Tristan und Isolde: ein Sängerfest an der Oper Frankfurt

In einem kleinen Haus, in Lübeck, in einem großen Haus, in Paris, und jetzt in einem mittelgroßen Haus, eben in Frankfurt, waren wir bei Tristan und Isolde. Und jedes Mal hatten wir das Glück, höchst brillante Aufführungen zu erleben. Jede setzte die Akzente anders. War es in Paris die Ausstattung, die „création vidéo“, die Dominanz der Bilder eines Bill Viola, deren Zauber der Zuschauer erlag, war es in Lübeck der überraschende Ort des Geschehens, der Palazzo Vendramin, wo Tristan/Wagner und Isolde/Mathilde Wesendonck sich begegnen und Brangäne/Cosima darüber wacht, dass „das furchtbare Sehnen“, konkret: Wagners Notenblätter nicht verloren gehen, so sind es in Frankfurt die Sänger, allen voran Lance Ryan als Tristan und Jennifer Wilson als Isolde, die die Szene dominieren. Vom Orchesterklang wollen wir nicht sprechen. Das überlassen wir gerne den Musikern und den Musikkritikern. Nur so viel. Ob im kleinen, im großen oder im mittelgroßen Haus: alle Male, ganz nach den Möglichkeiten des jeweiligen Hauses, Tristanklänge auf höchstem Niveau. Eben die berüchtigte Wagnerdroge, die so leicht süchtig macht: schön, rauschhaft, dekadent.… → weiterlesen

Hommages an Franco Zeffirelli und Bill Viola: I Capuleti e i Montecchi und Tristan und Isolde an der Opéra Bastille.

In Paris waren am vergangenen Wochenende zwei schon legendäre Inszenierungen noch einmal zu sehen: die Romeo und Julia Version Bellinis in der Regie von Robert Carsen vom Jahre 1996  und Peter Sellars Tristan und Isolde vom Jahre 2005. Zwei Inszenierungen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Bei Carsen  Ausstattungs- und Dekorationstheater im Stile eines Zeffirelli. Bei Sellars Minimalismus auf der Szene und dazu eine grandiose Bill Viola Video Show, die eigens für diese Inszenierung geschaffen wurde. Kein Zweifel, dass beide Inszenierungen in ihrer Art hinreißend sind, perfekte szenische Kunstwerke sind. Ich muss indes gestehen, dass die Carsen Inszenierung nicht mein Fall ist und dass diese nach simplem Rezept montierten Grand Opéra Spektakel mir démodé und obsolet und langweilig noch dazu vorkommen: man steckt die Sänger in prachtvolle und teure Renaissance Kostüme, stattet sie alle mit langem Degen aus, auf dass sie Fechtszenen andeuten können, lässt sie vor und in opulenten Kulissen ihre Arien singen, fordert sie kaum als Schauspieler. Und das war es schon. Und flugs sind wir wieder in Opas Opernmuseum.

Ganz so schlimm war es  in der Bastille Oper nun nicht, denn Regie und Ausstattung hatten für die Kunsthistoriker und deren Adepten unter den Zuschauern einige Leckerbissen bereit gestellt, ihnen  Wiedererkennungserlebnisse angeboten. Da wurde wohl in den Kostümen Botticelli zitiert, in Kampfszenen im Finale des ersten  Akts  wohl Paolo Uccellos Schlacht bei San Romano oder auch Davids Schwur der Horatier. Und im letzten Akt, wenn sich Giulietta blitzschnell erdolcht und dabei theatralisch gen Himmel blickt, da sind wir recht nahe  bei den Karikaturen eines Honoré Daumier. Ein Anflug von Ironie? Signalisiert die Regie dem Publikum im Finale, dass dieses Mélodrame, das sie da so aufwendig in Szene gesetzt hat, doch nur ein Spiel ist, dass das, was zählt, doch eigentlich der wundersüße Belcanto eines Bellini ist und die Regie doch letztlich nur eine quantité négligeable ist? Vielleicht. Allgemeine Begeisterung im Publikum. Für Auge und Ohr wurde ja auch Schönes geboten. Und Mitdenken war nicht gefragt.

Wir sahen die Vorstellung am 3. Mai 2014, die – laut Programmheft – 29. Aufführung dieser Inszenierung.

