Opernprobe mit Spieleinlagen und Metatheater Einsprengseln: Les Contes d’Hoffmann am Aalto-Musiktheater Essen

Opernprobe mit Spieleinlagen und Metatheater Einsprengseln: Les Contes d’Hoffmann am Aalto-Musiktheater Essen

Hoffmanns Erzählungen garantiert immer ein volles Haus – ganz gleich wer singt, wer inszeniert, wer dirigiert. Ideal ist es, wenn man für den Hoffmann einen lyrischen Tenor hat, dem das Dramatische nicht fremd ist (den hat man in Essen in der Gestalt des durchaus brillanten Thomas Piffka) und  wenn man des weiteren eine Sopranistin hat, die die scheinbar mechanischen Koloraturen der Olimpia  und das lyrisch-sentimentale Singen der Antonia in gleicher Weise beherrscht (diese Sängerin gibt es in Essen wohl nicht). Ja, und dann braucht man noch den Bösewicht, den Bariton – und der findet sich: in Essen in der Gestalt des sängerisch und darstellerisch überragenden Thomas J. Mayer. Hoffmanns Erzählungen, eine finanzielle Trumpfkarte für jeden Operndirektor.… → weiterlesen

Auf den Rücken der Reptile? Auf den Brüsten der Frauen? Unter glühenden Gesteinsbrocken? – Ein seltsam matter und konzeptionsloser Siegfried im Aalto-Musiktheater Essen

Jetzt werkeln sie schon über ein Jahr daran herum. Und immer noch brennt das Feuer nicht so richtig, an dem sie ihren Ring schmieden wollen. Viel Rauch, und keiner traut sich, einmal kräftig ins Feuer zu blasen. Es muss ja nicht gleich ein Weltenbrand entfacht werden. Aber lodern sollte das Feuer schon und das erst recht, wenn – nach dem Stuttgarter Modell – für jedes Stück ein anderer Regisseur verantwortlich zeichnet. Beim Rheingold hatte Theatermacher Knabe zwar versucht, Zunder an Wagner zu legen. Aber herausgekommen ist nur eine wilde Ausstattungsrevue mit viel Sex und Crime, bei der der kleine Sachse mit seiner Musik gerade noch eine Statistenrolle ergattern konnte.  Bei der Walküre ist man wieder seriös geworden und  hat diese  – ganz in der Tradition  des 19. Jahrhunderts  –  als ‚Verfall einer Familie’ gedeutet und die Geschichte ins Milieu preußischer Militäraristokraten verlegt bzw. sie, wenn man so will, was sich ja in Essen anbietet, bei den Krupps angesiedelt. Regisseur Hilsdorf hat in seiner Walküre auf alle Gags und Mätzchen verzichtet und der Musik das Primat überlassen mit der Folge, dass berückend schön musiziert wurde. Jetzt beim Siegfried werkelt man (leider auch in der Musik) wieder an kleiner Flamme so vor sich hin, und der etwas irritierte Zuschauer fragt sich, ob die Regie über kein Konzept verfügt oder ob das Konzept darin besteht, Ringinszenierungen aus den letzten Jahrzehnten fragmentarisch zu zitieren, zu variieren und zu ironisieren – und dabei den Zuschauer zu verwirren. Auf einer leicht ansteigenden hügeligen Bühne, die vielleicht der Rücken des ‚Drachen’ sein könnte und in der die Erotomanen gleich Frauenbrüste sehen wollen (ein versteckter Hinweis auf „das wild wütende Weib“?),  hausen  Siegfried und Mime, nein nicht auf der schon obligatorisch gewordenen Müllhalde, sondern unter einer Eisenbahnbrücke oder vielleicht auch in einem funktionslos gewordenen Tunnel. Mime ist in Kostüm und Maske so eine Art Außerirdischer oder ein eben gelandeter Fallschirmjäger, und Gott Wotan als Wanderer springt schon mal auf dem Drachenrücken bzw. auf den Brüsten hin und her und beobachtet das Geschehen. Wohl ein Metatheaterhinweis: Gott Wotan inszeniert ein Spektakel und beobachtet seine Schauspieler? Im zweiten Akt gewinnen Drachenrücken und Brüste, die man praktischerweise aus dem ersten Akt übernommen hat, eine dramentechnische  Funktion. Wenn Siegfried von seiner Mama träumt, dann kann er sich zur Inspiration schon mal zwischen die Brüste legen und den leidigen Drachen, eine Crux für alle Theatermacher, den brauchen wir erst gar nicht erscheinen lassen. Siegfried sticht einfach mit seinem Schwert in ein Hügelchen hinein, und schon ist das Untier erledigt und kann aus der Unterbühne heraus  das Ende des Riesengeschlechts bejammern. Auch für  die Geschichte  mit dem Waldvöglein hat man in Essen eine simple Lösung gefunden und  dabei dem Zuschauer noch ein Bröckchen Metatheater dazu gegeben. Theatermacher Wotan stellt einfach einen Käfig mit einem Vogel auf die Bühne, und damit auch der unbedarfteste Zuschauer merkt, dass die Regie nicht an das Märchen vom sprechenden Vogel glaubt, trägt vom Bühnenrand her eine Sängerin die entsprechenden Passagen vor.  Doch wir sind bekanntlich noch nicht am Ende, wenngleich der Zuschauer wie Gott Wotan  dieses schon mal herbeisehnt. Für den dritten Akt hat Regisseur Anselm Weber noch ein ganz besonderes Wechselbad für die Zuschauer parat, den geradezu grotesken Kontrast zwischen der Szene Erda Wotan und der Walkürensszene. Während erstere an eine zeitgenössische Realsatire erinnert: ein Herr mittleren Alters  sucht Hilfe bei seiner verschlafenen Exgeliebten, zitiert das Finale die Märchenwelt frühester Wagner Inszenierungen. Da senkt sich doch tatsächlich ein Felsbrocken mit flackernden Lichtern vom Bühnenhimmel  auf den staunenden Siegfried herab, und mittendrin im Felsen da liegt doch tatsächlich eine reife Dame  in voller Rüstung  und klettert, einmal befreit vom Waffenschmuck, im Brautkleid mit langer Schleppe vom Felsen herunter. Dass es dem armen Siegfried bei diesem Anblick mulmig wird, das können wir als Zuschauer nur zu gut verstehen, und wir fragen uns verärgert, was dieses ganze Zitatengerümpel soll. Ja, wir haben schon begriffen, dass die Regie das Wagnerbrimborium nicht ertragen kann, dass es  für sie nur noch als ironisches Zitat vermittelbar sei und dass man als Regisseur  gegen die erotisierende Droge der  Wagnermusik angehen müsse. Doch mit Verlaub, sehr geehrter Herr Theaterdirektor Weber: mit Wagner spielen, ihn ironisieren, ihn dekonstruieren, darin sind die Herren Neuenfels und Konwitschny und Herheim Meister. Bei diesen amüsiert man sich und erfährt zugleich neue Deutungen. Bei Ihnen, noch einmal mit Verlaub, da langweilt man sich nur. Und was die berüchtigte Wagnerdroge angeht: „Sei außer Sorg“. In Essen ist sie nur schwach dosiert. Den Wagner, den Sie und ihre Mitstreiter im Aalto-Musiktheater zur Zeit anbieten, das ist Wagner für katholische Landfrauen. – Wir sahen die Vorstellung am 18. Oktober. Es war die zweite Vorstellung nach der Premiere am 10. Oktober 2009.