Theatermacherin Lotte de Beer erledigt Rossini. Ein desaströser Il Barbiere di Siviglia an De Nationale Opera Amsterdam

Im Rossini Jahr – vor 150 Jahren verstarb der Komponist in Paris – sollte man keine Grand Opéra und keine Buffa des Maestro versäumen. Im Theater der Wien sahen und hörten wir zu Beginn der Spielzeit Guillaume Tell – in einer in Musik und Szene herausragenden Produktion, und jetzt waren wir in Amsterdam beim Barbiere di Siviglia, einem so berühmten und so viele tausend Male aufgeführten Melodramma buffo, wo man eigentlich nichts falsch machen kann.

In Amsterdam hat man eine besondere Leistung vollbracht.

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Faschismus auf allen Seiten oder der ewige Kreislauf von Gewalt und Macht, Lüge und Intoleranz. Torsten Fischer inszeniert Rossini, Guillaume Tell am Theater an der Wien

Die Aktualisierung einer ‚grand opéra‘, die man in Paris bei Kriegenburgs Inszenierung der Huguenottes vermisste, hier in Wien bei Fischers Version von Guillaume Tell findet sie sich geradezu im Übermaß.

Dieser Tell, wie Fischer ihn in Szene setzt, ist kein Freiheitsheld, kein nobler Résistance Kämpfer, sondern ein brutaler Macho und Familientyrann, der, koste es, was es wolle, seine private Fehde mit dem Gouverneur Gesler durchziehen will. Dieser Gesler ist kein Landvogt der Habsburger, sondern der Kommandeur einer  hochgerüsteten Eingreiftruppe, die in der Kampfmontur von heute auftritt. Gespielte Zeit ist vielleicht die Zeit des zweiten Weltkriegs. Die eingespielten Videos, die Bomber und Jäger aus den Vierzigerjahren in Aktion zeigen, legen eine solche Assoziation nahe. Ist der Gouverneur Gesler vielleicht ein hoher SS-Offizier?

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Die Mär von der gescheiterten Integration nebst Märchen- und Traumtheater und Francesca da Rimini Subtext. – Rossini, Otello am Theater an der Wien

Wenn Damiano Michieletto inszeniert, dann darf das Publikum zu Recht einen Highlight der Regiekunst erwarten –  wie zum Beispiel bei Puccinis Triptychon, das der Theatermacher aus Venedig vor ein paar Jahren in Wien herausbrachte – oder man  muss sich auf einen Flop gefasst machen wie zum Beispiel bei der Così fan tutte, die uns vor zwei Jahren in Barcelona verärgerte. Hier in Wien –sagen wir es gleich –  zeigt sich Michieletto wieder von seiner besten Seite, zieht alle Register seiner Kunst, ‚produziert seine ‚Kunstfertigkeiten‘, deckt verborgene Schichten von Rossinis dramma per musica auf.

Die Regie konzentriert sich auf die Grundstruktur des Stücks, lässt alles unnütze Beiwerk wie das Militärische beiseite und erzählt eine neue Geschichte. Dieser Otello, wie ihn Michieletto versteht, ist kein ‚Mohr‘ und kein Admiral in den Diensten der Republik Venedig. Er ist ein arabischer Investor, der mit den Großkaufleuten von Venedig zum Vorteil des Staates einträgliche Geschäfte gemacht hat und der als Gegenleistung nichts anders verlangt als eingebürgert zu werden. Ein Idealfall für die Apologeten der Integration? Eine Bestätigung  für die Multikulti Idealisten? Nicht doch! Das Bürgerrecht, so signalisieren es, wenn auch recht unwillig,  die Mitglieder ‚der herrschen Klasse‘ könne man schon konzedieren, doch einen Zugang zur hohen Gesellschaft wisse man dem Fremden  zu verwehren.… → weiterlesen

Die Liebe in den Zeiten der faschistischen Machos. Rossini, Tancredi im Theater an der Wien