Und Tristan und Isolde? Ein Produktionsteam der großen Namen. Peter Sellars: Inszenierung, Bill Viola: Création vidéo. Philippe Jordan am Pult. Auf der Bühne  mit  Robert Dean Smith und Violeta Urmana Wagnerheroen, die man schon so viele Male in den großen Rollen gehört und gesehen hat. Die Erwartungen sind dem entsprechend hoch. Und die Enttäuschung ist – zunächst – groß.  Nein, ich meine nicht die Musik, den Orchesterklang. Vom ersten Takt an ist eine Tristan Musik zu hören, wie man sie sich  nicht schöner und eingängiger – warum sagen wir nicht: rauschhafter –  vorstellen kann. Ein Orchesterklang, der vom Anfang bis zum Ende den Zuhörer gleichsam umgarnt und in Bann schlägt. Ich meine, wenn ich von anfänglicher Enttäuschung spreche, auch nicht die Sänger, die sich so eigentümlich zurückhalten und die – im Wortverstande – immer wieder in den Schatten treten. Eine Zurückhaltung, die sich im Laufe des Abends als folgerichtig, als Teil des Inszenierungskonzepts erweist.

Enttäuschend sind  zunächst die Inszenierung und die Videoshow: eine vollkommen schwarz ausgekleidete Bühne, die im Halbdunkel gehalten wird. Einziges Requisit (in allen drei Akten) ist eine schwarz umhüllte Bank: Ort der Ruhe, der Liebe und des Todes. Brautbett und Totenbett zugleich. Die Videos, Bill Violas berühmte bewegte und sich bewegende Bilder, scheinen das Geschehen, die Meerfahrt, nur illustrieren zu wollen. Ein erster Eindruck, der sich als vollkommen fehl am Platze erweist. Die anfängliche Enttäuschung wird im Laufe des Abends einer immer größer werdenden Faszination weichen. Die Videobilder – sie illustrieren zwar auch, zeigen das Meer, die Felsenküste, eine arkadische Landschaft – doch vor allem erzählen sie eine Parallelgeschichte, erzählen von der rituellen Selbstaufopferung zweier Liebenden, erzählen vom Selbstmord des Paares im Meer, kehren im Finale zu Tristan und Isolde zurück und zeigen das „Ertrinken, Versinken“, das Eins-Werden mit „des Welt-Atems“  als ein Schweben und Aufsteigen der Körper im bläulich schimmernden Wasser. Ganz im Sinne des Novalis und seiner Vorstellung vom Wasser als „dem ewigen Element luftiger Verschmelzung“. Kitsch? Ergreifender Kitsch? Eine Hommage an die Kunst Bill Violas – so hatten wir den Pariser Tristan genannt. Es ist mehr. Der Zuschauer und Zuhörer erliegt gleichsam dem Zauber der Bilder. Sie dominieren letztlich alles. Und am Ende glaubt man, über Stunden in einem Bill Viola Museum mit verführerischem Wagner-Soundtrack gewesen zu sein. Ein Tristan als intermediales Spektakel. Eine grandiose Aufführung.

Wie schade, dass die Pariser Oper diese so ganz ungewöhnliche Inszenierung aus dem Repertoire nehmen wird. Wir sahen die „Dernière“ am 4. Mai 2014.

 

 

 

 

 

 

Und Wagner/Tristan stirbt im Palazzo Vendramin, und Cosima/Brangäne und Isolde/Mathilde „ertrinken – versinken“ – in Notenblättern. Tristan und Isolde an der Oper Lübeck

Sind die mittleren und kleinen Häuser der wahre ’Hort‘ der Wagner-Pflege? Muss man  weit in den Norden, ins ferne Lübeck reisen, um „Leiden und Größe Richard Wagners“ zu erfahren, zu genießen? Ein Gedanke, der einem nicht abwegig dünkt, wenn man in der Oper Lübeck eine grandiose Tristan und Isolde Aufführung erlebt, eine Aufführung, bei der alles stimmt: bei der das Orchester die berüchtigte ‚Klangfarbenpracht‘ ausbreitet, bei der die Musik  die berüchtigte ‚Suggestionskraft‘ entfaltet, sich im Publikum die berüchtigte „narkotisierende Wirkung“ der Wagner Musik einstellt, eine Wirkung, der sich kaum ein Zuhörer zu entziehen vermag. Auf der Bühne Wagner-Sänger, denen jeglicher Schreigesang fern liegt, Stimmen, die einen geradezu lyrischen Wagner-Gesang zelebrieren. Ein brillantes Ensemble von Sängerdarstellern, wie man es in dieser Geschlossenheit selten antrifft.… → weiterlesen

