Passen Korngolds Filmmusik Oper (avant la lettre) und Glucks berühmte ‚Reformoper‘ zusammen? Von der Musik her selbstverständlich nicht. Hier die oft so eingängige und in den bekannten ‚Nummern‘, Mariettas Ballade, Pauls Schlusslied, Pierrots Lied, schlagerartige Musik. Dort bei Gluck das ‚Erhabene‘ in Gesang und Orchesterklang. Auch von der Handlung her haben die Tote Stadt und Orpheus und Eurydike – auf den ersten Blick hin – nichts gemein. Dort der etwas abartige Totenkult um die früh verstorbene Marie in einem düsteren, abergläubischen katholischen Milieu, einem Totenkult, aus dem sich der Trauernde schließlich durch einen Albtraum befreit. Hier der Abstieg in die Unterwelt und der vergebliche Versuch, die Geliebte zu den Lebenden zurück zu führen – mit einem scheinbaren lieto fine, das Amor als deus ex machina bewirkt.… → weiterlesen
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In der tristen Welt der Unterschicht. Orpheus und Eurydike an der Oper Freiburg
Erleben wir im Musiktheater gerade eine ‚Renaissance‘ der romantischen Ästhetik eines Victor Hugo, einer Ästhetik, die den Kontrast zwischen „ Le Sublime et le Grotesque“, zwischen Erhabenem und Hässlichem und das In-einander-Übergehen beider Bereiche betont? Wird diese Weltsicht gerade an Glucks Opern durchexerziert? Paris und Helena als Orgie von Gewalt und Sadismus in Nürnberg. Iphigénie en Tauride als Trash unter Kolchose Bäuerinnen, deren Brigadier sich in den Kopf gesetzt, jeden Fremden von diesen abschlachten zu lassen – so geschehen bei den diesjährigen Salzburger Pfingstfestspielen.
Und jetzt in Freiburg wird Eurydike zu einer Drogenabhängigen aus der Unterschicht, die sich die Pulsadern aufschneidet. Orpheus muss durch eine Hölle von lüsternen Voyeurs, prügelnden Familienvätern, Säufern, Obdachlosen, Selbstmördern und schlafenden Musikern. Geleitet wird er bei diesem Streifzug durch die Unterschicht von einem sadistischen Vorkriegsgymnasiasten (bei Gluck ein gewisser Amor). Zum Reigen seliger Geister lässt der kleine Sadist Orpheus noch einmal sein Glück und sein Unglück mit Eurydice als Video-Aufzeichnung erleben (Und jetzt versteht auch der Zuschauer, warum Spielort der ersten Szene ein Badezimmer ist: in der Badewanne hatte sich Eurydike verbluten lassen). Das Elysium, das sich Orpheus endlich öffnet, ist wohl der Freizeitraum eines Sanatoriums, in dem glückliche Menschen in luftiger Sommerkleidung schaukeln und singen.… → weiterlesen