In Zürich hatten wir im Dezember mit der Frau ohne Schatten einen geradezu berauschenden Strauss Abend erlebt. Auch die Inszenierung mit ihren Max Ernst Zitaten, mit ihren Verweisen auf die späte Habsburgerzeit und auf Zolas Edelproletarier und nicht zuletzt auch mit ihren Metatheatergags war durchaus gelungen. Und jetzt bei der Elektra? Ein zwiespältiger Eindruck bleibt da zurück. Zwar singt und agiert ein renommiertes Ensemble, zwar spielt das Zürcher Orchester brillant wie immer. Doch dieses spezifische Strauss Ambiente, diese angebliche Ekstase, die die Elektra- wie die Salome Musik auszeichnen sollen, all dies will nicht so recht aufkommen. Die Musik packt nicht. Sie bleibt einfach kalt. Vielleicht klang alles zu laut und zu undifferenziert? Ich weiß es nicht. Auch die Inszenierung war weit davon entfernt, eine subtile Dekadenzatmosphäre zu suggerieren. Ganz im Gegenteil. Von der Subtilität und der Psychologisierung, mit denen Hofmannsthal den Elektramythos neu erzählte, will sie wenig oder gar nichts wissen. Sie setzt eher auf Banalisierung des Mythos oder vielleicht auch auf seine Transponierung in Wahnvorstellungen. Auf der Bühne – ein sich perspektivisch verengender schlauchartiger Raum mit einer Vielzahl von Türen, der vielleicht auf das Hospiz des Marquis de Sade zu Charenton verweisen soll – agiert in der Rolle der Elektra ein ausgeflipptes Unterschichtengirl, das sich seinen Rachephantasien hingibt. Schwester Chrysothemis, die sich so sehr „ein Weiberschicksal“ wünscht, kommt als eine Art Heilige im weißen Gewande daher. Mutter Klytämnestra, die nach dem Mord an Agamemnon angeblich unter Wahnvorstellungen leidet, wirkt keineswegs angekränkelt, sondern mimt in ihrem blauen Mantel über rotem Kleid eher eine gefallene Madonna. Bruder Orest, wenn er mit einem Mal aus graublauem Nebel auftaucht, könnte direkt den Obsessionen und Wahnvorstellungen der Elektra entsprungen sein. Und Elektras befreienden Tanz, „dieses bacchantische Mittel ihrer Katharsis“, wie es im Programmheft heißt, diesen Tanz führt eine afrikanisch-brasilianische Tanzgruppe vor, und Elektra und alle Hausgenossen des Hospiz ergehen sich in spastischen Bewegungen. Eine finale Wahnvorstellung der Protagonistin? Eine Rücknahme der Ernsthaftigkeit, mit der die Regie den Mythos erzählt? Ich weiß es nicht. Zürichs Elektra hat mich weder musikalisch noch szenisch überzeugt. Wir sahen die Vorstellung am 31. Januar 2010.