Die Eingeschlossenen oder die Weise von der Klaustrophobie. Eine Wiederaufnahme von Tristan und Isolde am Aalto Musiktheater in Essen

Braucht man für Barrie Koskys Tristan eine Gebrauchsanweisung, eine Betriebsanleitung? Vielleicht doch. Inszenierung und Bühnenbild irritieren den Zuschauer: in einem schwarzen Vorhang findet sich auf halber Höhe ein nach hinten, oben und an den  Seiten abgeschlossener kleiner Raum, möbliert im großbürgerlichen Stil des 19. Jahrhunderts. Vielleicht auch im Stil eines Luxusabteils im Orientexpress (Man erinnert sich: laut Libretto befinden sich die Akteure im ersten Aufzug auf einer Reise). Auch im zweiten und dritten Aufzug bleibt man in diesem Kasten. Im zweiten, da ist er unmöbliert und dreht sich noch dazu langsam um die eigene Achse.  Kindergartensymbolik.  Im dritten Aufzug, da ist der Kasten spärlich möbliert. Für den moribunden Tristan braucht man halt einen Sessel. Immerhin darf sich zum Sterben ein exaltierter Tristan  aus der Puppenstube stürzen, auf dass ihm Isolde in der Pose einer Mischung aus Mater Dolorosa und Maria Magdalena die berühmte Schlussweise singe.… → weiterlesen

Nicht unbedingt rauschhaft. Eher verhalten. Tristan und Isolde am Staatstheater Nürnberg

Tristan und Isolde hatten wir zuletzt in Starbesetzung  im Rahmen des Wagner-Zyklus des Berliner Rundfunksinfonieorchesters konzertant in der Philharmonie in Berlin gehört. Dem entsprechend waren wir mit einer gewissen Skepsis nach Nürnberg gefahren. Ein Vorbehalt, der sich schnell als gänzlich unbegründet erwies. In Nürnberg singt und agiert ein durchweg hervorragendes Wagner Ensemble. Mit welch ausdrucksmächtiger Stimme und welcher Spielleidenschaft Vincent Wolfsteiner als Tristan noch den gefürchteten dritten Akt gestaltet, das ist  beeindruckend, wenn nicht bewundernswert. Schade nur, dass er sich im ersten und zweiten Akt so sehr zurückhielt und  der Isolde in der Person der Lioba Braun – zu Recht der unumstrittene Star des Abends – das Feld überließ. Schaute und hörte man nur auf sie, dann hätte die Oper eigentlich an diesem Abend  in Isolde und Tristan umbenannt werden müssen. Und der Orchesterklang? Natürlich ist das alles perfekt und brillant, was da aus dem Graben tönt. „Verrückt“, wie Wagner die Tristan-Musik wollte, machten die Nürnberger Tristan-Klänge wohl nicht. Sie warfen auch nicht, wie Nietzsche einst Wagners „hypnotische Griffe“ umschrieb, „ die Stärksten noch wie Stiere um“. In Nürnberg spielt man einen eher Pathos freien Wagner. „Zu schön, zu verhalten, so wenig Zauber, so sehr zurück gedrängte Erotik“ – so meinte eine Dame neben mir. Ich weiß nicht. Vielleicht hat sie Recht. … → weiterlesen

Die Krupp Prinzessin und der Arbeiterführer aus dem Hüttenwerk – eine unmögliche Liebe. Willy Decker inszeniert Tristan und Isolde in der Jahrhunderthalle Bochum

Die Krupp Prinzessin und der Arbeiterführer aus dem Hüttenwerk – eine unmögliche Liebe. Willy Decker inszeniert Tristan und Isolde in der Jahrhunderthalle Bochum
In den Feuilletons lobt man den Ruhrtriennale Tristan, der noch bis zum 20. September in einer ehemaligen Werkshalle der einstigen Krupp Hüttenwerke gespielt wird, im Überschwang. Kein Zweifel: Anja Kampe in der Rolle der Isolde brilliert als Sängerin und Darstellerin, und Maestro Petrenko zelebriert mit den Duisburger Philharmonikern einen oft hinreißenden und dann wieder einen gleichsam zögerlichen Wagner Klang, so als wolle er sein Publikum vor einer Überdosis an Tristan Musik bewahren. Vorsicht vor Überforderung des Publikums war wohl auch die Grundkonzeption der Regie. Die triste Werkshalle … → weiterlesen