Norma im Wahnsinn. Christof Loy inszeniert Bellini an der Oper Frankfurt und Elza van den Heever triumphiert in der Titelrolle

Sie singt und spielt schon ‚wahnsinnig‘ schön. Das ist Belcanto, wie er kaum exquisiter sein kann, Belcanto in Perfektion, Bellini Melodien, wie sie schon die Zeitgenossen gerühmt haben, wie sie schon die Zeitgenossen ‚verrückt‘ gemacht haben. Eine ‚Verrücktheit‘, die auch so manchem Besucher im Frankfurter Opernhaus widerfuhr: die einen waren zu Tränen gerührt, andere, so zwei in die Jahre gekommenen Jünglinge hinter mir, konnten sich beim Schlussapplaus gar nicht mehr beruhigen. Sie erlebten wohl gerade den berüchtigten ‚Orgasmus in der Opernloge‘. Von den Gefahren und Gelüsten, die den Melomanen bei Bellini drohen, weiß selbstverständlich die Frankfurter Dramaturgie, wenn sie mit ironischem Augenzwinkern gleich auf dem Deckblatt ihres Programmhefts einen einstmals berühmten Kritiker zitiert: „Jemand, der aus einer Aufführung von Norma kommt und nicht bis zum Überfließen erfüllt ist von den letzten Seiten dieses Aktes, weiß nicht, was Musik ist!“ (Alfred Einstein).… → weiterlesen

Im Totenschiff über den Acheron. Puccini, Il Trittico. Eine Wiederaufnahme der Claus Guth Inszenierung an der Oper Frankfurt

Was hält die drei scheinbar so unterschiedlichen Stücke: Il tabarro, Suor Angelica, Gianni Schicchi eigentlich zusammen? –  Das Leitmotiv des Todes, so die Antwort der Regie. Der Mord am Liebhaber in der scheinbar so simplen Dreiecksgeschichte, der Selbstmord der Protagonistin in der scheinbar so simplen Satire auf das Leben im Nonnenkloster, der Selbstmord des Gianni Schicchi  in der scheinbar so simplen Erbschleicher Komödie. Oder ist der Tod   des scheinbar so erfolgreichen Testamentsfälschers ein Unglücksfall?  Oder ist Schicchi schon dem  Irrsinn verfallen, der Strafe, die Dante für Fälscher vorgesehen hat? Die Regie lässt die Frage offen.

Wenn das Thema des Todes das die drei Stücke verbindende Leitmotiv ist, dann ist es nur konsequent, wenn die Regie das alte Motiv von der Seereise  als Metapher für die Lebensreise aufnimmt und dieses mit dem Motiv der letzten Reise, die den Seelen bestimmt ist, verbindet: der Reise auf der Barke des Charon über den Acheron in die Unterwelt. In die Unterwelt fahren sie alle hinab: der Liebhaber, dem das Geschick des Paolo aus der Divina Commedia bestimmt ist, die Ehebrecherin Giorgetta, der das Schicksal der Francesca da Rimini droht, die um ihr Leben und um die ersehnte Seligkeit betrogene Novizin Suor Angelica, Gianni Schicchi, der sein Endgeschick schon von Dante her kennt.… → weiterlesen