Ein kleines Mädchen ist diese fanciulla nun wirklich nicht. Minnie (nicht zu verwechseln mit der fragilen Mimi) ist eine gestandene Frau, die zugegebermaßen die ‘Liebe als Passion‘ reichlich spät für sich entdeckt und die es dann auch gleich heftig erwischt. Eine resolute Frau, die ihren Outlaw vom Galgen rettet, die eine ganze Horde von handfesten Mannsbildern – allesamt kräftige Minenarbeiter, die sich aufs saufen und raufen verstehen und auch vor der Lynchjustiz nicht zurückschrecken – eine Frau, die im ersten Akt als keusche Wirtin und kundige Bibelleserin und im Finale als sanfte Liebende mit dem Revolver in der Hand die wilden Jungs zu lammfrommen Gutmenschen macht.
In dieser Situation kann der Sheriff, der zu gern den Outlaw und Rivalen um die Gunst der fanciulla beseitigt und die Dame in sein Bett gezerrt hätte, nur als Verlierer dastehen und mit dem Revolver herum fuchteln. Ob er den Delinquenten und seine Geliebte am Ende doch noch erledigt oder ob er sich selber ins Jenseits befördert, das überlässt Theatermacher Barrie Kosky, der in Zürich Regie führt, der Imagination de Publikums.
So haben wir denn in Zürich ein Opernmärchen aus dem Wilden Westen gesehen, ein Märchen, in dem, ganz wie es die traditionelle Märchenstruktur verlangt, der Böse leer ausgeht und die Prinzessin ihren Prinzen bekommt, „und es war alles, alles gut!“
Eine Puccini Oper ohne Leiche, eine trotz des amerikanischen Sujets etwas anachronistische Oper noch in der Belcanto Tradition, in der Sopranistin, Tenor und Bariton Paraderollen haben und auch, obgleich sie nicht in großen Arien brillieren, wundersüß singen dürfen (zumindest gilt dies für Sopranistin und Tenor. Der Bösewicht von Bariton muss sich mit dramatischen Ausbrüchen begnügen).
Wenn man Puccini mag, dann ist die von den Theatern gern stiefmütterlich behandelte Fanciulla del West sicherlich ein Hit. Allerdings bedarf es dazu einer Sängerin vom Format der Catherine Naglestad, die mit Stimme, Spiel und Bühnenerscheinung die Szene ‚dominiert‘. Allegemeine Begeisterung im Publikum, das ja weder von der Musik noch vom Bühnengeschehen sonderlich gefordert war.
Wir sahen am 21. Dezember 2017 die Wiederaufnahme einer Barrie Kosky Inszenierung aus der Spielzeit 2013/14. Die Premiere war am 22. Juni 2014.