Im Barock Museum – Riccardo Broschi, Merope bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik 2019

Mit dem  dramma per musica Merope, das im Jahre 1732 in Turin uraufgeführt wurde und das für bald 300 Jahre aus dem Repertoire verschwand, ist Alessandro De Marchi und seinem Team eine höchst ambitiöse Ausgrabung  gelungen. Die temperamentvolle Musik, die virtuosen Arien sind ein Fest der Barockmusik, lassen den Zuhörer glauben, in die Theaterwelt des 18. Jahrhunderts zurück versetzt zu werde. Ein Eindruck, den die Inszenierung gezielt verstärkt. Ausstattung, Kostüme, Masken, Frisuren sind historisierend. Auftritte,  Gesten, Körpersprache der Sänger orientieren sich an Modellen der Barockzeit. Die Lichtregie stellt das gelbliche Licht der Kerzen nach. Mit einem Wort: die Inszenierung ist so manieriert, so barockisierend, dass wir uns in einem Theater, in einer Aufführung des frühen 18. Jahrhundert glauben können. Es gibt nur einen entscheidenden Unterschied:  im Gegensatz zum einstigen Publikum sitzt das Publikum von heute im abgedunkelten Saal still und diszipliniert auf seinen Stühlen, hört nicht nur auf die Bravourarien, sondern auch auf Rezitative und Intermezzi,  feiert keine privaten Feste in den Logen, sondern harrt der spärlichen Genüsse, die die Theater-Gastronomie anbietet.

Es ist einfach bewundernswert, wie Musiker und Solisten, wie Kostüm- und Bühnenbildner, wie die Regie über fünf Stunden hinweg die Illusion des perfekten Barocktheaters aufrecht zu erhalten wissen. Hier müssten wir sie eigentlich alle beim Namen nennen: die Musiker, sie allesamt Spezialisten für historische Aufführungspraxis  im eigens zusammengestellten Innsbrucker Festwochenorchester, die Regisseurin und Choreographin Sigrid T’Hooft, den Kostüm- und Bühnenbildner Stephan Dietrich und vor allem die so brillanten Sängerinnen und Sänger. Wir haben den Countertenor David Hansen schon so manches Mal gehört. Doch wie er jetzt in Innsbruck die für Farinelli geschriebene  Partie des Epitide sang, da hat er sich selber übertroffen. Ein Sänger, der mit Stimme und Bühnenerscheinung die manierierte Welt der opera seria wieder auferstehen ließ. Diese virtuose Gesangskunst wirkt geradezu ‚berauschend‘, und man glaubt zu ahnen, warum das Publikum des 18. Jahrhunderts ‚verrückt‘  nach diesen Stimmen war.

So brillant auch alle anderen Solisten an diesem langen Abend waren – nennen wir beispielhaft Anna Bonitatibus als Primadonna und Arianna Vendittelli als Seconda  Donna – in dieser scheinbar unendlichen Abfolge der Arien war der Countertenor der Star. Ganz wie es sich für eine opera seria von Broschi gehört.

Und die Handlung? Sie ist gar nicht wichtig. Der Prinz, dessen Vater und dessen Brüder der Usurpator ermordet hat, stürzt den Tyrannen.. Die Mutter erkennt ihnen Sohn trotz aller Intrigen am Ende wieder, und der Prinz kriegt die Prinzessin und gewinnt die Macht. Ein lieto fine, wie es sich gehört.

Doch das ist, wie gesagt, nicht wichtig. Die Musik und der Reigen der so virtuosen Arien und nicht zuletzt das perfekt rekonstruierte Barockambiente machen den Reiz der Aufführung aus.

Wir besuchten die Aufführung am 11. August, die Dernière.  Die Premiere war am 7. August 2019.

 

Beziehungskiste nebst Krimi. Alcina als Soap-Opera im Theater an der Wien

Jetzt haben wir in diesem Jahr zum zweiten Mal eine Inszenierung erlebt, bei der die Regie mit Händels Alcina wenig anzufangen weiß, allen Zauber zerstört und aus einer Opera seria eine Soap-opera macht.

Halten wir der Wiener Aufführung zu Gute, dass es hier nicht ganz so schlimm zugeht wie bei den Karlsruher Händel Festspielen. Dort hatte Captain Roger von der Army sich in der Luxusvilla seiner schwangeren Mätresse eine Auszeit genommen. Doch kaum hat er von seinem alten Ausbilder eine Standpauke abbekommen, da besinnt er sich auf seine militärischen Pflichten und macht zum Abschied Kleinholz aus dem Haus der Mätresse.

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