Soll man sich darüber ärgern oder einfach nur darüber lachen, wie ein einstmals gefeierter Sänger aus dem Lande der Azteken in seiner neuen Rolle als Intendant eines berühmten Festivals der Mozartmusik aus diesem Fest ein Fest der Selbstvermarktung, der Selbstgefälligkeit, des Narzissmus macht, bei öffentlichen Auftritten sich mit einer pseudo-mexikanischen Folklore Band umgibt, herumtänzelt und dazu verkündet, Mozart sei der Größte, aber wohl meint, er sei der Größte.
Doch seien wir beruhigt: die Machtübernahme ist nicht total. Noch immer musizieren in Salzburg die Wiener Philharmoniker (wenngleich im Kleinen Haus). Auch Christophe Rousset und Les Talens lyriques sind noch da und bieten eine Rarität: die „Azione sacra“:La Betulia liberata (im bei weitem nicht ausverkauften Haus für Mozart).Louise Alder brilliert im Mozarteum mit einem ganzen Kranz von Mozart Arien. Über der Residenz weht nicht die mexikanische Flagge. Kein Habsburger wird wie damals in Mexiko erschossen. Abgeschafft ist nur die noble österreichische Küche. Beim Empfang der Mozart Gesellschaft gibt’s jetzt mexikanischen Fast Food. Fake News sind, dass es demnächst zum Trinken nur noch Cerveza Villazón (vulgo Corona) gäbe, im Landestheater nur noch Stücke von Villazón aufgeführt würden und vom Publikum in Zukunft mexikanische Kostümierung erwartet würde.
Doch nehmen wir das Ganze nicht so ernst. Unser Multitalent oder altdeutsch unser Tausendsassa wollte einfach nur zeigen, dass er auch ein großer Komödiant ist. Vielleicht stürzt er sich demnächst von der Zirkuskuppel herab und treibt mit seiner Band alle Kritiker aus dem Musentempel.
Akrobaten in der Zirkuskuppel – ratlos das Publikum. Carlus Padrissa inszeniert T.A.M.O.S. in der Felsenreitschule und macht aus Mozarts frühem Fragment Tamos, einem Freimaurer Lehrstück, ein Multimedia Spektakel mit leicht abgedroschenem Mozart Soundtrack und Computer-Musik.
„ich habe keine Lust auf Zirkus in der Felsenreitschule – zu Hochpreisen“ – meinte der Herr neben mir. Ich konnte ihm nur zustimmen. Das Freimaurer Geschwafel– neudeutsch: der Betroffenheitsjargon der Gutmenschen – machte das Ganze noch unerträglicher. Doch seinen wir nicht zu streng. Halten wir Carlus Padrissa zu Gute, dass er, ganz anders als im Programmheft verkündet, das langweilige Freimaurer konterkarieren und eine große Show in Szene setzen wollte. Ein Spektakel, in dem Bühnentechnik und Videoabteilung ihre Kunstfertigkeiten vorführen durften, sich zu Furcht und Schrecken, Gaudi und Staunen des Publikums so richtig austoben konnten. Da glitzern die Lichter, da zaubern die Spotlights ein Disko-Ambiente herbei, das jede Nobeldisko wie eine billige Scheune aussehen lässt. Da stürzen sich die feindlichen Soldaten vom Himmel herab auf die Bösen (wahlweise auch auf die Guten), da werden die Mauern erklettert, da explodieren die Bomben (ein Glück, dass wir vor der Vorstellung erfahren, es seien keine wirklichen), da fällt farbiges Wasser vom Felsen und duscht den Hauptdarsteller, da fahren die Sänger im offenen Fahrstuhl gen Himmel und produzieren sich aus luftigen Höhen. Da gibt’s gleich zu Anfang eine Leiche im Plastiksack. Keine Angst: der Hohepriester in der Person des uns allen so vertrauten René Pape singt zur Einsegnung einen Ohrwurm aus der Zauberflöte. Im Finale reißt unser kräftiger Bass den „Baum der Unwahrhaftigkeit‘ aus. Der gute Prinz kriegt nach vielem Leiden die Prinzessin, und die Kohorte der Choristen sammelt sich wieder auf der Szene und singt uns noch ein paar Hits aus der Zauberflöte.
Keine Frage: Carlus Padrissa und sein Team verstehen sich auf die großen Bühnenspektakel. In der Technik sind sie hypermodern. Doch in der Konzeption sind sie von gestern. Was sie bieten, das ist barockes Maschinentheater mit den Techniken von heute. Die Musik wird dabei zur quantité négligeable. ‚Allein, was tut’s‘. Dem Publikum hat’s am Ende gefallen. Die alten verknöcherten Mozartverehrer bleiben halt beim nächsten Mal zu Hause oder gehen gleich in den Zirkus.