Nein, die Oper Leipzig hat keine Zeffirelli Produktion in einem italienischen Opernmuseum ausgegraben. Auch bei der Bregenzer Seebühne ist man wohl nicht vorstellig geworden.
Die Materialschlacht, das große Spektakel, ist eine Eigenproduktion, ein Hochfest der Bühnentechniker, die mit Szenenapplaus gefeiert werden. Dass die müde, abgestorbene Mannschaft des Holländers in einem historischen Segelschiff auffährt, in einer morschen Barke, die ihre blutroten Segel bis weit in die ersten Parkettreihen ausbreitet, dass die Matrosen mit Pulver und Feuer die Schiffskanonen für ein Gefecht vorbereiten, einen solches Piratenstück, ein solches Spektakel weckt auch die müden Greise im Publikum auf. Ja, und wenn dann Jäger Erik mit der Flinte in der Hand Senta aus dem Bett des Holländers, des bleichen Mannes, der schon halb verwest ist, zerrt, dann wird es richtig gruselig. Nicht genug damit. Im Erlösungswahn fährt Senta in den Bühnenhimmel, stürzt sich hinunter („treu bis in den Tod“), – und der gespenstige Holländer zerfällt zu Asche, und Flintenmann Erik hat im Wortverstande das Nachsehen.
Selbstmord, Zerfall zu Asche, filmreifes Piratenschiff sind beileibe nicht die einzigen spektakulären Szenen. Zusammen mit verendeten Walen hat das Meer den Holländer aufs Land geworfen. Die Bäuche der Wale sind voll gestopft „mit Schätzen aller Art“. Im zweiten Aufzug gibt’s eine halbe Hundertschaft von Spinnerinnen in historischen Kostümen aus dem frühen 19. Jahrhundert zu besichtigen. Jäger Erik trägt als Zeichen seiner Zunft einen erlegten Hasen auf dem Rücken. Das angebliche Bild des Holländers, das Senta mit sich herumträgt, ist eine schwarze leere Tafel. Ja, und jetzt wissen es alle im Publikum: Sentas Erlösungswahn ist nur die Spinnerei einer überdrehten jungen Frau.… → weiterlesen