In Salzburg hat Theatermacher Guth mit der Così fan tutte seinen vor nunmehr drei Jahren begonnenen Da Ponte/Mozart Zyklus zu Ende gebracht – zu Ende gebracht, nicht vollendet, wie wir noch hofften. Guth, dem in Zürich mit der Ariadne und dem Tristan herausragende, ja bewundernswerte Inszenierungen gelingen, bekommt wohl ähnlich wie einem anderen bekannten Theatermann das Salzburger Ambiente nicht so recht (zum Salzburger Ambiente hat Thomas Bernhard das Entsprechende gesagt). Regisseur Guth, so hatte ich mir schon nach seiner Le Nozze di Figaro notiert, versteht nichts von der Liebe, besser gesagt: vom Spiel mit den Liebesdiskursen des 18. Jahrhunderts, wie sie es Mozart und Da Ponte in Szene setzten. Wenn man wie Guth den Don Giovanni als Delirium eines moribunden Waldschrats verkauft und in Le Nozze di Figaro den müden Greisen im Parkett das Thema Amore mittels eines Erosjünglings, der die Akteure umflattern darf, visualisiert, dann hat man unterhaltsame Spektakel herbeigezaubert – und den Reigen der Liebesdiskurse verniedlicht. Und jetzt in der Così fan tutte? Auch hier unterhält die Regie mit ihren Einfällen das Publikum glänzend, wenn gelangweilte Yuppies nach einer wohl unergiebigen Party in ihrer schick-schönen Villa am Waldesrand ein Liebesexperiment durchspielen und dabei von einer Göre aus der Unterschicht, der Zugehfrau Despina, unterstützt und von einem müden, eleganten Partylöwen, einen gewissen Don Alfonso, dirigiert werden. Die Reichen und Schönen flirten herum, spielen ein bisschen Liebe, sind eifersüchtig und ärgerlich, glauben sich treu oder unbeständig, ganz wie es so kommt. Unbeständigkeit auf allen Seiten. Oder sagen wir besser: Oberflächlichkeit und Leere auf allen Seiten. Wollte die Regie dem Salzburger Schickeria Publikum den Spiegel vorhalten, ihm Identifikationsmöglichkeiten anbieten, als sie so ganz auf Öde und Leere und Oberflächlichkeit als Grundkonzeption der Inszenierung setzte? In diesem Kontext der Oberflächlichkeit gelingen der Regie immerhin eine ganze Reihe brillanter Einzelszenen: zu ihrem ersten Duett („Ah guarda, sorella!“) schauen sich die Damen Videos von einem romantischen Ausflug mit ihren Liebsten an und glauben sich verliebt – verliebt sind sie in die Posen der Liebe. Nichts ist authentisch. Alles ist nur Schein und eitle Einbildung. Ist dies das Signal, das von der Bühne kommt? Vielleicht. Im Finale des ersten Akts – der Gartenszene – zieht Alfonso die Jalousien hoch – und wir Zuschauer blicken auf den Salzkammergutwald, den wir schon von Guths Don Giovanni her kennen und denken: „Bitte nicht schon wieder: Und ewig singen die Wälder“. Ganz so schlimm kommt es nicht. Das alte Dante Symbol von der Verirrung im Walde steht dieses Mal zurecht für die Irrungen und Wirrungen der Liebe. Ein schönes Zitat, wenngleich so mancher im Publikum wohl eher an Hänsel und Gretel als an Dante gedacht haben mag. Natürlich verzichtet ein routinierter Theatermann wie Guth auf die albernen, ärgerlichern Verkleidungspossen, mit denen mittlere Regisseure das Motiv des Nichterkennens ‚realisieren’ wollen. Wie Loy bei seiner Frankfurter Così fan tutte setzt er stattdessen auf einen Pakt zwischen den Akteuren untereinander und den Akteuren mit den Zuschauern: wir spielen, dass wir uns nicht erkennen, und wir als Zuschauer spielen mit. Und wie die Geschichte mit dem Liebesexperiment ausgeht, das wissen wir Zuschauer aus der Literatur, und die literarisch nicht Beschlagenen, die wissen es vielleicht ‚aus dem Leben’. Und sonst? Es wurde wunderschön gesungen und musiziert: im Orchestergraben die Wiener Philharmoniker; Sängerschauspieler der ersten Kategorie auf der Bühne. Die Damen tragen elegante Sommerkleider, die Herren dunkle oder weiße Anzüge. Man schreitet über eine herrschaftliche Treppe, lagert dekorativ auf ihr, wenn man nicht gerade aus dem Walde kommt. Die Treppe (und ihre Symbolik) kennen wir ja schon aus Le Nozze di Figaro. So verbinden halt die Selbstzitate der Regie die Da Ponte/Mozart Opern miteinander. Und dass es in allen drei Stücken um die Liebe geht, das haben wir inzwischen im Publikum alle mitgekriegt. Und sonst? Siehe oben: schön und schick, leer und tot. Im nächsten Jahr erspare ich mir den Salzburger Da Ponte/Mozart Zyklus und fahre nach Zürich. Der Zürcher Zyklus ist um Klassen besser. Wir sahen die Vorstellung am 26, August 2009.
