Eine böse Altenheim Satire. Die Meistersinger von Nürnberg im Staatstheater Wiesbaden. Internationale Maifestspiele 2019

In dem so verstaubt wirkenden Staatstheater, einem Haus, in dem sich ganze Kohorten  von greisen Luxusrentnern  an Buffet und Musik zu ergötzen pflegen, war man dieses Mal sehr mutig. Nicht nur, dass man anlässlich der alljährlichen Maifestspiele wohl den ganzen Etat ausgeschöpft hat, um gleich vier Stars von den Bayreuther Meistersingern zu engagieren: Michael Volle für die Rolle des Hans Sachs,  Günther Groissböck für den Pogner, Johannes- Martin Kränzle für die Rolle des Beckmesser, Daniel Behle als David. Nicht genug damit. Von der Deutschen Oper Berlin  holte man sich den jungen Wagner Sänger Thomas Blondelle, der als Stolzing debütierte.

Michael Volle als Hans Sachs ist in dieser Rolle als Sänger und Komödiant, wie wir schon in Salzburg und zuletzt in Bayreuth feststellen konnten, geradezu unübertreffbar. Und das gleiche gilt für Johannes -Martin Kränzle und Daniel Biehle als Beckmesser bzw. als David. Günther Groissbröck konnte sich leider kaum entfalten. Von Kostüm und Maske war er mehr als ‚behindert‘. Ihn hatte die Regie zu einem von Schlaganfällen gezeichneten blinden Tattergreis mit Gehwägelchen gemacht. Einen so dynamischen jungen Stolzing, wie ihn Thomas Blondell in Stimme, Spiel und Bühnenerscheinung bot, sieht und hört man höchst selten. Er ist eben nicht sanft und lyrisch wie Klaus Florian Vogt, den wir zuletzt in Bayreuth in dieser Rolle erlebt haben, sondern ein schon fast baritonaler Stolzing, dem man ohne weiteres auch den Rocksänger abnehmen würde. Mit anderen Worten: in Wiesbaden gab’s ein Sängerfest. Bei diesem brillanten Ensemble, das bei den Maifestspielen auf der Bühne sang und agierte, kann man nur sagen: Besser geht’s nicht.… → weiterlesen

„Was für eine furchtbare Inszenierung“. Das Capriccio der Untoten oder Ästhetik nach Stalingrad. Richard Strauss, Capriccio. Konversationsstück für Musik in einem Akt am Theater an der Wien

Zum baldigen Finale der Stagione haben sich die Wiener  für eine Strauss-Produktion eine Theatermacherin aus dem ‚Reich‘ geholt. Eine Dame mit einem Brecht- und Adorno-Schaden, die mit dem späten Strauss wenig anzufangen weiß und wohl  viel lieber Mutter Courage oder den Troubadour oder Die Soldaten inszeniert hätte.

Wie kann man denn, so mögen die Vorüberlegungen zur Capriccio Inszenierung gewesen sein, im Jahre 1942 eine Oper mit einem weltfremden ästhetischen Thema schreiben. Eine Konversation über den Vorrang von Musik oder Text, eine Diskussion, die beinahe so alt ist wie die Gattung Oper selber, ein Streitgespräch über die Hierarchie der Künste, ein Plaudern über das Theater-Machen und das Metatheater, und dies alles  in den Zeiten von Auschwitz und Stalingrad.… → weiterlesen