Rossini light? Giuseppe Saverio Mercadante, Didone abbandonata. Dramma per musica. Uraufführung 1823. Eine gelungene Ausgrabung bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik

„Das klingt ja alles wie Rossini“ – so flüsterte nach der Ouvertüre die Dame neben mir ihrer Begleiterin zu. Und damit hatte sie wohl recht. Ohne dass sie gleich  im Programmheft die gelehrten Ausführungen des Herausgebers der  kritischen Neuausgabe, Paolo Cascio, studieren muss, fallen auch der interessierten Opernbesucherin die Analogien zu Rossini gleich auf. Ein Feuerwerk von bravourösen Arien und Duetten, zahlreiche Chorpartien. Sopran (Didone), Mezzosopran (Enea) und Tenor (der Bösewicht Jarba) finden zahlreiche Gelegenheiten zu brillieren. Und da alle drei (Viktorija Miskunaité als Didone, Katrin Wundsam als Enea und Carlo Vincenzo Allemano in der Rolle des Jarba) über eine „geläufige Gurgel“ verfügen, triumphiert in Innsbruck der Belcanto. Ein Belcanto im Stile Rossinis, der wohl schon auf Bellini und Donizetti verweist.

Doch nicht zuletzt ist es auch die melodramatische Variante, zu der Mercadantes Librettist Leone Tottola einen hochberühmten frühen Metastasio Text umgeformt hat, die mehr an die romantische Oper als an die opera seria erinnert und die uns beim Schicksal der Dido mehr an die Heldinnen eines Bellini und Donizetti als an die unglückliche Königin von Karthago denken lässt.

Eine romantische Oper wollte wohl auch Jürgen Flimm inszenieren, als er das Geschehen aus mythischer Zeit in die Entstehungszeit der Oper verlegte, in eine Zeit, als die europäischen Mächte sich daran machten, Afrika zu kolonisieren und auf den Widerstand einheimischer Königreiche stießen.… → weiterlesen

Abschied ohne Wiederkehr. Eine opera seria ohne lieto fine. Leonardo Vinci, Didone abbandonata im Rokoko Theater Schwetzingen

Eine absolute Rarität ist in diesem „10. Winter in Schwetzingen“ zu hören. Vincis Oper vom Jahre 1726 in Händels Bearbeitung. Ein Pasticcio, so informiert Maestro Wolfgang Katschner konzis im Programmheft, bei dem Händel Rezitative gekürzt, Arien gestrichen, Arien anderer zeitgenössischer Komponisten eingefügt, doch am Stil der ‚Scuola di Napoli‘, zu deren herausragenden Vertretern Vinci zählt, nichts geändert hat. Auch die Händel Fassung haben Katschner und seine Mitarbeiter noch einmal bearbeitet und dabei – nicht zuletzt aus dramaturgischen Gründen – auf manches da capo in den Arien und auf manches Rezitativ verzichtet. Ob die vielen Striche notwendig waren, ob dabei vielleicht so manche Kostbarkeit verloren ging, das kann ich nicht beurteilen.

Wie dem auch sei. Dieses Schwetzinger Pasticcio begeistert alle Male. Und dies zu Recht. Was Solisten, Orchester und Szene boten, das war einfach exzellent. Zwei Countertenöre, Kangmin Justin Kim  als Enea und primo uomo, Terry Wey als Jarba und secondo uomo,  die geradezu um die Wette singen. Rivalen als Sänger, die als Bühnenfiguren um die Gunst der Didone kämpfen, der Primadonna in der Person der Rinnat Moriah, die als Sängerin, Schauspielerin und noch dazu als Bühnenerscheinung die Szene dominiert. Auch die drei kleineren Rollen sind ungewöhnlich gut besetzt.… → weiterlesen