Händel und Grimani und Carsen, der Musiker, der Librettist, der Theatermacher, sie alle kennen ihren Machiavelli und wissen von ihm, dass Macht sich nur mit List und Gewalt erobern und bewahren lässt. Doch anders als der kühle Florentiner begnügen sie sich nicht mit der Beschreibung und Analyse politischer Machtstrukturen. Sie ziehen den Machtwahn ins Lächerliche, vernichten die Figuren in der Satire. Regisseur Robert Carsen geht noch einen Schritt weiter: nicht nur dass er die Satire aktualisiert, er ändert das Finale und kehrt zu Machiavelli zurück. Es gibt bei ihm keinen Komödienschluss, geschweige denn ein lieto fine. Der neue Machthaber greift zur Sicherung seiner Herrschaft als erstes zur Gewalt, lässt den möglichen Rivalen, die Geliebte, die ihn verschmäht und die Person, die ihn mit ihren Intrigen die Macht verschafft hat, umbringen.
Die machiavellistischen Gewalt- und Ränkespiele, die das Libretto in eine ferne Vergangenheit, in das Rom des Kaisers Claudius, verlegt hatte, transferiert die Regie in das faschistische Rom der Dreißigerjahre, macht aus dem Kaiser Claudius den Duce Mussolini , einen leicht vertrottelten älteren Herrn, den statt der Machtspiele nur die Sexspiele mit seinen Girls und die theatralische Selbstinszenierung für die Kameras interessieren. Ein Duce, der die Machtspiele seiner Gattin Agrippina, der die Ränke, Intrigen und Komplotte, mit denen diese ihren Sohn Nerone als Nachfolger des Duce aufbauen will, nicht im Geringsten durchschaut bzw. der diese gar nicht durchschauen will. Ihn interessieren nur seine Gespielinnen. Und die Folgen sind fatal.… → weiterlesen