Und der Himmel hängt voller Champagner. L’Elisir d’Amore an der Deutschen Oper am Rhein

„Una furtiva lacrima…“ – diesen Ohrwurm kennen wir alle. Und sagen wir es gleich: der schüchterne, tollpatschige Nemorino (in der Person des Tenors Ovidiu Purcel) sang diese Bravourarie wirklich wunderschön. Wie er da im schwarzen Outfit so ganz allein auf der fast dunklen Bühne an der Rampe steht und von seiner Liebe schmachtet, da ist er wirklich „herzergreifend“ – wie die beiden älteren Damen in der Reihe hinter mir lautstark bemerkten.

Doch wir wollen hier nicht über das Publikum und erst recht nicht über die Akteure spotten. Ganz im Gegenteil. In Düsseldorf ist eine in Musik und Szene recht brillante  und amüsante Aufführung zu hören und zu sehen. In allen Rollen wird herausragend schön gesungen, eben Donizetti Belcanto zelebriert, und begeistert und begeisternd Komödie gespielt. Aus dem ersten Akt macht die Regie eine italienische Hochzeit und orientiert sich dabei wohl am neorealistischen Film oder vielleicht auch einfach nur an traditionellen Hochzeitsfeiern irgendwo im mediterranen Raum. Da wird dann gegessen und getrunken, getanzt und geflirtet, da werden halt alle Klischees bemüht, oder sagen wir besser: ironisch zitiert. Der arme, ach so verliebte Nemorino, der als dümmlicher  Hilfskellner agiert, muss hilflos mit ansehen, wie der schmucke Macho Belcore in seiner weißen Marineuniform ihm die angebetete Adina (in der Person der Anett Fritsch) ausspannt. Da hilft ihm auch der alte Slapstick Gag – dem Gegenüber die Sahnetorte ins Gesicht werfen – nicht weiter.

Seien wir unbesorgt. Wir sind ja bei Donizetti in der opera comica, und da wissen wir, dass alles gut ausgeht. Und das erst recht, wenn die Regie den zweiten Akt in den Düsseldorfer Karneval verlegt. Im Karneval ist ja bekanntlich alles möglich. Und auch aus einem unmöglichen Paar kann ein mögliches werden. Auch dass die temperamentvolle Schöne, der der Sinn doch immer nur auf Flirten steht und der wohl der Champagner die Sinne verwirrt hat (wie schon vorher dem kleinen Nemorino der Bordeaux), sich im Finale in ihr kleines Schwarzes und dem Tölpel an den Hals wirft,  auch dass nehmen wir hin. So verlangen es halt die Schemata der Komödie und die beiden Erfolgsliteraten: Eugène Scribe, der mit seiner pièce bien faite „Le philtre“  die Vorlage lieferte und Felice Romani, der daraus das Libretto für Donizetti zimmerte. Wie dem auch sei. Wir sind in der Buffa und noch dazu beim Karneval, in einem Stück, das die Regie mit Witz und Ironie und nicht zuletzt mit mildem Spott über italienische Hochzeiten und rheinischen Karneval  in Szene setzt, einem Stück, in dem das Düsseldorfer Ensemble brillant singt und spielt. Ein höchst gelungener Opernabend in der Deutschen Oper am Rhein.

Wir sahen die Vorstellung am 1. März 2015. Die Premiere war am 30. Januar 2015.

 

 

Ferragosto am Lido. Damiano Michieletto inszeniert L’Elisir d’Amore als Parodie auf den italienischen Sommer am Meer

Vielleicht muss man wirklich ein italienischer Theatermacher sein, um eine solch spaßige, witzige und noch dazu in keinem Augenblick böse oder gar bösartige  Parodie  auf den italienischen Familienurlaub am Mittelmeer in Szene setzen zu können, wie sie jetzt in Graz zu sehen ist. Da dösen die Großväter auf der Liege und lassen ihre dicken Bäuche in der Sonne braten, da springen und stolpern in all dem Gedränge die Bambini herum, da präsentieren sich die braven Mütter und Hausfrauen, die Sonnenbrille dekorativ im Haar, in Miniröcken, da spielen die Männer Karten und die am Testosteron-Überschuss leidenden Ragazzi gehen auf die Balz, da ist der Tölpel  Nemorino der Beach Boy, der  Müll und Luftmatratzen einsammeln muss und die schöne und schnippische Adina anhimmelt. Adina, die gut betuchte Besitzerin der Strandbar, die  es gar nicht nötig hat zu kellnern (das besorgt für sie Giannetta, die kleine Nymphomanin). Adina lacht, flirtet, liest (natürlich am Laptop) und macht sich über ihren Beach Boy lustig. Belcore im Aufzug des Capitano eines Kreuzfahrtschiffes ist die Karikatur eines Macho und Don Giovanni und noch dazu die Parodie des unseligen Capitano, der das bekannte Kreuzfahrtschiff auf den Felsen gesetzt hat (spätestens im Finale kriegen wir das alle mit, wenn die Polizei ihn abführt). Dulcamara und seine langbeinigen Hostessen sind wohl auf einer Werbetournee für ein bekanntes österreichisches Aufputschgetränk.… → weiterlesen