Rossini light? Giuseppe Saverio Mercadante, Didone abbandonata. Dramma per musica. Uraufführung 1823. Eine gelungene Ausgrabung bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik

„Das klingt ja alles wie Rossini“ – so flüsterte nach der Ouvertüre die Dame neben mir ihrer Begleiterin zu. Und damit hatte sie wohl recht. Ohne dass sie gleich  im Programmheft die gelehrten Ausführungen des Herausgebers der  kritischen Neuausgabe, Paolo Cascio, studieren muss, fallen auch der interessierten Opernbesucherin die Analogien zu Rossini gleich auf. Ein Feuerwerk von bravourösen Arien und Duetten, zahlreiche Chorpartien. Sopran (Didone), Mezzosopran (Enea) und Tenor (der Bösewicht Jarba) finden zahlreiche Gelegenheiten zu brillieren. Und da alle drei (Viktorija Miskunaité als Didone, Katrin Wundsam als Enea und Carlo Vincenzo Allemano in der Rolle des Jarba) über eine „geläufige Gurgel“ verfügen, triumphiert in Innsbruck der Belcanto. Ein Belcanto im Stile Rossinis, der wohl schon auf Bellini und Donizetti verweist.

Doch nicht zuletzt ist es auch die melodramatische Variante, zu der Mercadantes Librettist Leone Tottola einen hochberühmten frühen Metastasio Text umgeformt hat, die mehr an die romantische Oper als an die opera seria erinnert und die uns beim Schicksal der Dido mehr an die Heldinnen eines Bellini und Donizetti als an die unglückliche Königin von Karthago denken lässt.

Eine romantische Oper wollte wohl auch Jürgen Flimm inszenieren, als er das Geschehen aus mythischer Zeit in die Entstehungszeit der Oper verlegte, in eine Zeit, als die europäischen Mächte sich daran machten, Afrika zu kolonisieren und auf den Widerstand einheimischer Königreiche stießen.… → weiterlesen

Festtage 2016. Erhaben die Musik – Heterogen die Inszenierung. Gluck, Orfeo ed Euridice an der Staatsoper im Schiller Theater

An vier Abenden hintereinander  steht Maestro Barenboim  bei den diesjährigen Berliner Festtagen am Pult. Orfeo, Mahlers Sinfonie Nr. 9, Parsifal, Lieder eines fahrenden Gesellen, Elgars Sinfonie Nr.1. Ob mit der Staatskapelle Berlin, ob wie bei Mahlers Neunter mit den Wiener Philharmonikern,  alle vier Abende sind Abende der absoluten Hochkultur. Schöner,  besser, ergreifender, wenn  man so will, rauschhafter geht es wohl nicht.  Doch überlassen wir die Lyrismen den Feuilletonisten, denen, glaubt man ihnen, beim Orfeo „das totale Gluck- Glück“ geschenkt worden  ist, und sagen wir einfach:  wie Barenboim seinen Orfeo (in der Wiener Fassung von 1762) zelebriert, das ist schon sehr beeindruckend.

Sprechen wir lieber von der Inszenierung, die Jürgen Flimm verantwortet. Dass diesem Glucks und  Calzabigis  Variante des Mythos mit dem lieto fine nicht zusagt, dass er – und Barenboim folgt ihm dabei (wohl mit einem Zitat aus der Pariser Fassung) – einen zirkulären Schluss vorzieht und damit die tragische, die traurige Variante des Mythos vorschlägt, das ist eine Deutung , die man im Zusammenhang mit Gluck und Calzabigi nicht unbedingt teilen muss. So schickt denn  die Regie im Finale  Euridice in den Tod zurück, lässt den armen Orfeo zwar nicht von den Mänaden zerreißen, wie es die tragische Fassung des Mythos will,  sondern  zerstört nur seine Violine. Grabeserde findet Orfeo in seinem Geigenkasten. Musik und Gesang sind zusammen mit Euridice gestorben.… → weiterlesen

Sommergäste am Meer – Traum- und Puppenspiel in Partituren. Jürgen Flimm inszeniert Le Nozze di Figaro an der Staatsoper im Schiller Theater. Stefan Herheim an der Staatsoper Hamburg

Ein Zufall, dass zwei renommierte Staatsopern Mozarts und Da Pontes Commedia per musica nahezu gleichzeitig herausbringen: am 7. November war die Berliner Premiere, am 15.  November die Hamburger. Ein Zufall, dass in beiden Häusern renommierte Theatermacher für die jeweilige Produktion verantwortlich zeichnen. Ein Vergleich der beiden Inszenierungen bietet sich geradezu von selber an.

Wir wollen nicht vom musikalischen Part sprechen. Jeder Vergleich wäre in diesem Fall nicht sehr fair: in Hamburg steht das hauseigene Ensemble auf der Bühne und singt und spielt wie es dem Niveau eines großen Musiktheaters entspricht. Mehr war nicht zu erwarten. Und mehr wurde auch nicht geboten. In Berlin hingegen  hat man zu den schon allseits bekannten großen Namen des Hauses wie Anna Prohaska als Susanna  und Katharina Kammerloher als Marcellina für die weiteren tragenden Rollen noch dazu Stars der internationalen Opernszene engagiert:… → weiterlesen