Wenn man wissen, hören, sehen will, was die grand opéra ausmacht, dann muss man dorthin fahren, wo sie entstanden ist: nach Paris. Dort gibt es dann alles auf einmal zu hören und zu sehen, was im frühen 19. Jahrhundert die Opernwelt bestimmte, ein Genre, dem sich weder Verdi noch Wagner entziehen konnten. Und die von viel oder auch zu viel Wagner und Verdi geschädigte Opernbesucherin glaubt bei Meyerbeer immer wieder Wagner und Verdi mitzuhören: Wagner bei den gewaltigen Chören und den Finalszenen, Verdi zum Beispiel in dem großen Liebesduett im vierten Akt. Vielleicht hat die Besucherin auch zu viel darüber gelesen, dass Verdi und vor allem der frühe Wagner, gewollt ob ungewollt, auf Meyerbeer zurück verweisen.
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Che inferno zuccherato! Il Trittico an der Bayerischen Staatsoper
Das Feuilleton jubelt und schwelgt in schiefen Lyrismen. Wenn Kirill Petrenko in München am Pult steht, dann ist in den Gazetten nur noch Jubel angesagt und im Saale kritiklose Begeisterung. Und das gilt auch für den Puccini Abend. Alles klingt so wunderschön, so wundersüß. Ein Puccini Piano, ein Pianissimo, wie man es in dieser Vollendung vielleicht noch nie gehört hat.
Und doch bleibt im Mittelstück, in der Suor Angelica, ein Unbehagen, dem man sich nur schwer entziehen kann. Sind da vor allem im Finale bei der Sehnsucht nach dem Kind, bei dem Irrglauben, dieses Kind als Engel im Himmel wieder zu finden, bei diesem Selbstmord, der in Verzweiflung endet, sind da die Grenzen zum süßen Kitsch alla Madame Butterfly nicht gefährlich nahe? Oder will das Orchester mit seinem sanften Schwelgen im Piano, das geradezu im Pianissimo verhallt, den bei Puccini schon immanenten Kitsch besonders exzessiv herausstellen? Soll an die Rührseligkeit der Zuhörer appelliert werden? Will man, dass des Mitleids ‚Tränen fließen‘? „Zu viel! Zu viel!“… → weiterlesen