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Salzburger Festspiele 2009 4./6./11. August: Haydn-Zyklus mit Marc Minkowski
Die Konzerte – so munkelt man in Salzburg – seien sowieso das Beste, was die Festspiele zu bieten hätten. Die Schauspielinszenierungen da draußen auf der Perner-Insel das seien vor allem postpubertäre Ergüsse, Karikaturen des Regietheaters, und bei der so hoch gepriesenen Frau Breth da langweile man sich doch zu Tode. Und die Opern? Manchmal sollen sie Ereignisse sein. Aber auch nur manche Male. Don Giovanni als moribunder Waldschrat im Salzkammergut oder wie die Nixe Rusalka ihren ungetreuen Liebsten im Gully entsorgt, das seien schon Höhepunkte, die man nicht so leicht vergäße. Nur die Konzerte, die der von der Kritik so gehätschelte und vom Direktorium der Festspiele so geknechtete Markus Hinterhäuser organisiere, die seien eben erstklassig. Ich fand, wie schon gesagt, den Beethoven-Zyklus ein bisschen dürftig. Aber ich bin ja nur eine Dilettantin, unbedarftes Publikum, das gefälligst brav zuhören und artig klatschen darf. Doch wenn jetzt beim Haydn-Zyklus Minkowski mit seinen Musiciens du Louvre Grenoble auftritt, dann kann man zu Recht klatschen. Und zu kritteln gibt es nichts. Wie immer fasziniert Minkowski, bezaubert er seine Zuhörer – und belehrt sie noch dazu unaufdringlich. So stellt er Haydns so genannter „Cäcilienmesse“ Purcells und Händels Oden am Cäcilientag („Ode for St. Cecilia’s Day“) voran, zeigt implizit, in welcher Tradition Haydn steht und ehrt Purcell zum 350. Geburtstag und Händel zum 250. Todestag, zwei Jubiläen, die ganz im Schatten des Haydn-Jahres stehen. Von der Messe führt man nur das Kyrie und das Gloria auf – beide Stücke seien möglicherweise Vorstufen zur eigentlichen Cäcilienmesse – und gibt dann als Zugabe noch das Incarnatus est und das Resurrexit tertia die. Man stelle sich einmal vor, dass nach einem mehr als dreistündigen Konzert die (???) Philharmoniker noch eine große Zugabe spielten, nur weil die Musik so schön sei und die Zuhörer diese unbedingt noch hören sollten. Ein unvorstellbarer Gedanke. Aber bei Minkowski ist halt alles anders und alles möglich. Seine Musiker wirken eben nicht wie gravitätische Musikbeamte, die ihre ‚holde Kunst’ ungnädig einem inkompetenten Publikum darbieten, sondern sie sind von der Sache begeisterte Künstler, die das Publikum an dieser ihrer Begeisterung Anteil nehmen lassen. Und der Maestro ist nicht der eitle Pultstar, sondern ein Künstler, dem jede Pose fremd ist und der sich ganz in den Dienst der Musik stellt. So erlebte man gleich beim ersten Konzert einen großen Abend der Musik und der Musikgeschichte. Der musikalische Laie hört auch gern – so am zweiten Abend – die so genannten „Pariser Symphonien“, findet sie schön und gefällig, kann wenig damit anfangen. Begeistert ist er wieder am dritten Abend: von der so brillanten Aufführung der Creation (man hatte wegen des internationalen Publikum das englische ‚Libretto’ gewählt). Nicht immer – aber dieses Mal beim Haydn-Zyklus – lohnt die Reise nach Salzburg. Ich freue mich schon auf das nächste Minkowski Konzert in Salzburg – im Januar bei der Mozartwoche.