eisenstein, Chaplin  und als Zutat Fragonards Schaukel im ersten Bild, zu dem das Rheingold in Paris wird, das ist nicht unbedingt ein großer Wurf. Natürlich ist es spektakulär, wenn die Götter und ihr Gefolge zu Leni Riefenstahl Sportlern werden, wenn das Schlussbild an Sportfeiern im Olympiastadion in unseliger Zeit erinnert, wenn zum Streit der Götter mit den Riesen deren Arbeiter rote Fahnen schwingende proletarische Massen, die schon mal die Revolution proben, mimen. Nicht minder spektakulär ist es, wenn Alberichs Nibelungen geknechtete  und ausgebeutete Massen sind, die einem Fritz Lang Film oder meinetwegen einer Germinal Verfilmung entlaufen sind, wenn Wotan auf der Erdkugel ruht und als ferne Referenz an Chaplins Großen Diktator von der Weltherrschaft träumt und ein Alberich im Unterschichten Outfit oder vielleicht auch in der Lenin Maske dem gleichen Machtrausch verfällt. Doch all die Verweise auf eine faschistische Ästhetik, auf proletarische Mythen, auf die Filmkunst der zwanziger und dreißiger Jahre, auf welchem Grundkonzept, so fragt man sich, basieren sie eigentlich. Sollen sie dem französischen Publikum eine doppelte lecture politique des Rings anbieten: Wagner der Revolutionär, ein gescheiterter Revolutionär wie sein machtlüsterner Alberich, wie seine proletarischen Riesen zum einen und Wagner und seine faschistische Rezeption zum anderen? War es das? Mit dieser etwas zu sehr obsoleten Konzeption, wenn es denn seine ist, bleibt Krämer eigentlich unter seinem Niveau. Die spektakulären Szenenfolgen, die ein so routinierter Theatermacher wie Krämer zu produzieren weiß, die trösten indes allemal über eine etwas dürftige Konzeption hinweg. Der Ring in Paris beginnt nicht gerade viel versprechend, wenngleich im ausverkauften Haus nicht an Beifall gespart wurde. Wir sahen am 13. März die dritte Vorstellung. Die Premiere war am 4. März 2010.