Ein Libretto nach Metastasio, auf das Mozart einige seiner schönsten Arien für Frauenstimmen komponiert – und einige seiner langweiligsten Rezitative geschrieben hat (bzw. hat schreiben lassen). La Clemenza di Tito, eine wahre Crux für unsere Theatermacher. Vor ein paar Jahren hatte Martin Kusej in Salzburg die Figur des Tito als Trottel ‚entlarvt‘ und dessen Nachsicht und Milde als Masochismus eines Gestörten gedeutet. Eine ganz andere, vielleicht sogar eine ganz neue Interpretation schlug unlängst Krzysztof Warlikowski im Théâtre de la Monnaie vor, wenn er das Moment der permanenten Öffentlichkeit, in der der absolutistische Herrscher und seine Entourage stehen, herausstellt und dem entsprechend die Handlung konsequent in ein Fernsehstudio verlegt und die Handelnden zu Politikern von heute macht, die unter ständigem Stress ihr Leben verbringen und ihre Entscheidungen treffen. Eine wiederum andere Deutung war im vergangenen Sommer beim Festival der Alten Musik in Innsbruck zu sehen, eine Inszenierung, bei der das Produktionsteam unter Christoph von Bernuth eine Modeerscheinung des 18. Jahrhunderts, den Freundschaftsdiskurs, in das Zentrum des Interesses rückt und die homoerotischen Neigungen eines alternden Mannes zu einem androgynen Jüngling, dem jungen Sesto, in Szene setzt. Allesamt Deutungen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können und die für die Polyvalenz des scheinbar so antiquierten Librettos sprechen.
Und jetzt in München? Da weiß sich Theatermacher Jan Bosse nicht so recht zu entscheiden.… → weiterlesen