In Pucks Phantasie-Welt nebst Frühlingserwachen in der Schule. Michieletto inszeniert Britten, A Midsummer Night’s Dream am Theater an der Wien

Bei Theatermacher  Michieletto  sind wir nicht am Hofe von Theseus und Hippolyta. Da verirren sich die Liebenden auch nicht im Athener Wald. Da ereignet sich alles in der Turnhalle einer englischen Internatsschule – und in der Imagination eines traumatisierten Teenagers, der sich auf der Flucht vor seinem Trauma eine eigene Welt erschafft (Was es mit dem Trauma auf sich hat, das erfährt das Publikum erst im Finale). In dieser Welt der Phantasie werden die jüngsten Mitschüler zu tölpelhaften Elfen, die älteren zu Laienschauspielern, die sich mit einem Theatercoup außer Fassung bringen lassen oder  zu  Liebespaaren, die an sich selber irre werden. In dieser Welt wird das Kuscheltier zum  Monster und der traumatisierte Einzelgänger  zu Puck, dem Faktotum des Elfenkönigs, das mit all diesen Streichen seine Mitschüler erschrecken und verwirren darf.

Eine durchaus einsichtige und das Stück tragende Grundkonzeption, der alles Romantisierende widerstrebt, die auf die komisch-grotesken Einschübe, wie sie das Libretto vorgibt, nicht verzichtet und die doch den Schwerpunkt auf Traumata und Albträume setzt, die eine Welt in Szene setzt, die ihre Fluchtpunkte weniger bei Shakespeare als bei Strindberg, Freud und Jung hat.

Gleich die erste Szene weist in diese Richtung. Ein sich von allen anderen  fern haltender Schüler will sich vom Direktor und seiner Mitarbeiterin (bei Shakespeare Theseus und Hippolyta)  partout nicht disziplinieren lassen. Kaum lassen diese von ihm ab, holt er aus seinem Ranzen eine Halbmaske, setzt sie sich auf, und schon phantasiert er sich das Elfenreich herbei: eine groteske Horde von Internatsschülern, die zu ihren englischen Schuluniformen Perücken und Masken tragen. Anders als ihr Gefolge im Elfenreich sind Oberon und Tytania von Kostüm und Maske her keine Märchenfiguren, sondern ein Paar mittleren Alters aus der Welt von heute. Oder anders gesagt: beide bewegen sich auf einer Mittellinie zwischen Märchenwelt und  ‚Wirklichkeit‘. Auch dies erklärt sich im Finale.

Bis dahin geht es turbulent in der Turnhalle zu – ganz wie wir das vom Sommernachtstraum her kennen. Da  spielen die Liebespaare ‚Bäumchen verwechsel dich‘, lieben sich und zanken sich. Da mimen in den  Handwerker Szenen gute Schauspieler schlechte Schauspieler. Kein Frage, dass dies alles gekonnt und unterhaltsam in Szene gesetzt wird und dass gesungen und gespielt wird, wie es dem hohen Niveau des Hauses entspricht.

Im Finale wird es dann noch einmal ernsthaft. Das groteske Schauspiel, in  das die Mimen des Schülertheaters das Sterben von Pyramus und Thysbe verdrehen, hat für den Schüler Puck gleichsam die Wirkung eines Heilschlafs. In die Figuren von Oberon und Tytania hatte er – so erfahren wir über Videos –   seine bei einem Verkehrsunfall umgekommenen Eltern projiziert. Im Schlaf, im Sommernachtstraum, befreien ihn die Phantasiefiguren von seinem Trauma und lassen ihn die ‚Wirklichkeit‘ akzeptieren.

Ein vielleicht etwas zu forcierter Schluss, der sich doch aus der von Anfang an angelegten Aufwertung der Figur des Puck ergibt. Eine Aufwertung, die seltsamerweise nicht von der Musik gestützt wird. Die Rolle des Puck ist  bei Britten eine Sprecherrolle. Doch dank der überragenden  Maresi Riegner wird die Figur des Puck auch in der Oper zu einer Hauptrolle, zur tragenden Hauptrolle in der Grundkonzeption der Inszenierung.

Absoluter Star im Bereich der Musik ist ohne Zweifel Oberon  in der Person des Bejun Mehta. Ich hatte diesen Ausnahmesänger  schon länger nicht auf der Bühne erlebt. Bei diesem Sänger gibt es nichts zu bekritteln. Sagen wir es mit ein bisschen Pathos: die Macht dieser schönen Stimme ‚verzaubert‘ das Publikum.

Wir besuchten die Aufführung am 25. April 2018, die Dernière. Die Premiere war am 15. April 2018.

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Leid und Liebe und ein halbes Happy End. Damiano Michieletto inszeniert Massenet, Cendrillon an der Komischen Oper

Keine glitzernden Koloraturen, kein strahlendes Finale mit obligatorischer Bravourarie der Primadonna wie bei Rossinis Cenerentola, keine versoffenen Banker auf der Szene wie in der Stuttgarter Rossini Inszenierung.

Massenets Aschenputtel Variante vom Jahre 1899 steht Rossini fern. Zur Musik, ich hatte Cendrillon nie zuvor gehört, geschweige denn auf der Bühne gesehen, mag und kann ich nichts sagen. Eine gefällige, spätromantische Musik? Wohl auch ein bisschen Kitsch? Massenet –  so Maestro Henrik Nánási im Programmheft –  sei „ein handwerklich unglaublich professioneller Komponist von großer Könnerschaft: Harmonik, Form und Orchestrierung bilden eine Einheit“(p. 13).  Das mag schon so sein.

Sprechen wir lieber von der der Inszenierung. Sie hat alles, was man von Michieletto kennt und auch erwartet: Witz, Komik und Groteske und eine neue Geschichte  und als Zugabe noch eine Prise Kitsch.… → weiterlesen

Die Mär von der gescheiterten Integration nebst Märchen- und Traumtheater und Francesca da Rimini Subtext. – Rossini, Otello am Theater an der Wien

Wenn Damiano Michieletto inszeniert, dann darf das Publikum zu Recht einen Highlight der Regiekunst erwarten –  wie zum Beispiel bei Puccinis Triptychon, das der Theatermacher aus Venedig vor ein paar Jahren in Wien herausbrachte – oder man  muss sich auf einen Flop gefasst machen wie zum Beispiel bei der Così fan tutte, die uns vor zwei Jahren in Barcelona verärgerte. Hier in Wien –sagen wir es gleich –  zeigt sich Michieletto wieder von seiner besten Seite, zieht alle Register seiner Kunst, ‚produziert seine ‚Kunstfertigkeiten‘, deckt verborgene Schichten von Rossinis dramma per musica auf.

Die Regie konzentriert sich auf die Grundstruktur des Stücks, lässt alles unnütze Beiwerk wie das Militärische beiseite und erzählt eine neue Geschichte. Dieser Otello, wie ihn Michieletto versteht, ist kein ‚Mohr‘ und kein Admiral in den Diensten der Republik Venedig. Er ist ein arabischer Investor, der mit den Großkaufleuten von Venedig zum Vorteil des Staates einträgliche Geschäfte gemacht hat und der als Gegenleistung nichts anders verlangt als eingebürgert zu werden. Ein Idealfall für die Apologeten der Integration? Eine Bestätigung  für die Multikulti Idealisten? Nicht doch! Das Bürgerrecht, so signalisieren es, wenn auch recht unwillig,  die Mitglieder ‚der herrschen Klasse‘ könne man schon konzedieren, doch einen Zugang zur hohen Gesellschaft wisse man dem Fremden  zu verwehren.… → weiterlesen