In Wiens „Neuem Opernhaus“, wie sich das altehrwürdige Haus am Naschmarkt nennt, war eine Rarität zu hören und eine Inszenierung zu bewundern. René Jacobs, der gefeierte und berühmte Spezialist für alte Musik, dirigiert dort einen frühen Rossini, eine opera seria, ein „meldodramma eroico“, das der gerade mal 21 jährige Komponist im Jahre 1813 in Venedig uraufführte. Jacobs und Rossini, das scheint auf den ersten Blick nicht so recht zusammen zu passen. Doch schon bald konstatiert der verblüffte Zuhörer, dass Maestro Jacobs mit dem Orchestre des Champs-Elysées, das auf historischen Instrumenten spielt, einen Rossini präsentiert, wie man ihn vielleicht noch nie so gehört hat: einen sanften und doch zugleich spielerisch-ironischen Rossini, der selbst im Crescendo nie die Sänger zudeckt. Mögen die Musikhistoriker und die professionellen Kritiker dazu sagen, was sie wollen. Mir als musikalischem Laien, der schon so manche Male einen scheppernden Rossini gehört und erlitten hat, mir hat die Interpretation, die Jacobs vorgeschlagen hat, mehr als gefallen. Und wenn man dann noch erfährt, dass der Maestro „zahlreiche Verzierungen rekonstruiert hat“, dann erkennt man auch noch im Nachhinein, dass man einen ungewöhnlichen Rossini-Abend erlebt hat. Wie der musikalische Part so bewegt sich auch die Inszenierung auf ungewöhnlich hohem Niveau. Regisseur Stephen  Lawless hat die romantische Liebesgeschichte zwischen dem Outlaw Tancredi und seiner Jugendfreundin und den Streit zwischen zwei feindlichen Familien, die sich angesichts eines gemeinsamen äußeren Feindes notgedrungen versöhnen, aus dem mittelalterlichen Syrakus in das faschistische Italien der 30er Jahre transponiert. In dieser Welt, die von exzessivem Macho-Wahn, von rigorosem Körperkult und Kraftmeierei dominiert wird, sind Frauen nur Spielzeuge und Puppen, über die nach Belieben verfügt wird und die hier im konkreten Fall als Pfand der Versöhnung: sprich als Braut  zu Verfügung gestellt wird. In diesem Szenarium stolziert man in Stiefeln umher, trägt das obligatorische Schwarzhemd und das Berett, fuchtelt mit Dolch und Karabiner herum, lugt vor lauter Verklemmtheit den Frauen unter die Röcke. Und wenn dann noch der Vater der Zwangsbraut  in der Mussolini Maske und der Anführer der Gegenpartei, mit der der Duce sich gerade versöhnt hat, als arroganter hoher Offizier auftreten, dann könnte man sich in einem faschistischen Dokumentarfilm glauben, ja wenn die Regie nicht mit den Mitteln der Übertreibung und Karikatur gegensteuern würde. Doch erschreckend und einschüchternd wirkt diese Machowelt allemal, auch wenn sie im Schlussakt, beim Auftritt der feindlichen Sarazenen, die in ihren langen schwarzen Gewändern wie moslemische Frauen auf dem Weg zu einer nicht genehmigten Demonstration wirken und die dabei die Machomännchen  am Wickel haben, gleichsam karnevalisiert wird. Und wo bleibt bei alledem das romantische Liebespaar? Armenaide, so nennt sich die Schöne, die dem Faschistenführer zugesprochen wurde und doch Tancredi angehören möchte und  der schon im Libretto und von der Musik her sowieso die Hauptrolle zufällt, die Arme ist ständig das Opfer eines Psychoterrors, an dem sich nicht nur die faschistischen Machos, die sie hinrichten wollen, sondern auch ihr Retter  Tancredi, der sie gleich zweimal der Untreue verdächtigt, beteiligt. Tancredi, der doch im Rothemd der Garibaldi Anhänger auf Sizilien gelandet war, um die Insel zu befreien und die Geliebte für sich zu gewinnen. Dieser Tancredi, wenn er auch als romantischer Liebhaber daher kommt, ist, so suggeriert es die Regie, schon von Macho Wahn infiziert und im Finale bricht diese Krankheit vollends aus. Tancredi, der die Feinde besiegt hat, kehrt als Schwarzhemd zurück, schart sich in die Schar der Machofaschisten ein und würdigt die Geliebte keines Blicks mehr. „La mia felicità….“ das ist nicht die romantische Liebe, sondern Macht und Gewalt in einer Männerwelt. Ein lieto fine in der Tat, das, mag es auch mit einem ironischen Augenzwinkern herüberkommen, die romantische Liebe erledigt und den Garibaldi-Mythos so nebenbei noch mit. Garibaldi wird vom Faschismus absorbiert. – Ein großer Opernabend im Theater an der Wien. Wie schade nur, dass dieses Haus ein Stagione Theater ist. Diesen Rossini hätte ich gerne noch einmal gehört und gesehen. Wir sahen am 23. Oktober die letzte Vorstellung. Die Premiere war am 15. Oktober 2009.